Unter "unkonventioneller Medizin" oder "Paramedizin" versteht man ein breites Spektrum von Verfahren, von denen behauptet wird, daß sie sich zur Erkennung und Behandlung von Krankheiten eignen, ohne daß dies bisher wissenschaftlich belegt wäre. Oft bauen sie auf spekulativen, unbelegten Vorstellungen auf und bedienen sich esoterisch-magischer Theorien. Zu den unkonventionellen medizinischen Methoden zählen diagnostische Verfahren wie Irisdiagnostik, Hand- und Fußdiagnostik, Kinesiologie, Auraskopie, Kirlian-Fotografie, Elektroakupunktur nach Voll und viele weitere - insbesondere apparative - Verfahren, die in irgendeiner Weise angebliche "Schwingungen" und "Energien" messen sollen. Therapeutische paramedizinische Verfahren sind die Akupunktur in allen ihren Varianten, Bach-Blütentherapie, Anthroposophische Medizin, Aromatherapie, Bioresonanztherapie, Homöopathie (siehe den gesonderten Abschnitt), Zelltherapie, Ozontherapie, Eigenharntherapie. Diese Aufzählung ist nur ein kleiner Ausschnitt aus einem langen Katalog.
Unkonventionelle Medizin wird häufig auch als sanfte Medizin, Erfahrungsheilkunde, Naturmedizin, biologische Medizin oder Alternativmedizin bezeichnet. Alle diese Begriffe versuchen deutlich zu machen, daß die Verfahren der unkonventionellen Medizin spezielle Eigenschaften (erfahren, natürlich, biologisch) aufweisen, die in der abwertend "Schulmedizin" genannten Medizin nicht vorhanden seien. Solche Versuche einer Abgrenzung sind jedoch unzutreffend, der eigentliche Unterschied liegt woanders. Während sich die konventionelle Medizin wissenschaftlicher Methoden bedient, um ihre Verfahren und Vorgehensweisen immer wieder zu überprüfen und zu korrigieren, lehnen Vertreter unkonventioneller Verfahren wissenschaftlich sorgfältige Untersuchungen überwiegend als "für sie unangemessen" ab. Auch der moderne Begriff "Komplementärmedizin" löst diesen grundsätzlichen Unterschied nicht auf.
Wissenschaftliche Untersuchungen sind jedoch unabdingbar, wenn man wirksame von unwirksamen Verfahren trennen will, denn es gibt eine ganze Menge Gründe, warum selbst unwirksame Verfahren sehr populär und scheinbar erfolgreich sein können. Oft sind die Patienten einfach von der Anonymität und dem Massenbetrieb moderner Großkliniken abgeschreckt und fühlen sich bei einem "Alternativmediziner", der sich viel intensiver mit ihrer Persönlichkeit beschäftigen kann, wohler. Schon das Vertrauen in einen Therapeuten, in die Wirksamkeit einer Therapie oder eines Medikaments kann Prozesse im Körper auslösen, die die Heilung fördern. Diese Wirkungen einer Behandlung, die nicht auf einer unmittelbaren chemischen oder physikalischen Wirkung beruhen, faßt man unter dem Sammelbegriff Placebo-Effekt zusammen. Entgegen einer verbreiteten Ansicht wirkt der Placebo-Effekt auch bei Kleinkindern und Tieren, obwohl sie die Behandlung nicht rational verstehen: Bereits die Tatsache, daß sich Kinder oder Tiere in einer vertrauten Umgebung stärker entspannen als in einer fremden, angsteinflößenden, kann die Heilung fördern. Umgekehrt wirkt der Nocebo-Effekt: Allein die Angst vor schädlichen Wirkungen kann bereits negative Auswirkungen im Körper hervorrufen. Der Placebo-Effekt kann sehr stark sein. Insbesondere wird das Schmerzempfinden stark beeinflußt. Deshalb ist es sinnvoll, den Placebo-Effekt in einer ärztlichen Behandlung zu nutzen, wobei man sich aber der Grenzen bewußt sein muß.
Will man dagegen herausfinden, ob eine bestimmte Therapie wirksam ist oder nicht, ist der Placebo-Effekt störend. Denn selbst wenn die Therapie völlig unwirksam ist, können Menschen allein aufgrund des Placebo-Effektes gesund werden. Um Medikamente oder Therapien zu testen, muß man daher zwei Patientengruppen bilden: Die eine Gruppe erhält das zu testende Medikament, die Kontrollgruppe dagegen ein unwirksames Scheinmedikament (Placebo). Werden beide Gruppen ansonsten völlig gleich behandelt (um dies sicherzustellen, muß der Test doppelblind durchgeführt werden, d. h. weder die Patienten noch die behandelnden Ärzte dürfen wissen, ob jeweils das echte Medikament oder das Placebo verabreicht wird), dann ist der Placebo-Effekt in beiden Gruppen gleich, und Unterschiede zwischen den Gruppen gehen tatsächlich auf das getestete Medikament oder die Therapie zurück.
Während dieses Vorgehen in der wissenschaftlichen Medizin und bei der Zulassung von Arzneimitteln Standard ist, lehnen Vertreter unkonventioneller Heilmethoden solche Prüfungen meist als unangemessen ab. Sie verweisen statt dessen auf beeindruckende Fallbeispiele von geheilten Patienten. Diese anekdotischen Belege sind zwar emotional überzeugend, da die Geschichten der geheilten Patienten meist mit vielen persönlichen Details wiedergegeben werden, aber leider ohne Beweiskraft. Denn es bleibt völlig unklar, bei wieviel Patienten die Behandlung erfolglos war, deren Schicksale werden verschwiegen. Hinzu kommt, daß viele Krankheiten in Schüben verlaufen oder von selbst wieder abheilen, und daß auch bei chronischen Erkrankungen Spontanheilungen vorkommen. Wenn ein Patient in einer besonders schweren Phase seiner Erkrankung eine Therapie beginnt, so ist schon wegen des natürlichen Krankheitsverlaufs eine Besserung zu erwarten, die der Patient natürlich der Therapie zuschreibt, obwohl sie ohne Behandlung auch eingetreten wäre.
Bei unkonventionellen Verfahren besteht die Gefahr, daß durch ihre Anwendung Patienten zu Schaden kommen. Hier sind einerseits direkte Schäden zu befürchten: Arsenbelastung in der Homöopathie, Verletzungen und Infektionen durch Akupunktur, allergischer Schock bei oder nach einer Zelltherapie. Bei der Ozontherapie und der Zelltherapie sind Todesfälle bekannt geworden. Zum anderen liegen aber Gefahren darin, daß wirksame Behandlungsmethoden versäumt werden, weil man sich auf ungeeignete Verfahren verläßt, und darin, daß falsche Diagnosen gestellt werden und so Patienten geängstigt und durch inadäquate Behandlung gefährdet werden.
Die GWUP setzt sich dafür ein, daß für alle medizinischen Maßnahmen der Diagnostik und Therapie gleiche Maßstäbe gelten müssen und daß Risiken nur dann in Kauf genommen werden können, wenn sie in angemessenem Verhältnis zu einem zu erwartenden Nutzen stehen.