Hallo Adlerflug,
tut mir leid, dass ich deinen Argwohn verstärkt habe. Ich kann nicht auf deine PN antworten, das geht wohl auch erst nach 15 Beiträgen. Also mach ich`s halt doch öffentlich, ich habe ja die Freiheit, mich nicht auf irgendwelche unfruchtbaren Diskussionen einzulassen.
Lass es uns einfach so handhaben: Ich schreib dir, was mir vor Jahren vermutlich geholfen hätte, als sich bei mir die ersten Zweifel an der Schule regten. Und ich erwarte darauf keine Reaktion von dir.
Auch mir geht es so, dass ich beim Mitlesen im Exsite-Forum und hier zunehmend verunsichert und auch argwöhnisch geworden bin, wer da aus welchen Beweggründen was von sich gibt.
So viel Versteckspiel, sogar mit Mehrfachidentitäten. So viele emotionale Austicker. So viele schillernde Figuren, die sich offensichtlich ihrer selbst nicht sicher sind,
Vermutlich deshalb, weil sie nicht (mehr) vertrauen können.
Das kenne ich auch: Wenn dir aufgeht, dass du deine Lebenszeit und Energie an einen grandiosen Schwindel vergeudet hast, dann ist das eine wirklich bittere Lektion! Es zieht dir den Boden unter den Füßen weg und mit dem (Selbst)Vertrauen ist erstmal Schluss.
Du weißt dann eine Zeitlang schlicht nicht mehr wer du eigentlich bist. Das hast du in der Schule zwar hinter der spirituellen Fassade auch nicht gewusst, aber unter deinem Gauklermäntelchen sollte ja angeblich eine neue Seele wachsen, dein wahres Wesen und das hast du blind geglaubt.
Ich habe in den letzten Jahren meiner Schülerzeit, als meine Zweifel immer stärker wurden, damit begonnen (auch mit therapeutischer Unterstützung) an mir zu arbeiten mit dem Ziel, jede Fremdsteuerung abzulegen und zum Original in mir vorzudringen.
Ich wollte einfach absolut ehrlich mit mir umgehen und mich nie mehr manipulieren lassen.
Mit dieser Haltung habe ich von innen die Mechanismen der Schule durchleuchtet und entlarvt, bis ich mich nur noch kopfschüttelnd wundern konnte, wie ich da jemals hatte hineingeraten können. Gleichzeitig wurde mir das dank der wachsenden Klarheit durch die therapeutische Arbeit immer offensichtlicher.
Dann erst bin ich ausgetreten.
Die meisten machen es anders. Sie treten aus, was oft einer Flucht gleichkommt, sind aber innerlich noch fest mit der Schule verdrahtet. Sie wähnen sich frei und vermeiden den wichtigsten Prozess, nämlich bei sich selber zu forschen, was sie denn dazu hatte bringen können, einer solchen Organisation überhaupt auf den Leim zu gehen.
Ein Beispiel: Was mich von Anfang an gestört hat war die zur Schau getragene Gefühlskälte der Schüler, Neutralität genannt, dieses abgehobene Getue.
Ganz besonders krass empfand ich das, wenn einer starb. Keine Träne wurde da vergossen, kein Mitgefühl gezeigt mit den Menschen die zurückblieben und in der Gruppe keinen Raum für ihre Trauer fanden. Denn er hatte ja lediglich sein lästiges Stoffkleid abgelegt und man wähnte ihn - sofern er ein braver Schüler gewesen war - in sicheren Gefilden. Das war mir immer verdächtig. Nie und nimmer hätte ich mir vorstellen können, mich im Falle dass z.B. mein Mann sterben sollte, ebenfalls mit einer so unbewegten eiskalten Miene in die erste Reihe beim Loslösungsdienst zu setzen.
Von anderen Schülern erntete ich nur ein unbeteiligtes Lächeln, wenn ich dieses unmenschliche roboterhafte Gebaren beklagte ( Na, du bist halt noch nicht so weit. - Gott sei Dank bin ich so weit nie gekommen!)
Wenn ein vertrauter Mensch mir damals offen und unverblümt gesagt hätte, dass er auch an mir besorgniserregende Veränderungen wahr nimmt - in meinem Verhalten und meinem Umgang mit mir und der Welt ich hätte ihm ernsthaft zugehört, ohne mich gleich hinter irgendwelchen Schulstereotypien zu verschanzen..
