Hallo, ich möcht doch auch a bißerl Senf dazu tun und dies von einem asiatischen Weltbild aus.
Ich möchte die Kriterien in Innere und Äußere teilen (so weit das überhaupt geht!).
Zu den Inneren zählen sicherlich, daß der Schamane nicht an Geister und Ahnen glaubt! Sie sind eine erkannte, wahrgenommene Realität. Die Geister und die Ahnen entscheiden wer Schamane wird und nicht der Mensch. Wenn sie nicht wollen, kann man höchstens kleinere Fähigkeiten erwerben und bestenfalls Helfer eines Schamanen werden. (Was ich nicht als minder qualifizieren möchte, denn in einer traditionellen Gesellschaft hat jeder seinen Platz den er auszufüllen sucht und oft gibt es neben dem "Beruf" des Schamanen auch den des Heilers). Wobei es auch vorkommt, dass durch die Tätigkeit als Schamanenhelfer oder während der Teilnahme bei einem traditionellem Ritual die Geister auf einem aufmerksam werden.
Für den Schamanen ist seine Berufung oft auch eine Last, wenn er seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, kann schnell seine Gesundheit darunter leiden (manchmal bis zum Tod). Der Schamane muß bei jeder "Reise" bereit sein zu sterben (kommt auch vor). Er muß auch fähig sein in Volltrance zu gehen, charakteristisch dafür ist auch das Schamanisieren, wo der Körper so stark zittert, daß westliche Beobachter glaubten Epilepsie diagnostizieren zu können.
Ein Schamane muß auch Machtbewußt sein, wenn er sich mit Geistern nicht arrangieren kann muß er bis zum Sieg kämpfen oder er verliert Kräfte oder gar das Leben. Er muß aber auch genauso die Grenzen zu Anderen abstecken denn Respektlosigkeit eines Konkurrenten können zum gleichen Ergebnis führen. Nicht umsonst entstammen Schamanen einer Kriegergesellschaft und zu den wichtigen Elementen der Ausbildung gehört auch der (reale und Übungs-) Kampf mit Anderen.
Der Schamane muß auch in der Lage sein mit den Tier- und Pflanzenherrschern kommunizieren können, denn in einer Tradition die einer gefährlichen (und oft auch kargen) Umwelt entstammt, ist es notwendig Beute und Nahrung zu finden, ohne das Gleichgewicht der Natur so zu beeinflussen, daß die nachhaltige "Bewirtschaftung" unmöglich wird. Die Verantwortung ist, den Lebensraum auch für die Nachkommen zu erhalten. (Auch der Schamane wird eines Tages ein Ahn´ sein) Und das Wohl des Stammes ist immer über das Eigene zu stellen. Hier kaum nachvollziehbar, aber in traditionellen Gesellschaften ist der Tod ein direktes und "alltägliches" Ereignis und der eigene Anteil an der "Stammesseele" ein größerer als der "Ego-Anteil". (Ein bewußter Teil des traditionellen Denkens ist die Unsterblichkeit von zwei der drei "persönlichen" Seelen.)
Wobei wir auch schon mitten in den äusseren Kriterien sind.
Vorab einmal: Ein Schamane braucht die Hilfe eines ausgebildeten Schamanen um überhaupt einer werden zu können!
Er muß auch ein geeignetes Umfeld haben, daß ihn stützt. Es ist gar nicht so selten - so nach einem Kampf, bei einem nicht befolgtem Geisterruf, etc. - daß er Tage, Wochen oder Monatelang krank oder Bewußtlos darnieder liegt; Manche Rituale sind so Zeit und Kraftaufwendig, daß der Lebensunterhalt ohne Unterstützung durch Gefolgsleute unmöglich wird.
Und um ein Vorurteil auszuräumen, der Schamane ist nicht "menschlichen" Kriterien zu unterwerfen, er muß und kann nicht jedem Helfen, er ist manchmal unberechenbar!
In traditionellen Kulturen wird der Schamane bezahlt, auch Tabak, Alkohol, Tiere (oft Pferde), Häute, Nahrung und Decken usw. In einigen Gesellschaften wird sogar für ein Lied bezahlt! Um es singen zu dürfen, muß man Handelseins werden. Aber, der Schamane muß sich den Möglichkeiten des Bezahlenden anpassen, wegen materieller Gründe darf eine "Dienstleistung" nicht verweigert werden. Und er "werkt" nicht nur für den eigenen Stamm.
Kurz noch zu Familientraditionen: Die Grundkriterien (von den Geistern erwählt) sind gleich, manchmal lässt die Kraft auch Generationen aus, manche Familien suchen die Kinder mit denen anderer "Schamanenfamilien" zu verheiraten um die "Anlagen" zu verbessern. Manche Familien haben auch Prüfungen die die soziale Kompetenz der werdenden Schamanen (ziemlich radikal sogar) testen.
So weit einmal (und unvollständig), ich hoffe ich war nicht zu kompliziert, aber manches ist schwer in Worte zu fassen und/oder dem hiesigen Verständnis nahe zu bringen.
AL Rai
PS.: Alles triftt natürlich für Manderln und Weiberln gleichermaßen zu