Rede an die Lehrkräfte und Schülerschaft zum Abschluss

Prana schrieb:
Namasté

Ich habe die große Ehre vor den Lehrkräften und der Schülerschaft als Schulsprecher der Realschule Oedeme und als Stadtschulsprecher der Stadt Lüneburg die Abschlussrede für meine Schule halten zu dürfen.
Ich habe da so einige Ideen was ich da schreiben will würde mich aber auch auf eure freuen. Klar ihr kennt meine Schule nicht aber wäre trotzdem nett.

Eduard Gashi
Liebe Freunde und Lehrer!

Ihr seid nun Menschen. Darüber möchte ich heute sprechen.

Der Mensch hat zwei Beine und zwei Überzeugungen: eine, wenns ihm gut geht, und eine, wenns ihm schlecht geht. Die Letztere heißt Religion.

Der Mensch ist ein Wirbeltier und hat eine unsterbliche Seele, sowie auch eine Regierung, damit er nicht zu übermütig wird.

Der Mensch wird auf natürlichem Wege hergestellt, doch empfindet er dies als unnatürlich und spricht nicht gern davon. Er wird gemacht, hingegen nicht gefragt, ob er auch gemacht werden wolle.

Der Mensch ist ein nützliches Lebewesen, weil er dazu dient, durch das Autofahren den Ölpreis in die Höhe zu treiben, durch den das Rauchen den Staat zu erhalten, sowie auch Kultur, Kunst und Wissenschaft.

Der Mensch hat neben dem Trieb der Fortpflanzung und dem, zu essen und zu trinken, zwei Leidenschaften: Krach zu machen und nicht zuzuhören. Man könnte den Menschen gradezu als ein Wesen definieren, das nie zuhört.

Wenn er weise ist, tut er damit recht: denn Gescheites bekommt er nur selten zu hören. Sehr gern hören Menschen: Versprechungen, Schmeicheleien, Anerkennungen und Komplimente. Bei Schmeicheleien empfiehlt es sich immer drei Nummern gröber zu verfahren, als man es gerade noch für möglich hält.

Der Mensch gönnt seiner Gattung nichts, daher hat er die Gesetze erfunden. Er darf nicht, also sollen die andern auch nicht.

Um sich auf einen Menschen zu verlassen, tut man gut, sich auf jhn zu setzen; man ist dann wenigstens für diese Zeit sicher, daß er nicht davonläuft. Manche verlassen sich auch auf den Charakter.

Der Mensch zerfällt in zwei Teile: In einen männlichen, der nicht denken will, und in einen weiblichen, der nicht denken kann.

Beide haben sogenannte Gefühle; man ruft diese am sichersten dadurch hervor, daß man gewisse Nervenpunkte des Organismus in Funktion setzt. In diesen Fällen sondern manche Menschen Lyrik ab.

Der Mensch ist ein pflanzen- und fleischfressendes Wesen; manche benügen sich auch mit Zigaretten und Cola.

Der Mensch ist ein politisches Geschöpf, das am liebsten zu Klumpen geballt sein Leben verbringt. Jeder Klumpen haßt die andern Klumpen, weil sie die andern sind, und haßt die eigenen, weil sie die eigenen sind. Den letzteren Haß nennt man Patriotismus.

Jeder Mensch hat eine Leber, eine Milz, eine Lunge und eine Meinung; sämtliche vier Organe sind lebenswichtig. Es soll Menschen ohne Leber, ohne Milz und mit halber Lunge geben; Menschen ohne Meinung gibt es nicht.

Menschen miteinander gibt es nicht. Es gibt nur Menschen, die herrschen, und solche, die beherrscht werden. Doch hat noch niemand sich selber beherrscht; weil der opponierende Sklave immer mächtiger ist als der regierungssüchtige Herr. Jeder Mensch ist sich selber unterlegen.