Dein Freund hat ja auch einen Leidensdruck. Er ist mittlerweile im Vorhof, geht aber eben immer noch mit einem Lectoriums-Hirn durchs Leben.
Das heißt, in seinem Kopf ist immer noch eine Spaltung. Sie trennt ihn von authentischen lebendigen Impulsen und von seinem gesunden Menschenverstand.
Das schlimmste aber ist: Diese Spaltung trennt ihn von seinen Gefühlen.
Das ist der Mega-Schachzug in diesem teuflischen Spiel.
Die hypnotischen Indoktrinationen der Schule bringen dich dazu, deine Gefühle nicht mehr wahrzunehmen beziehungsweise sie als zur illusionären Dialektik gehörend gering zu schätzen und zu neutralisieren was nichts anderes heißt als sie hinter einer dicken Watteschicht wegzupacken.
Das geschieht leichter als man denkt auf der Basis einer kollektiven Prägung, der nahezu jeder in unserer Gesellschaft ausgesetzt wird: Du sollst nicht fühlen. Fast alle haben wir mehr oder weniger Probleme uns authentisch zu zeigen und mit offenem Herzen durchs Leben zu gehen.
Vermutlich hat dein Freund ein latent schlechtes Gewissen, mit seinem Rückzug in den Vorhof die heilige Sache verraten zu haben. Sonst wäre er doch ganz ausgetreten.
Solcherart Ängste werden gezielt und permanent mittels hypnotischer Beeinflussung massiv ins Unterbewusstsein der Schüler eingeätzt.
Sie docken natürlich dort an, wo sowieso schon ein von den Lebenserfahrungen geprägtes Angstpotenzial sitzt. Du hast geschrieben, dass dein Freund einen strengen Vater hatte den hat er sich im Lectorium in Hochpotenz wieder ins System geholt!
Das kenne ich von mir. Wir begegnen außen immer uns selbst, auch den eigenen unbewältigten Schattenanteilen.
Ich hatte zum Beispiel zeitlebens eine massive Lebensangst, die bereits vorgeburtlich in mir Wurzeln schlug. Ohne die wäre ich niemals in den Fängen dieser Sekte gelandet. Mir selbst war sie in ihrem tatsächlichen Ausmaß gar nicht bewusst, ich kannte mich ja nicht anders.
Und wenn dann einer daherkommt, der dir vorgaukelt, dass dieses Leben hier sowieso nur ein sinnloses Hin und Her zwischen den Polen ist und keinen wirklichen Wert hat, dann glaubst du das nur allzu gern, weil dich diese Sichtweise davor bewahrt, deine Lebensthemen anzupacken und endlich auf dieser Erde anzukommen.
Doch zurück zu deinem Freund: Also ich meine, es wäre hilfreich, wenn du ihm so offen wie möglich gegenübertrittst. Dich ihm zeigst in deiner Besorgnis über seinen Zustand, ihm darlegst wie das für dich die Beziehung verhindert, die du gerne (wieder) mit ihm führen würdest.
Sprich von dir und deinen Gefühlen, klag ihn nicht an, analysiere ihn nicht, stelle keine Forderungen, versuche ihn nicht für deine Sichtweise einzunehmen. Sei einfach da und lass ihn spüren, dass dir an ihm liegt.
Dass du Angst hast ihn zu verlieren, dass du traurig bist über den Verlust der Lebendigkeit in eurer Freundschaft. Dass es dich schmerzt, wenn diese Mauer aus spirituellen Konzepten zwischen euch steht und jede echte Begegnung verhindert. Und dass du dir für dich wünschst, dass sich das ändert.
Vielleicht kannst du auf diese Art etwas ihn ihm berühren und stärken, was sich nach Nähe und Lebendigkeit sehnt.
Damit öffnest du dem Teil von ihm, der noch Verbindung hat zu seinen Gefühlen den emotionalen Raum, sich ebenfalls auszudrücken.
Dann kann er über seine Zerrissenheit und seine Gefühlsverwirrung reden, Worte für einen Zustand finden, den er vermutlich gar nicht klar benennen kann.
