JohannB
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Respekt erweisen ist eine der zehn heilsamen Handlungen und in der lässigen modernen Welt nur mehr selten anzutreffen. Ich dachte mir, daß dieses Thema für jene, die dafür offen sind, sicherlich von nutzen sein wird und dort wo vertrauen bereits besteht gefestigt wird und dort wo noch kein Vertrauen in heilsame Handlungen besteht, vielleicht ein Ansatz zum "versuchen wir es einfach mal" aufkommt.
Einleitend hierzu ein kurzes Essay vom Ehrw. Ajahn Thanissaro:
(Anm.: Vielleicht kann sich der eine oder andere - bemerke, das der Autor in den US aufgewachsen ist, wo lässigkeit ja schön länger alte Traditionen verdrängt hat - noch an die Gepflogenheiten in Mitteleuropa, noch vor einigen Jahren, noch in dieser Generation erinnern. Also nicht glauben, daß dies eine reine asiatische Sache ist.)
Einleitend hierzu ein kurzes Essay vom Ehrw. Ajahn Thanissaro:
(Anm.: Vielleicht kann sich der eine oder andere - bemerke, das der Autor in den US aufgewachsen ist, wo lässigkeit ja schön länger alte Traditionen verdrängt hat - noch an die Gepflogenheiten in Mitteleuropa, noch vor einigen Jahren, noch in dieser Generation erinnern. Also nicht glauben, daß dies eine reine asiatische Sache ist.)
Eine Tür zum Dhamma
Respekt in buddhistischer Theorie und Praxis
von
Thanissaro Bhikkhu
Übersetzung ins Deutsche von: (Info)
Ajahn Khemasiri
Wenn man in eine asiatische buddhistische Familie hineingeboren wird, ist das erste, was einem die Eltern über den Buddhismus beibringen werden, nicht etwa ein philosophischer Grundsatz, sondern eine Geste des Respekts: Wie man seine Hände in der añjali Haltung hält, die Handflächen über dem Herzen zusammengelegt, wenn man einer Buddhastatue, einem Mönch oder einer Nonne begegnet. Offensichtlich ist diese Geste zunächst mechanisch. Im Laufe der Zeit jedoch lernt man die innere Haltung kennen, die damit einhergeht. Wenn man besonders flink dabei ist, werden das die Eltern als ein Zeichen von Intelligenz ansehen, denn Respekt ist die Basis für jede Art von Lernfähigkeit.
Wenn man dann älter wird, wird einem vielleicht der Symbolgehalt dieser Geste beigebracht: Dass die Hände eine Lotusknospe formen, welche das Herz repräsentiert, die man dem Objekt des Respekts in der Hoffnung entgegenhält, in den Weg der Weisheit eingeführt zu werden. Letztendlich hoffen die Eltern, dass sich, sobald man sich mit den Früchten buddhistischer Praxis mehr vertraut gemacht hat, der Respekt zu Verehrung und Ehrerbietung entwickelt. Auf diese Art geben sie eine schnelle Antwort auf die uralte westliche Frage, welche Seite des Buddhismus zuerst kommt, die Philosophie oder die Religion. In ihren Augen benötigt man die religiöse Haltung des Respekts, um überhaupt irgendwelches philosophisches Verstehen wachsen zu lassen. Und was sie selbst angeht, gibt es da keinen Konflikt zwischen den beiden Aspekten. Sie sind in der Tat gegenseitig unterstützend wirksam.
Dies steht in markantem Kontrast zu der typischen westlichen Einstellung, welche eine essentielle Diskrepanz zwischen den religiösen und philosophischen Seiten des Buddhismus sieht. Die Philosophie erscheint so rational und legt einen solch hohen Wert auf Eigenständigkeit. Die Einsicht im Herzen von Buddhas Erwachen war so abstrakt - ein Prinzip der Kausalität. Es scheint keinen wirklichen Grund für eine Philosophie mit einem so abstrakten Anfang zu geben, eine so hingebungsvolle Verehrung produziert zu haben, die intensiv genug ist, um es mit jeder der theistischen Religionen aufzunehmen.
Wenn wir uns jedoch ansehen, was der Pali-Kanon über hingebungsvolle Verehrung zu sagen hat - diese Haltung wird dort mit einem ganzen Bündel an Worten ausgedrückt: wie z.B. Respekt, Achtung, Ehrerbietung, Reverenz, Verehrung, Hochachtung - dann lernen wir nicht nur, dass die Theorie des Respekts in der zentralen Einsicht von Buddhas Erwachen verwurzelt ist, nämlich im kausalen Prinzip bezeichnet als sogenannte Dies/Jenes Konditionalität (idappaccayata) . Sondern wir sehen ebenfalls, dass Respekt erforderlich ist, um das kausale Prinzip überhaupt erst zu erlernen und zu meistern.
