Seidenstrasse

Seal144

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Paradise a State of Mind
Kameltreiber Ali beim Psychiater II



Das alles ist inzwischen passiert:

Frau mit viel Phantasie aus einem kleinen Fischerdorf in Süd Portugal, glaubt ein Kameltreiber zu sein. Die Handlung beginnt in der Praxis eines Psychiaters und springt plötzlich mitten in die Wüste Saudi Arabiens hinein, wo kämpfende, liebeshungrige Kamele und die hitzigen Debatten der beiden Helden über Platons Höhlengleichnis und Kants Kritik der Reinen Vernunft, erst einmal jäh durch Mohammed und seine Wüstenkrieger ein Ende finden.

Mohammed, der gefährlichste und meist gesuchte Terrorist auf Erden, ist beeindruckt von den Beiden, er sieht in ihnen fromme Gläubige und potenzielle Dschihadis und ladet sie auf eine Pilgerreise nach Mekka ein.

Auf der halsbrecherischen Flucht vor Mohammed, geschehen am laufenden Band Verwechslungen, die beiden Helden können es nicht lassen, weiterhin über ihre Lieblingsthemen, die Psychoanalyse von Freud und die Philosophie zu streiten, während die Schauplätze Dschidda des modernen Saudi Arabien mit seinen Märchenpalästen und Einkaufszentren, zu den heiligen Städten Mekka und Medina wechseln, bis in das Innere eines Gefängnis und sie immer tiefer in die Welt des Islam verstricken.

Der saudische Supertanker Ramlah, bringt die beiden Helden und ihre Kamele nach Rotterdam. An Bord eines Luxusliners mit 1800 Passagieren geht es von Rotterdam nach Lissabon, nur nicht wie geplant in drei Tagen, sondern in drei Wochen.

Völlig überrascht erblicken die Beiden die Küste von Island und erfahren, dass die Fahrt weiter nach New York gehen soll und von dort über die Karibik nach Portugal.

Am Ende führt Allah auf wundersame Weise die Wege von Ali, dem Shrenk und Mohammed, erneut zusammen… Die wahren Helden am Ende dieser Geschichte sind Alis Kamele.

Endlich kehren beide heim, aber ihr Tatendrang ruft zu neuen Abenteuern: Eine Einladung von Dschingis Kahn wartet auf sie.


Herausforderungen, Gefahren, Verwechslungen und glückliche Umstände, sie sind wie der Weg des Lebens und das eigentliche Glück und nicht wie erwartet das Ziel.

Die Geschichte spielte bewusst im „Hier und Jetzt“ und ist vom Tempo her atemlos. Aber auch inmitten dieser Atemlosigkeit entstehen Augenblicke zwischen Ali und dem Shrenk, die so dicht sind dass sich plötzlich ein Tor öffnet, eine innere Sicht, und man einen Blick erhaschen darf, in den unendlichen Raum. Und das wird Leere genannt.



I

Ich bin Ali, ein einfacher Kameltreiber aus dem Maghreb und stolzer Besitzer von vier Kamelen. Eigentlich sollte ich glücklich sein, wenn nicht immer mal diese Zweifel auftauchen, wer bin ich wirklich? Auch Akhbar, mein Lieblingskamel war nicht mehr rundum zufrieden mit seinem Leben. So beschlossen wir beide einen Psychiater aufzusuchen…


Das war einmal vor langer Zeit und viel ist seitdem vorgefallen. Ich Ali stattete zusammen mit meinem Kamel Akhbar, dem Psychiater einen Besuch ab. Nach einigen Behandlungen, wollte der Doktor Shrenk mich bei meiner nächsten Reise in die Wüste begleiten, und so geschah es auch.