Wenn der Mensch fühlt, daß er nicht mehr hinten hoch kann, wird er fromm und weise; er verzichtet dann auf die sauren Trauben der Welt. Dieses nennt man innere Einkehr.

Die verschiedenen Altersstufen des Menschen halten einander für verschiedene Rassen: Alte haben gewöhnlich vergessen, daß sie jung gewesen sind, oder sie vergessen, daß sie alt sind, und Junge begreifen nie, daß sie alt werden können.

Der Mensch möchte nicht gern sterben, weil er nicht weiß, was dann kommt. Bildet er sich ein, es zu wissen, dann möchte er es auch nicht gern, weil er das Alte noch ein wenig mitmachen will. Ein wenig heißt hier: ewig.

Im übrigen ist der Mensch ein Lebewesen, das klopft, schlechte Musik macht und seinen Hund bellen läßt. Manchmal gibt er auch Ruhe, aber dann ist er tot.

Neben den Menschen gibt es noch Lehrer und Amerikaner, aber das lernt man nur auf einer Universität.

Diesen Spruch gebe ich Euch mit auf den Weg:

'Erwarte nichts. Heute, das ist Dein Leben.'

Danke."


(frei nach tucholsky)
 
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Hallo Prana,
Namo schlaegt dir eine schoene Rede vor, aber fuer deine Zwecke ist sie nicht geeignet, sie klingt zu belehrend aus dem Munde eines 16-Jaehrigen.
Dein eigener Text ist gut, finde ich, nur folgendes wuerde ich aendern:
Ihr seid nicht erwachsen mit 16 Jahren ;)!
Nicht mal koerperlich, die Maedchen meist schon, aber Jungen wachsen, bis sie 21 Jahre alt sind.
Und geistig und seelisch erst recht nicht.
Das ist nicht negativ gemeint :kiss4: !
Auch das mit dem freien Leben wuerde ich so rueberbringen, dass es ironisch klingt, denn leider gehen nach der Schule die Zwaenge und Komplikationen fuer die meisten Menschen erst richtig los.
Anschliessend wuerde ich kleine nette Stories aus dem Schulalltag bringen, wie andere schon vorgeschlagen haben.

Viel Spass dabei und alles Gute fuer die Zukunft!
Wie geht es mit dir weiter?

Bijoux
 
Bijoux schrieb:
Namo schlaegt dir eine schoene Rede vor, aber fuer deine Zwecke ist sie nicht geeignet, sie klingt zu belehrend aus dem Munde eines 16-Jaehrigen. ... Auch das mit dem freien Leben wuerde ich so rueberbringen, dass es ironisch klingt, denn leider gehen nach der Schule die Zwaenge und Komplikationen fuer die meisten Menschen erst richtig los.
"Die Ironie (von gr. eironeia "Verstellung") ist eine Äußerung, die oft - aber nicht zwingend - das Gegenteil des Gesagten meint, die mit scheinbarer Ernsthaftigkeit den gegnerischen Standpunkt ins Widersprüchliche zieht. Im Gegensatz zum Humor ist Ironie eher kritisch und nicht um Zustimmung bemüht.

Sokrates lehrte Ironie als Mittel zur Entlarvung vermeintlichen oder anmaßenden Wissens, jedoch nicht mit dem Ziel des Lächerlichmachens. Der Dialogpartner wurde vielmehr durch das scheinbar selbstständige Auffinden eigener Widersprüchlichkeiten in die Lage gebracht, diese zu durchschauen."