Oberflächlich betrachtet mag es seltsam anmuten, die Theorie der Kausalität mit dem Thema des Respekts in Beziehung zu setzen, aber die zwei sind eng miteinander verwoben. Respekt ist die innere Haltung, die man den Dingen gegenüber entwickelt, die man für wirklich wichtig im Leben hält. Theorien der Kausalität sagen uns, ob überhaupt irgendetwas wirklich wichtig ist, und wenn ja, was wichtig ist und wie wichtig es ist. Nehmen wir zum Beispiel den Was-Aspekt: Wenn man glaubt, dass ein Höheres Wesen einem Glück zugestehen wird, dann wird man natürlicherweise diesem Wesen gegenüber Verehrung und Respekt bezeugen. Wenn man davon überzeugt ist, dass Glück ausschließlich auf dem eigenen Willen beruht, dann wird der größte Respekt für den Eigenwillen reserviert. Was nun den Wie-Aspekt angeht: Wenn man wahres Glück als völlig unmöglich ansieht, als vollkommen vorherbestimmt oder gar willkürlich, dann gibt es keine Notwendigkeit für Respekt, denn es wird in der Folge des Lebens keinen Unterschied machen. Wenn man aber wirkliches Glück als eine reale Möglichkeit ansieht und seine Ursachen als sehr heikel und ungewiss, abhängig von der eigenen Haltung, dann wird man ihnen auf ganz natürliche Weise Respekt und Fürsorge zukommen lassen, um sie gesund und stark zu erhalten.
Dies wird auch wiedergespiegelt in der Art und Weise, wie der Pali-Kanon das Thema des Respekts behandelt. Er zeigt sehr detailliert die verschiedenen Möglichkeiten auf, in denen Laienunterstützer zur Zeit des Buddha ihren Respekt gegenüber dem Buddha und dem klösterlichen Sangha ausdrückten. Und ebenfalls die eher standardisierten Formen, wie Mitglieder des Ordens Respekt dem Buddha selbst und auch anderen Ordensmitgliedern gegenüber zum Ausdruck brachten. Besonders interessant dabei ist die Etikette des Respekts, die den Bereich des Lehrens angeht. Buddhistischen Mönchen und Nonnen ist es untersagt, Dhamma zu lehren, wenn jemand eine geringschätzige Haltung zeigt. Vom Buddha selbst wird gesagt, dass er sich zunächst geweigert habe, die erste Lehrrede an die fünf Asketen zu geben, bis sie es aufgaben, ihn als einen Gleichrangigen zu behandeln.
Dieses Protokoll mag natürlich schlicht eine kulturelle Zufälligkeit gewesen sein, etwas, was man gezwungenermaßen von der Gesellschaft zu Zeiten des Buddha angenommen hatte. Aber es gibt da Passagen im Pali-Kanon, die auf etwas anderes hindeuten. Der Buddhismus war eine der Samana-Bewegungen im alten Indien (samana= hauslose religiös Praktizierende beiderlei Geschlechts), welche für sich beanspruchte, den Gesetzen der Natur zu folgen anstelle der kulturellen Normen des damaligen gesellschaftlichen Mainstreams. Diese Bewegungen verfuhren sehr freizügig in ihrer Auswahl dessen, was sie von den vorherrschenden Gepflogenheiten übernehmen wollten. Buddhistische Beschreibungen von anderen Samana-Bewegungen kritisierten diese oft dafür, dass sie nicht nur Außenstehenden gegenüber sondern auch innerhalb ihrer eigenen Gruppierung wenig Respekt zeigten. Lernende werden als unhöflich gegenüber ihren Lehrern portraitiert, ihre Zusammenkünfte sind raubeinig, lautstark und jenseits von jeglicher gemäßigter Kontrolle. All dies wird dann im Kontrast zu den Buddhisten gezeigt, die ihre Treffen innerhalb eines Rahmens gegenseitiger Höflichkeit und Respekt abhielten. Dies deutet darauf hin, dass es den Buddhisten freigestellt war, die allgemeinen Gepflogenheiten des Respekts zurückzuweisen, dass sie sich aber bewusst dazu entschieden, eben dies nicht zu tun.