Über die Lehre selbst und ihre Inkonsistenz zu debattieren, macht dagegen absolut keinen Sinn, denn das würde sich bloß im Kopf innerhalb der eingefahrenen Bahnen abspielen. Das Lectoriums-Konzept ist nämlich bei allen Widersprüchlichkeiten auf eine unheimliche Art zwingend, hat auch für jedes Lebensproblem eine Antwort, die allerdings jenseits aller lebensbejahenden konstruktiven Bewältigungsstrategien liegt.
Langjährige Schüler sind in gewisser Weise gespaltene Persönlichkeiten. Sie haben eine Wahn-Welt im Kopf und daneben eine noch irgendwie funktionierende Alltags-Persönlichkeit, die sich aber diesem wahnhaften Konstrukt bedingungslos unterordnet.
Man outet sich aber nicht gegenüber Außenstehenden, denn die Geheimhaltungsgebote der Schule und das eigene Selbstverständnis, zur Rettung der Menschheit auserwählt zu sein, verhindern jeglichen unverstellten Kontakt.
Deshalb wirken die meisten Schüler im Umgang so sonderlinghaft, verschroben, irgendwie unecht und weit weg, emotional nicht erreichbar.
Ich finde es immer sehr heilsam, mir selbst beim Reden zuzuhören. Das kann ich aber nur, wenn mein Gegenüber mir empathisch und nicht wertend zuhört und mir allein durch sein aufmerksames Interesse ein Spiegel ist, in dem ich mich selbst besser sehen und verstehen kann. Das wäre ein echter Freundesdienst, den du deinem Freund erweisen kannst.
Mir hat es an einer solchen authentischen Zuwendung gemangelt. Mir sind auch Menschen begegnet, die sich kritisch gegen die Schule ausgesprochen haben. Sie alle haben es aber nicht gewagt, durch unverstellte Offenheit unsere Beziehung/Freundschaft zu riskieren. Das klingt jetzt komisch, denn du willst seine Freundschaft ja gerade nicht verlieren.
Bloß: Es ist wie in einer guten Partnerschaft: Wenn ich dem anderen nicht alles sagen kann, wie`s mir ums Herz ist, dann bleibt eine Distanz, weil etwas wesentliches zurückgehalten wird.
So denke ich heute, wir müssen uns den Menschen, an denen uns etwas liegt in kritischen Situationen regelrecht zumuten.
Wenn mir Freunde damals ihre Verletztheit darüber gezeigt hätten, dass ich kaum noch Zeit für sie hatte, weil ich meine ganze Energie in diese Organisation steckte, - dann hätte ich spüren können, dass ich ihnen wirklich wichtig bin. Damit hätten sie mich erreicht.
Es hätte mir gut getan, wenn sie mich - auch knallhart - mit meinen Verschrobenheiten konfrontiert hätten, wenn sie mir z.B. gesagt hätten dass es ihnen stinkt, dass ich kaum noch über Witze lachen kann oder laute Menschenansammlungen meide, dass ich bei geselligen Anlässen nur noch verklemmt in der Ecke stehe und selbst das Theaterprogramm mit spitzen Fingern anfasse. Dass ich mein politisches Engagement und meinen gesunden beruflichen Ehrgeiz aufgegeben habe oder mit unfroher und gleichzeitig entrückter Miene durch die Gegend laufe als trüge ich einerseits die Last der ganzen Welt auf meinen Schultern und sei andererseits bereits nicht mehr von dieser Welt.
Stattdessen waren unsere Gespräche über die Schule vorsichtig, distanziert, unterlegt mit Unverständnis. Das hat nur meinen Widerstand erregt und mich umso fester an diese Sch... gebunden.
Denn auch dafür hat die Schule natürlich eine Erklärung: Die normalen Menschen sind unwissend und können nicht verstehen, dass du dein banales Alltagsleben auch für ihr Seelenheil opferst.
Wenn es dir gelingt, deinen Freund betroffen zu machen, ist viel gewonnen.
Dann kannst du ihn irgendwann auch auf therapeutische Hilfsmöglichkeiten ansprechen.
Ich selber wäre aus der Gehirnwaschmaschine ohne Hilfe von außen schwerlich wirklich raus gekommen.
Ich war ja da drin gelandet, weil ich eine Affinität zu den Mechanismen der Schule in mir trug. Lebensangst, fehlende innere Stabilität, Autoritätsprobleme, mangelndes Selbstvertrauen und mangelnde Eigenliebe.