Kurt Tucholsky hat den obigen ironischen Text als Schulaufsatz geschrieben:

[Kurt Tucholsky. 1931, geb. 9.1.1890 um 18h45 LMT = 17h52 GMT in Berlin-Moabit. (Pss. Kaspar Hauser, Peter Panter, Theobald Tiger, Ignaz Wrobel) Deutscher Jurist, Journalist, Bankkaufmann, Moralist, Zeitkritischer Pazifist {Weimarer Republik}, Anti-Nationalist, Anti-Spießbürger, Feuilletonist, Erzähler, Chanson-Texter, Lyriker, Interlektueller, 1933 deutsche Ausbürgerung (-Bücherverbrennung). Suizid 21.12.1935 bei Göteborg]

LG

Namo
 
Prana schrieb:
Namasté

Ich habe die große Ehre vor den Lehrkräften und der Schülerschaft als Schulsprecher der Realschule Oedeme und als Stadtschulsprecher der Stadt Lüneburg die Abschlussrede für meine Schule halten zu dürfen.
Ich habe da so einige Ideen was ich da schreiben will würde mich aber auch auf eure freuen. Klar ihr kennt meine Schule nicht aber wäre trotzdem nett.

Eduard Gashi
namasté meine schönen kolleginnen
namasté schöne mütter meiner kollegen
namasté schöne lererinnen

es ist für mich persönlich eine grosse ehre, die abschlussrede der zehnten klasse des jahrgangs '89 vor so grosszügig versammelter gesellschaft halten zu dürfen. es ist für mich desswegen eine grosse ehre, so ich die möglichkeite bekomme, mit meinen eigenen worten einer grossartigen ära den schlusspunkt zu versetzen. natürlich ist dies kein endgültiger schlusspunkt. ich möchte es vergleichen mit dem kapitel eines buches, welches mit dieser rede sein ende nehmen wird. dieses kapitel wird immer für uns offen bleiben, noch manche tage werden wir uns daran zurück erinnern, an dieses kapitel, in dem wir zusammen gelacht, gestritten, gelitten, uns gefreut und gelernt... haben.
es prägte jeden von uns. sogar darüber hinaus, wenn ich bedenke, was meine eltern durchzumachen hatten, wenn ich aufgrund prüfungsstress so manche male schlecht gelaunt war.

wenn mit dieser rede ein bestimmtes kapitel zuende geht, so lässt das neue nicht lange auf sich warten. wir durften es selber schon erfahren, indem wir uns auf die suche machen mussten, wie es weiter gehen soll. ob ich eine lehre machen, studieren oder ferien machen will.

an dieser stelle merkte ich plötzliche, wie schnell doch die tage vergehen, wie rastlos mein leben ist. man wird in eine situation hineingeboren, erzogen... und das leben beginnt seinen lauf zu nehmen. ein innehalten ist nahezu unmöglich. es geht nicht schritt um schritt, sondern vielmehr so, dass der nächste schritt schon getan wird, bevor der vorausgegangene getan ist.
es scheint alles selbstverständlich zu sein. jeder ist sehr wohl darauf bedacht, sein "ding" zu machen. die eltern, die gesellschaft und auch die schönen lehrerinnen geben ihr bestes dazu unser ego auf die spitze des berges zu treiben. leider vergessen sie dabei immer wieder, dass es auf der bergspitze schneien kann (und immer wieder wird). es kann sehr rutschig sein. immer wieder rutscht man ab. wird zurückgeschlagen, erleidet eine niederlage, erfährt ein hoch... und immer geht es so weiter.


ich machte mir viele gedanken darüber, was ich für eine rede halten sollte. über was will ich sprechen? über unsere gemeinsam vergangene zeit oder auf die noch kommende? auf die immer schlechter werdende schulbildungen? geld? kriege?
*schmunzel*
es tut mir leid, liebe anwesende schöne frauen, ich will dies nicht ins lächerliche ziehen. aber ein schmunzeln kann ich mir an dieser stelle nicht verkneiffen, wenn ich doch daran denke, wie oft schon über all diese dinge gesprochen, geschrieben oder auch geschweigt wurde... und was hat es uns gebracht?
*lach*
das anliegen dieser rede nun, will den kern all dieser "probleme" behandeln. unser ego.

desswegen möchte ich diese günstige gelegenheit dazu nutzen, euch schöne frauen darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig doch ein innehalten sein kann. nehmt euch diese zeit, lehnt euch zurück, fragt wer ihr seid, was ihr wollt... fragt danach wer es ist, der überhaupt etwas will...