Zusammen mit Doktor Shrenk und meinen vier Kamelen, machten wir uns in die groβe arabische Wüste Rub-Al-Khali auf. Völlig unerwartet gerieten wir in die Hand von Mohammed und seinen Wüstenkriegern. Mohammed, der gefährlichste und meist gesuchte Terrorist auf Erden, war beeindruckt von uns, er sah in uns fromme Gläubige und potenzielle Dschihadis und lud uns auf eine Pilgerfahrt nach Mekka ein. Daraus wurde eine lange und turbulente Reise, da wir immer wieder versuchten vor ihm zu fliehen. Erst vor wenigen Wochen, kehrten der Doktor und ich mit unseren Kamelen, den eigentlichen Helden heim. Es waren die Kamele, die auf dem groβen Ozeandampfer das Kismet in die eigene Hand nahmen. Oder sage ich besser zwischen die Hufe? Genau darüber dachte ich intensiv nach, als ich vor der Tür des Doktor Shrenk stand und klingelte. Egal, ob nun Hufe oder Hand, meine Kamele Akhbar, Miriam, Suleika und Omar waren die wahren Helden, sie vereitelten an Bord der Westerdam einen Sprengstoffanschlag der Islamisten und retteten das Leben von über zweitausend Menschen…


„Ali!“, rief Doktor Shrenk überrascht aus. „Warum diese finstere Miene und wolltet ihr nicht erst im nächsten Monat zu mir kommen?“

Ali versuchte ein mattes Lächeln hin zu bekommen, was ihr aber nicht gelingen wollte und nickte dem Doktor wenigstens höflich zu.

„Kommen sie Ali, erst mal ein Tässchen Tee auf die englische Art und dann sehen wir weiter.“

Doktor Shrenk trällerte fröhlich das Lied „What a beautifull day“, vor sich hin, während er Ali in seinen Behandlungsraum geleitete, wo sie auf der Couch Platz nahm. Dann rief er nach seiner Assistentin Misses Hazel Dawson, und bestellte zwei Tassen Tee mit Zucker und Milch.

„So, werte Ali. Jetzt erzählen sie mir genau, was sie zu diesem plötzlichen Besuch bei mir veranlasst, noch dazu ohne Akhbar!“

„Die Mongolen sind seit drei Tagen bei mir und stellen meine Wohnung auf den Kopf. Verstehen sie Doktor?“ Ali nahm ihre Tasse in Empfang, gab drei Stück Zucker hinein und begann wie wild mit dem Löffel umzurühren.

„Hm…“

„Vor allem stinken sie erbärmlich nach faulem Fleisch…“

„Nein.“

„Oh doch, werter Shrenk. Ich habe sie gebeten zu duschen, was sie nicht befolgt haben, denn sie behaupten, Quellen und flieβendes Wasser sei von heiligen Geistern bewohnt und man dürfe die Wassergeister nicht stören. Wenigstens gehen sie jeden Morgen vor Sonnenaufgang zum Meer, um dort ein Bad zu nehmen, aber ihre Kleider stinken.“

„Stecken sie einfach die Kleidungsstücke in die Waschmaschine.“

„Als ob das so einfach wäre.“ Ali trank von dem Tee und stellte die Tasse auf dem niedrigen Tischchen ab. „Wenn sie wüssten“, stieβ Ali erbost hervor. „Diese seltsamen Pelzmützen mit Ohrenklappen, Filzstrümpfe und Filzstiefel, die sie anhaben. Das ist noch nicht alles, Doktor. Sie tragen wollene Kleider und darüber eine Rüstung aus schwarz lackierten Lederstreifen. Und zu allem Überfluss haben sie einen bis an die Knie reichenden zottigen Pelzmantel an. So was kann ich nicht in die Waschmaschine...“

„Wie wäre es mit moderner, pflegeleichter Kleidung?“, schlug der Doktor vor.

„Die lassen sich nichts sagen. Das sind Wilde im wahrsten Sinne des Wortes, sie stecken in einer Art Überlegenheitswahn.“ Ali blickte den Doktor flehend an. „Auch jede Menge Waffen haben sie dabei, nicht einmal im Schlaf trennen sie sich davon. Ali begann aufzuzählen:

„Zwei Bögen und zwei Köcher, ein Krummsäbel, ein Beil, eine Eisenkeule, eine Lanze mit einem Haken, um den gegnerischen Reiter aus dem Sattel heben zu können, wie sie mir erläuterten und einen Strick aus Pferdehaar mit einer Schlinge.“ Ali blickte den Doktor an. „Aber alles bitte mal vier, denn es sind ja vier Mongolen. Also acht Bögen und acht Köcher…“