All diese ungelösten Themen habe ich unbewusst in der Schule zu kompensieren versucht und habe gleichzeitig dort in einen gnadenlosen Spiegel geschaut: Dort wird Lebensangst systematisch geschürt und gleichzeitig für unwichtig erklärt, weil man ja unter dem Schutz der Bruderschaft auf dem Weg in ein höheres Leben ist.
Ebenso wird man stets in einem Zustand künstlicher Hoffnung gehalten, die neue Seele würde in einem wachsen.
Dass man dabei immer lebensuntüchtiger wird, wird als Zeichen von Seelenwachstum umgedeutet, man entsteigt halt langsam der Dialektik und lässt das banale Leben hinter sich.
Mangelndes inneres Gleichgewicht wird mit notwendigen prozesshaften Krisen auf dem Schülerweg schöngeredet.
Mangelndes Selbstvertrauen und Eigenliebe werden zu positiven Qualitäten umgedeutet, sind sie ja Ausdruck des täglichen Sterbens des Egos.
Alte Autoritätsmuster in der Schule gespiegelt in unzähligen Vorschriften und Verboten - bewahren dich davor, erwachsen zu werden und dein Leben selbstbestimmt in die Hand zu nehmen.
Dabei wird dir gleichzeitig eingetrichtert, es ginge immer und ausschließlich um Selbstautorität.
Das ist ein wirklich böser double-bind-Mechanismus, der dich in eine schizophrene Spannung zwingt, die nicht auszuhalten ist, denn immer wenn du selbstautoritär also aus einem gesunden Ego-Impuls etwas entscheidest, sitzt du schon in der Falle: Denn du bist dann gleichzeitig weg vom Weg, schadest deiner neuen Seele, der Schule und der ganzen Welt.
So wird dein System systematisch destabilisiert, bis du irgendwann keinen klaren Begriff mehr davon hast wer du bist und dich emotional nicht mehr mit dir identisch fühlst, weil die implantierte Zweit-Persönlichkeit mit dir natürlich überhaupt nicht kann.
Diese Spannung kannst du nur aushalten, wenn du dich immer weiter von dir selber entfernst und immer mehr zu der Schüler-Persönlichkeit wirst, die aber mangels Echtheit keinerlei Boden unter den Füßen hat und somit immer abhängiger wird von der Gruppe, die einen imaginären Halt
suggeriert, den sie aber tatsächlich wegen all der nebulösen Kunstmenschen aus denen sie besteht, niemals geben kann.
Du bist als Schüler permanent in einem Zustand des Leidens: an deiner Unzulänglichkeit, an dem Gefühl, in dieser Welt fremd zu sein, an der kalten Distanz zu dem was du eigentlich bist. Selbstablehnung und Selbsthass sind dein Grundlebensgefühl, das du gleichzeitig vor dir hochstilisierst, denn wer die Welt retten will, muss leiden und der da leidet ist ja sowieso nur die dialektische Persönlichkeit.
Zu ertragen ist das nur, indem du wie ein Hund, den man mit einem unerreichbaren Wurstzipfel hinter sich her lockt selbstvergessen überallhin folgst, wohin dich die Schule manipuliert. Solange die Wurst noch eine magische Anziehung auf dich ausübt, bist du auf sie so fixiert, dass du deinen eigenen Weg vergisst.
All diese alten Muster müssen angeschaut und aufgelöst werden, wenn man nicht Gefahr laufen will, innerlich unfrei zu bleiben.
Das ist harte Arbeit. Ich bin mittlerweile durch viele heftige Prozesse gegangen und jetzt erst, nach Jahren innerlichen Aufräumens kann ich das ganze Ausmaß meiner Wut, Trauer und Enttäuschung über all das vergeudete Leben spüren.
Ich weiß aber auch, dass die Schule nur meine eigenen alten Muster bedient hat. Das hat sie unter Einsatz hypnotischer Techniken allerdings bewusst und mit der klaren Absicht getan, meine Lebensenergie abzusaugen bzw. umzulenken, weswegen es sich beim Lectorium Rosicrucianum um eine wirklich gefährliche Sekte handelt, die verboten gehört.
Jetzt habe ich angefangen, vieles nachzuholen. Das tut mir gut!
So, das war`s erstmal. Vielleicht können dir meine Ausführungen hilfreich sein.
Ich drück für euch beide die Daumen, dein Freund kann sich glücklich schätzen, dich zu haben.
Liebe Grüße
grounded