liebe schöne frauen, wenn ich in meinen sechzehn jahren etwas gelernt habe, dann ist es dies, dass es von enorm grosser wichtigkeit ist, zu wissen wer man selbst ist. dies stellt nämmlich den ausgangspunkt unserer welt dar. es bedignt unser wollen, unser sein, unsere zukunft... unser leben!


ich danke für die schöne zeit die wir alle zusammen verbracht haben und freue mich auf die weitere zeit, die wir noch zusammen verbringen werden.
ich wünsche allen eine schöne feier.

eduardo gashi, unvergesslicher abschlussredner des jahrgangs '89.

schliessen möchte ich mit den worten hermann hesses, der da einst sagte:
gewonnen hat immer der, der lieben, dulden und verzeihen kann.
 
Prana schrieb:
,,Sehr geehrter Herr Bunkus,
Sehr geehrte Lehrkräfte vor allem die Klassenlehrer/innen der 10ten Klassen
liebe Schülerinnen und sehr geehrte Schüler.

Ich stehe hier in Namen der Schülerschaft und möchte einige Worte zum Abschied loswerden, keine Angst ich mache es kurz.
Wir haben es endlich geschafft dort anzukommen wo wir immer hin wollten, raus aus der Schule und rein in die Welt der freien Menschen.
Wir kamen hier als Kinder an und verlassen diese Schule als Erwachsene auf der Körperlichen und auf der Geistigen Ebene. Für viele heißt es jetzt, weiter zur Schule und für einige ab ins Berufsleben. Euch allen und auch mir wünsche ich viel Glück im weiteren Leben, wir sollten aber immer wissen, dass der Erfolg von uns abhängt, wir müssen Beständig bleiben,Disziplin haben und immer alles geben was in uns steckt d.h. Viel tun wenn man viel will, denn was wir säen das ernten wir, und nur so erreichen wir unsere ziele.
Wir können nicht erwarten das uns alles nachgetragen wird, denn wir sind ja schon Erwachsen und diese Entwicklung passierte eben an dieser Schule, man Entwickelte sich zwar langsam aber immerhin es kam zu einer Entwicklung, man hat hier Freunde fürs Leben gefunden und gelernt was es heißt Verantwortung zu übernehmen. Aber es gab auch viel Spaß und man hat viel gelacht mit den Lehrern und über die Lehrer."

Natürlich soll es weitergehen und ich bin schon am Überlegen WIE?

Sorry,aber mir kommt da nur ein Lacher aus... :rolleyes: Alles viel zu überzogen, wenn du mich (als Tochter eines BORG-Direktors,die Ahnung von solchen Abschluss-Sachen hat) fragst! Sollte in meinen Augen etwas lockerer klingen, nicht GANZ so ein Tamtam machen...
 
Ja, Namo!
Die Ansicht, der Schueler ginge nach der Schule in die grosse Freiheit sollte durchaus kritisch beaeugt werden und nicht humorvoll!
Anlass zum Humor und zur Freude nach der Schule gaebe es, wenn die Zeiten anders waeren, wenn die Jugend wirklich die Freiheit haette, sich frei zu entfalten, mal dies, mal jenes auszuprobieren, zu experimentieren, mit dem Leben und seinen Moeglichkeiten zu spielen!

Inwieweit kann sie das?

Bijoux
 
Bijoux schrieb:
Liebe Bijoux,

'Ja' ist nicht viel.
Die Ansicht, der Schueler ginge nach der Schule in die grosse Freiheit sollte durchaus kritisch beaeugt werden und nicht humorvoll! Anlass zum Humor und zur Freude nach der Schule gaebe es, wenn die Zeiten anders waeren, wenn die Jugend wirklich die Freiheit haette, sich frei zu entfalten, mal dies, mal jenes auszuprobieren, zu experimentieren, mit dem Leben und seinen Moeglichkeiten zu spielen!