„Vier Mongolen“, murmelte der Doktor ratlos. „Könnte es sein, dass ihr durch unser letztes Abenteuer mit dem Terroristen Mohammed, nun einer Profilierungsneurose erlegen seid?“

„ Ach ihr meint ich übertreibe maβlos? Doktor, fangt nicht schon wieder damit an in eurem Freudschen Psychoalmanach nach Erklärungen zu suchen. Wir müssen so schnell wie möglich aufbrechen und genau das wollen die Gesandten von Dschingis Khan erreichen. Wenn ich mich beschwere, so lachen sie nur und meinen, wir sollten besser schleunigst losreiten, bis in die Mongolei seien wir Monate unterwegs.“

„Nun, eine Profilierungszuständigkeit bildet die Voraussetzung für eine geniale Selbstdarstellung, für überzeugendes Auftreten und Erfolg in sozialen Situationen, oder nicht?“

„Bezieht ihr euch auf mich oder die vier mongolischen Männer?“

„Werte Ali, hm. Das ist alles sehr komplex.“ Doktor Shrenk kratzte sich am Hinterkopf und legte seine Stirn nachdenklich in Falten. „Mal angenommen, wir besuchen tatsächlich Dschingis Khan, in welcher Zeit befinden wir uns dann überhaupt?“

„Bitte nennt ihn Temudschin, das haben mir die Mongolen aufgetragen, dass er so genannt werden will. Temudschin sieht in uns wertvolle Freunde, die, wie er meint, weltoffen und verständnisvoll gegenüber dem mongolischen Volk seien. Vor allem sagen seine Männer immer wieder zu mir: „Einmal sehen ist besser als hundertmal hören“. Aber ihr wollt wissen, in welcher Zeit wir dort sein werden. Nun, wie ich es ausgerechnet habe, müsste es sich um das Jahr des Herrn 1215 handeln.“

Der Doktor, der gerade am Tee nachschenken war, hielt wie erstarrt inne, blickte Ali entsetzt an und wurde blass. Mit zittriger Hand stellte er die Kanne ab und meinte:

„Ich bin einiges bei ihnen gewohnt, werte Ali, aber das übertrifft einfach mein Vorstellungsvermögen!“

„Na ja ein paar Jahre vorher oder nachher, das sollten wir nicht weiter tragisch nehmen. Aufgrund der Erzählungen der Männer, muss es sich um die Zeit kurz nach der Palastrevolution in Peking handeln. Ich vermute nach der Einnahme von Peking und das war 1215.“

„ Wie soll ich mich plötzlich im Mittelalter zurechtfinden? Da gab es doch noch keinen Sigmund Freud. Diese Reisen mit euch, Ali, die bringen das reinste Chaos!“

„Ja, aber sie bringen auch Überraschungen und wertvolle Erkenntnisse, Freundschaften und Abenteuer, die sie hier in unserem Fischerdorf niemals erleben könnten.“

„Schon, wir sind aber gerade erst seit drei Wochen zurückgekehrt und meine Patienten…“

„Ihre Patienten können warten, die sind doch alle nur Therapieabhängig! Wir geben auf der Reise so gut wie kein Geld aus, da wir Temudschins Gäste sein werden.“

Der Doktor schwieg, er schien angestrengt nachzudenken, was sich in seiner Mimik äuβerte. Ali kannte ihren Shrenk gut genug und wartete. Er sieht dem Woody Allen inzwischen noch ähnlicher, als im vorigen Jahr, befand sie. Es muss an der neuen Hornbrille liegen und die graumelierte Tweedjacke ganz im englischen Stil, steht ihm ausgezeichnet. Sie wusste, dass es dauern würde mit seiner Antwort und versuchte sich den Doktor gerade in mongolischer Kleidung vorzustellen, mit der Pelzmütze auf dem Kopf, Filzstiefeln und einem knielangen Zottelpelz.

„Ali“, begann der Doktor. „Nehmen wir die Kamele wieder mit?“

In diesem Augenblick erklang drauβen die Türklingel von der Praxis des Doktors.