Diese Entscheidung basiert auf der Einsicht, dass Respekt eine Voraussetzung ist für jegliches Lernen. Es ist leichter von jemandem etwas zu lernen, den man respektiert, als von jemandem, den man nicht respektiert. Der Respekt öffnet unseren Geist und lockert unsere vorgefassten Meinungen, um Raum für neues Wissen und neue Fertigkeiten entstehen zu lassen. Gleichzeitig wird sich eine Person eher zum Lehren eines wertvollen Lernstoffs bereit fühlen, wenn sie sich Menschen gegenüber sieht, die Respekt zeigen.
Auf der anderen Seite ist natürlich die Art des Lernens, die der Buddha betont, nicht einfach nur eine Aneignung von Informationen. Es geht um eine Fähigkeit, die einem gestattet, noch andere Fähigkeiten zu meistern, die zur völligen Befreiung von Stress und Leid führen. Und das ist genau der Bereich, wo der Aspekt des Respekts sich mit der Kausalität verbindet, denn die buddhistische Theorie der Kausalität dreht sich um die Frage, wie es möglich ist, überhaupt eine Fähigkeit zu erlernen.
Wie die Theorie der Kybernetik zeigt, ist Lernen nur dann möglich, wenn es auch Rückmeldungen gibt. Eine Fertigkeit zu erlernen, erfordert die weitere Fähigkeit, Rückmeldungen zu überwachen und dann auszuwählen, wie man sie benutzen möchte, um wiederum Verhalten zu modifizieren. Die Entdeckungen des Buddha im Zusammenhang der Kausalität erklären das Wie und Was dieser Faktoren. Das Wie beschrieb er als kausale Formel - das Was als eine Analyse des Handelns: Die Faktoren, die es zusammen mit dem gesamten Spektrum an Ergebnissen formen, die im Bereich des Möglichen liegen.
Die kausale Formel besagt - vereinfacht ausgedrückt - dass jeder Moment aus drei Dingen zusammengesetzt ist: Resultate aus vergangenen Handlungen, dann gegenwärtige Handlungen und die unmittelbaren Resultate von gegenwärtigen Handlungen. Obwohl dieses Prinzip sehr simpel erscheint, sind seine Konsequenzen sehr komplex. Jede vollbrachte Handlung hat Auswirkungen im gegenwärtigen Moment, die auch noch in die Zukunft hinein nachwirken. Abhängig von der Intensität der Handlung können diese Nachwirkungen entweder eine sehr lange oder sehr kurze Zeit wiederhallen. Deshalb wird jede bedingte Erfahrung sowohl von den zusammengefassten Auswirkungen der im Laufe der Zeit aus einem weiten Bereich entstandenen vergangenen Handlungen als auch zusammen mit den Wirkungen gegenwärtiger Handlungen geformt.
Die Kausalität im Laufe der Zeit beschert jedem Moment gewisse Beschränkungen. Die Gegenwart ist nicht wie ein blankgeputzter Teller, denn sie ist zum Teil geformt durch Einflüsse aus der Vergangenheit. Unmittelbare Kausalität in der Gegenwart jedoch macht Platz für den freien Willen. Nicht alles wird von der Vergangenheit bestimmt. In jedem Moment kann man neue Dinge in den Prozess einschleusen und dem Leben einen Anstoß in eine neue Richtung geben. Trotzdem ist da nicht so viel Platz für den freien Willen, sodass Kausalität willkürlich wäre. Jedes einzelne Dies in der Dies/Jenes Konditionalität - ob handelnd im Laufe der Zeit oder in der unmittelbaren Gegenwart - ist immer mit einem ganz spezifischem Jenem verbunden. Die Geschehnisse folgen vorhersagbaren Mustern, die man meistern kann.
Das Was welches diesen Prozess in Bewegung erhält, ist der Faktor, der Rückmeldungen und deren Überwachung zulässt. Das vorherrschende Element in diesem Was-Aspekt ist die Intention, die der Buddha als die Essenz von Handlung identifizierte - d.h. kamma. Die Intentionen wiederum werden durch Akte der Aufmerksamkeit geformt, welche Fragen über Wahrnehmungen stellen und Ansichten erstellen, die aus diesen Fragen erwachsen. Und weil man die Ergebnisse der Intentionen bemerken kann, gibt es eine Rückmeldungsschleife im Geist, die einem gestattet zu lernen. Weil die Aufmerksamkeit Fragen stellen kann, kann sie die Rückmeldung so überwachen, damit bestimmt wird, wie man sie am besten anwendet. Und weil unsere Absichten unsere Erfahrungen neu formen können - geleitet von Ansichten und indem neue Vorschläge in die Gegenwart eingegeben werden - kann unsere Lernfähigkeit ganz neu aussehen. Wir können unser Verhalten ändern und die Resultate unserer verbesserten Fertigkeiten in Form von vergrößertem Glück ernten.