Inwieweit kann sie das?
Prana sagte: "Wir haben es endlich geschafft dort anzukommen wo wir immer hin wollten, raus aus der Schule und rein in die Welt der freien Menschen."

Khalil Gibran sagt: "Eure Kinder sind nicht eure Kinder. Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber. Sie kommen durch euch, aber nicht von euch. Und obwohl sie mit euch sind, gehören sie Euch doch nicht. Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht Eure Gedanken. Denn sie haben ihre eigenen Gedanken. Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben, aber Nicht ihren Seelen. Denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen, Das ihr nicht besuchen könnt, nicht einmal In euren Träumen.

Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein; Aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen. Denn das Leben läuft nicht rückwärts, noch Verweilt es im Gestern. Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder als Lebende Pfeile ausgeschickt werden. Der Schütze sieht das Ziel auf dem Pfad der Unendlichkeit, und Er spannt euch mit Seiner Macht, damit seine Pfeile schnell und Weit fliegen. Lasst euren Bogen von der Hand des Schützen auf Freude gerichtet sein. Denn so wie Er den Pfeil liebt, der fliegt, So liebt Er auch den Bogen, der fest ist."

Bijoux sagt: "... eine schoene Rede vor, aber fuer deine Zwecke ist sie nicht geeignet, ... Ihr seid nicht erwachsen mit 16 Jahren! ... Und geistig und seelisch erst recht nicht... "

Ich denke Du bist es der den Kindern Deine Gedanken gibt.

Du fragts: Inwieit kann sie das?

Ich denke sie kann es, wie es jeder kann, der selbst ist und sich von Autoritäten, Lehrern, Gurus, Eltern, Moralisten, Namos und dem Sozialisierungssyndrom aller Besserwisser, die die Regeln in diesem Menschenpark veräußerlichen - entbindet und frei davon ist.

Deswegen sind wir hier, das zu Erkennen und zu Realisieren; niemand Anderer wird es für uns tun.

LG

Namo
 
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Glück ist nicht das Ziel, sondern der Lohn....

Beim Abschied wünscht man sich immer Glück. Die ganze Schulzeit lang wurden wir für das Verstehen sensibilisiert. Ich greife auf, und schaue mir nun dieses Wort „Glück“ an. Was meint der Volksmund damit? In der deutschen Umgangssprache gibt es nur ein Wort für Glück. Im lateinischen „beatidudo“ für glücklich sein und „fortuna“ für Glück haben. Ich möchte hier an meiner Verabschiedung über mein zukünftiges Glück in der Welt der Erwachsenen reden. Nun stehe ich hier vor vielen Erwachsenen, und werde in naher Zukunft offiziell in diese Liga aufgenommen werden. Hier, an dieser Schnittstelle zur Welt von Geben und Nehmen, Verantwortung und Lebenssinnsuche, habe ich die Chance noch etwas wartend zu verweilen. Noch immer befinde ich mich im Cocoon meiner Familie. Doch bald werde ich als Schmetterling in die Weite dieser Welt fliegen. Auf meinem suchenden Flug nach dem Glück, werde ich immer wieder auf das stossen, was man mir im Leben nehmen kann – oder eben nicht nehmen kann. Ich möchte mich nicht auf das konzentrieren, was man mir stehlen kann, sondern das, was mir keine Kraft aus dieser Welt aus den Händen reissen kann: es ist dies meine Würde und mein Glaube an das Glück das entstehen kann, wenn ich mein Leben meinen Träumen entsprechend gestalte.