„Wer läutet denn da Sturm?“, fragte sich der Doktor laut. Er eilte zur Tür hinaus, gefolgt von Ali, die sich schon denken konnte, wer da Sturm läutete. Auf dem Weg zur Tür, versuchte Ali, dem Doktor seine Frage zu beantworten:

„Überhaupt kein Thema, Shrenk. Ohne die Kamele, würde ich niemals auf Reisen gehen. Und das habe ich den vier Mongolen auch klar gemacht, worauf einer von ihnen, der Schamane Kökötschü…“
 
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Ärgerlich riss der Doktor die Tür auf und starrte auf eine Gestalt.

„Was?“, fragte der Doktor und zeigte ungläubig auf den Mann, der vor seiner Tür stand und hereinkommen wollte. Das mit der Pelzmütze stimmte, seine schwarzen Haare fielen bis über die Schultern, einige dünne Zöpfe zierten seine lange Haarpracht. Das Ledergewandt das er trug, hatte lange Zottelfransen, Ketten mit Tierknochen und irgendwelchen Krallen und Federn hingen um seinen Hals. Und darüber trug er einen dicken Pelzmantel.

„Kökötschü!“, rief Ali erfreut aus. „Was machst du denn hier?“

„Ist das der Schamane?“, fragte der Doktor, noch immer entgeistert. Ali nickte.

„Er behauptet Schamane zu sein und heiβt so.“

„Kökötschü?“ Doktor Shrenk wich zur Seite und lies den Mongolen eintreten.

„Kökötschü“, murmelte der Doktor vor sich hin, während er den Fremden in seine Praxis geleitete. Dann rief er entschlossen nach Misses Hazel Dawson und bat um eine weitere Kanne Tee.


Kökötschü, setzte sich zu Füssen von Ali, die erneut auf der Couch Platz nahm. Misses Hazel Dawson erschien mit einer neu gefüllten Kanne Tee und verschwand eiligst aus dem Raum. Der Doktor füllte die Tässchen aus feinem englischem Porzellan und reichte dem Schamanen eine.


„Willst du den Wolf verstehen, musst du dir sein Fell überziehen und die Welt mit seinen Augen sehen“, sprach Kökötschü höflich und trank dann vom Tee.


„Das ist ein mongolisches Sprichwort“, erläuterte Ali. „Das bedeutet, dass Kökötschü sich selbst ein Bild von euch machen wollte und mir gefolgt ist, nicht wahr edler Kökötschü?“

Der Schamane neigte würdevoll ein wenig das Haupt, um anzudeuten, dass Ali seine Beweggründe richtig gedeutet habe. Darauf fuhr er feierlich fort:

„Temudschin sagt immer: „Vertraue Gott, aber binde dein Kamel gut fest.“

„Ach ja?“ Ali lachte. „Was Temudschin genau damit meinte, weiβ ich nicht so richtig, denn Akhbar festzubinden, das wissen wir Doktor, dass es nicht funktioniert.“

„In der Tat, werteste, in der Tat!“, rief der Doktor aus. Sein Gesicht war gerötet durch die Aufregung und seine Stimme bebte leicht.

„Ich bringe Nachrichten vom groβen Temudschin, dem Herrn des Ozeans“, sagte Kökötschü. „Er befiehlt uns augenblicklich aufzubrechen!“

„Jetzt sofort?“ fragten Ali und der Doktor wie aus einem Mund. Kökötschü nickte.
 
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Seit zwölf Tagen waren Ali und der Doktor Shrenk, zusammen mit den vier Gesandten von Dschingis Kahn, auf dem Hochland des Pamir unterwegs, von den Einheimischen
"Kalte Steppenweide“ genannt. Dieser Name traf genau, denn der Wind blies unaufhörlich und wirbelte den Staub in einer unwegsamen Landschaft aus zerklüfteten dunkelgrauen Felsen und Geröllhalden auf. Ali und der Doktor hatten sich ihre Schals tief ins Gesicht, bis über die Nase gezogen und trugen Sonnenbrillen um ihre Augen zu schützen.
 
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