Wie weit reicht diese Art des Glücks? Im Prozess seines Erwachens entdeckte der Buddha, dass das Trachten nach geschicktem Können letztendlich vollständig über den Bereich der Wiedergeburt hinausführen kann. Auf der Grundlage dieser Entdeckung identifizierte er vier Arten von kamma: Die ersten drei bewirken angenehme, schmerzhafte oder gemischte Resultate im Wiedergeburtskreislauf, und die vierte führt über jegliches kamma hinaus zum Ende des Wiedergeburtskreislaufs. Mit anderen Worten: Das Prinzip der Kausalität funktioniert auf die Weise, dass Handlungen entweder den Wiedergeburtskreislauf fortsetzen oder ihn zu Ende bringen. Weil sogar die höchsten Annehmlichkeiten innerhalb des Kreislaufs nicht konstant und unzuverlässig sind, lehrte er, dass die lohnenswerteste Handlungsweise diejenige der vierten Art ist: Die Art, die zu seinem Erwachen führte und dem kamma ein für allemal ein Ende setzte.
Das Geschick, das durch diese Form des kamma verkörpert wird, liegt im Koordinieren von Aufmerksamkeit und Intention, sodass diese zunächst zu angenehmen Resultaten innerhalb des Wiedergeburtskreislaufs führen. Dann aber - auf der transzendenten Ebene - führen sie zu vollständiger Befreiung von Stress und Leid. Dies benötigt andererseits gewisse Einstellungen gegenüber dem Prinzip der Kausalität, das im menschlichen Leben wirksam ist. Und genau hier wird die Eigenschaft des Respekts sehr wichtig, denn ohne den geeigneten Respekt für drei Dinge: sich selbst, das unser Leben beherrschende Prinzip der Kausalität und die Einsicht von anderen Menschen in Bezug auf dieses Prinzip, werden wir nicht in der Lage sein, die Entschlossenheit aufzubringen, um dieses Prinzip zu meistern und um zu sehen, wie weit unser Potential in Bezug auf dessen Anwendung reicht.
Der Respekt, den man für sich selbst hat, bedeutet im Rahmen der Dies/Jenes Konditionalität zwei Dinge:
1. Da die vierte Art des kamma möglich ist, können wir unseren Wunsch nach uneingeschränktem Glück respektieren und brauchen es nicht als unrealistisches Ideal anzusehen.
2. Wegen der Wichtigkeit von Absicht und Aufmerksamkeit beim Gestalten unserer Erfahrungen, können wir unsere Fähigkeit respektieren, diejenigen Fertigkeiten zu entwickeln, die wir benötigen, um die kausale Realität zu meistern - bis hin zum Erreichen von vollkommenem Glück.
Aber der Respekt für sich selbst geht sogar noch weiter. Nicht nur können wir unseren Wunsch nach wahrem Glück und der Fähigkeit, es zu erreichen, respektieren. Wir müssen diese Dinge respektieren, wenn wir nicht unter den Bann der vielen religiösen und säkularen Kräfte innerhalb der Gesellschaft fallen wollen, die uns in andere Richtungen ziehen wollen.
Obwohl die meisten religiösen Kulturen wahres Glück als Möglichkeit ansehen, so sehen sie vielfach menschliche Fähigkeiten als nicht in der Lage an, dies auch herbeizuführen. Im Großen und Ganzen verlagern sie ihre Hoffnungen auf Glück in höhere Kräfte. Und was säkulare Kulturen angeht: sie glauben gar nicht erst, dass unbeschränktes Glück überhaupt möglich ist. Sie lehren uns nach Formen des Glücks zu streben, die von Bedingungen abhängen. Sie sind blind den Begrenzungen gegenüber, die jedem Glück innewohnen, welches von Geld, Macht, Beziehungen, Eigentum oder einer sentimentalen Vorstellung von Gemeinschaft herrührt. Sie verhöhnen oft höhere Werte und lächeln, wenn religiöse Idole fallen oder wenn spirituell Übende zeigen, dass sie irdene Füße haben.
Fortsetzung...