Was mich grundsätzlich am Glück beeindruckt, ist die Art, wie es scheinbar fraglos weitergibt, wie etwas ist, und dass es ist – und hier sehe ich mich als Schlüsselfigur, die eigentlich mit den Spielregeln und Spielzügen spielt, die ich selbst begründet habe und auch immer wieder neu begründe. Es ist wunderbar einfach mich in der Vergangenheit als glückliches Kind zu entdecken – mein Glück wurde zwar immer wieder von kurzen Unglücksmomenten aufgesucht (sei es nun die Schokolade, die ich nicht kriegte, oder etwas später die erste Party, die ich nicht besuchen durfte). Doch wie gerne schreite ich durch das Tor der Erinnerung und treffe dort auf mich. Ich sehe mich mit einem glücklichen Lächeln unruhig auf der Schulbank hin und her rutschen, denn, mein liebevoller Vater wird mich mit seinem uralten Fahrrad nach der letzten Stunde abholen um dann gemeinsam den Berg hinunter zu sausen. Und dann – dann versuche ich mich nach vorne zu orientieren und sehe mich als grossen erwachsene Menschen. Werde ich auch in der Zukunft meine Freude immer auf den Menschen fokussieren können, oder wird plötzlich der wunderbar teure Mercedes über mein glücklich sein oder nicht sein, dominieren wollen? Was macht mich unsicher?

Wenn ich die Gesichter vieler Erwachsenen beobachte, dann sehe ich entzauberte Menschen, die das Unglück dieser Welt spiegeln. Sie stehen laut und wild fuchtelnd am heiss geliebten Rednerpult und widmen sich ausdauernd ihrem unglücklich sein. Sei es nun, weil ihr Mercedes eine Beule hat, weil sie eine Parkbusse bekommen haben, oder, weil die Autowaschanlage am Sonntag definitiv nicht geöffnet ist. Diese Menschen begrenzen sich selber. Sie schränken ihre Chancenwelt mit ihrer Weite zugunsten einer trostlosen Perspektive ein, die in ihre Gesichter mit der Zeit tiefe Falten zeichnen wird. Ich möchte mit einem immerwährenden Lächeln durch die Welt wandern. Das hat für mich nichts mit Oberflächlichkeit zu tun. Freude und Glück kann nur wahrgenommen werden, weil es auch die Trauer und das sogenannte Pech oder Unglück gibt. Auch ich bin nicht blind und kenne die umgekehrte Seite des Glücks, lebe diese Trauer, die Melancholie und unerfüllte Sehnsucht aus. Selten sehe ich jedoch sinnvolle Traurigkeit als Echo eines Unglück. Sehr selten. So selten, dass ich vermute, dass wir uns den Tränen schämen, und öffentlich nur wütig sein wollen.

Das eigene Unglück festzustellen ist nicht schwer, doch wer könnte von sich schon mit absoluter Sicherheit behaupten, glücklich zu sein ? Was ist das, was ich nicht kaufen, nicht leasen, nicht auslehnen kann? Wo ist das Lebensglück, welches wir junge Menschen so leicht verkörpern. Ist es ein Ort, ein Raum oder ist es das, was alles umhüllt, wenn wir weiter sehen, als wir denken können? Warum verlieren wir so leicht diesen Glauben an den Lohn unseres Wirkens?

Auch ich bin der Meinung, dass das Leben uns kein Glück gewähren wird, so lange wir es mit Automarken oder Luxusferien erobern wollen. Eine Eroberung im Äusseren wird uns nicht viel nützen; das Glück wird unseren Händen immer wieder entgleiten und uns früher oder später enttäuschen. Das Leben lässt sich nicht durch blossen Reichtum, nicht durch Stärke, Tüchtigkeit oder gar nur äusseren Komfort gewinnen. Auf diese Weise wurde keiner je zum Sieger; wer es so versucht, wird am Ende doch zum Verlierer.

Ich möchte als gebender Mensch auf dieser Welt leben. Als ein erwachsender Mensch, der weiss, dass das Leben immer ein Seiltanz sein wird. Ich fürchte mich nicht vor der Höhe, noch vor der Tiefe. Denn ich weiss, dass ein Mensch, der Glück als das was ist annimmt und Unglück als das, was wir selber als solches ansehen, das sicherste Auffangnetz sein eigen nennen darf.

n.
 
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