Die einzelnen Zeichen des Tierkreises beschreiben unter anderem ja auch einen Entwicklungszyklus, sozusagen als archetypisches Konstrukt (was streng genommen ein Widerspruch ist, ich weiß) ... mit dem Tierkreis und seinen Symbolen haben sich die Astrologen eine kreisförmige Skala geschaffen, die nach meinem Empfinden eine faszinierende innere Ordnung aufweist. Und diese Ordnung geht völlig verloren, wenn man da einfach Zeichen um Zeichen anekdotische Wahrnehmungen auflistet, die den Gehalt des jeweiligen Zeichens auf seine Färbung reduzieren, die es der Sonne mitgeben kann. (Mein Interesse an solchen Ordnungen im Chaos hat zum Beispiel weniger mit meiner Fische-Sonne zu tun, die sich im Chaos wohlfühlt, sondern wohl eher mit meinem Steinbock-Aszendenten ... und meinem Wassermann-Merkur, der Ordnungen lieber als bewegliche Systeme in Wechselbeziehungen begreift denn als festgefügte statische Gebilde. Ich könnte ja nicht einmal mich selbst verstehen, wenn ich nur auf's Sonnenzeichen schaue ...)
Ein paar sehr stark verkürzte Inputs zum TK als Entwicklungskreislauf:
Mit dem Widder geht's los. Der Urknall. In dem ist die spätere Entwicklung enthalten, als Potenzialität ... aber um das Potenzielle zu verwirklichen, muss es sich erst einmal entfalten. Expandieren. Vom Impetus über das Gestalthafte ins Funktionale (wie es in allen vier Quadranten jeweils als Dreischritt gegeben ist: kardinal - fix- beweglich). Auch das jeweilige Gegenüber ist im TK immer interessant beim Widder die Waage; wo im Widder die materielle Potenzialität angesiedelt ist, stößt sie in der Waage auf "das Andere", das Nicht-Idente, auf die Begegnung. Und was ich nicht bin, kann ich nur über die Idee wahrnehmen, was der/die/das Andere sein könnte. Umgekehrt ist für die luftige Waage die Begegnung mit dem raumgreifend Expansiven des Widders ein körperlicher Anstoß, durchaus vielschichtig gemeint. Oder: Die Begegnung des unbedingten Durchsetzungswillens mit dem Sozialen.
Weiter im Kreis: Im Stier nimmt der Grundimpuls Gestalt an. Er materialisiert sich. Fügt sich ins Irdische. Sowohl das Moment des Gestaltens als Formgebung wie auch das Moment des Materiellen als Ansammlung sind hier daheim. Das fixe Zeichen, das den Grundimpuls stabilisiert. Gegenüber (und diese Gegenüber, diese Oppositionen, sind sowohl Gegensätze als auch Ergänzung, Yin und Yang) finden wir im TK den Skorpion, der den ideellen Grundimpuls der Waage, die Potenzialität des Begegnenden, verdichtet zur Vorstellung, zum inneren Bild, zur Ideologie. So wie im ersten Quadranten der materielle Stier die funkensprühende Dynamik des Widder erdenschwer konkretisiert, so verdichtet der Skorpion die charmante Vielfalt der luftigen Ideenwelt der Waage zu einer machtvollen Vorstellung darüber, wie die Welt sei und wie man ihr zu begegnen hätte. Und die konkrete Materialisierung im Stier hat zu tun mit archetypischen, immateriellen Formbildern im Skorpion. Dass nebenbei auch die Aufhebung der materiellen Existenz, der Tod, an dieser Achse 2/8 angesiedelt ist, versteht sich von selbst.
Die beweglichen Zeichen ... Materie, für sich genommen, ist Existenz ohne Funktion, ohne Sinn. Im Zeichen Zwillinge steht das Funktionale im Mittelpunkt. Materie, die mit Materie funktional interagiert ... das ist zum Beispiel Technik. Das ist aber auch Kommunikation, das ist Wechselwirkung. Luhmann beschreibt Systeme nicht über die Elemente, die einem System angehören, sondern über die "Kommunikationen" zwischen den Elementen.
Gegenüber, im Zeichen des Schützen, werden Idee und Vorstellung funktional integriert und erweitert ... Integration ist ein weiteres Stichwort zu den beweglichen Zeichen, neben der Funktion. Es entsteht eine Welt-Anschauung, die geistig zusammenfügt und mit Sinn erfüllt, was da so alles im Einzelnen herumgeistert. Das kann von großer Toleranz und weiten Horizonten geprägt sein oder sich als engstirnig-ängstlich dogmatisierte Religion zeigen, je nachdem ...
Halbzeit, der erste und der dritte Quadrant mit ihren Zeichen. Das Materielle und das Geistige. Die Gegensätzlichkeiten und die Ergänzungsbeziehungen in der Systematik des Tierkreises. Wir könnten auch auf die trigonalen Beziehungen schauen, die Zeichen gleicher Elemente miteinander verbinden, oder auf die rechtwinklig-quadratischen, die jeweils Zeichen der gleichen Dynamik berühren, und daraus etwas über Aspekte lernen ... hier mal nur als Hinweis angedeutet auf weitere Vielschichtigkeit in der TK-Systemik.
Mit dem Zeichen Krebs betreten wir den zweiten Quadranten. Wieder kardinaler Grundimpuls, diesmal im Bereich des Psychischen. Ob ich das nun als eine Sonderform materieller Funktionalität betrachte, wie es die neodarwinistischen Physikalisten tun, oder ob ich es als "seelisch" begreife und die Seele als eine eigenständige Dimension meiner Existenz begreife ... hier egal, wir bleiben auf jeden Fall unterm Horizont der AC/DC-Achse. Im Bereich der eigenen Identität.
Krebs ist die Empfindung. Krebs ist die grundsätzliche Potenzialität der Hingabe, der Öffnung für alles, was Nicht-Ich ist. Ich kann mich nicht abschotten von der Welt, selbst die extremsten Formen mentaler Störungen, selbst der asketische Eremit sind in stofflicher und psychischer Interaktion mit ihrer Umgebung. Das lässt sich in einem Dreischritt beschreiben: Input Output Integration. Krebs steht für den Input, das Hereinströmende, das auf eine bereits vorhandene, funktionierende materielle Struktur trifft und in diesem Auftreffen impulshafte Empfindungen auslöst, Gefühle, noch weit entfernt von bewusstem Wahrnehmen. Im kardinalen Zeichen des Löwen erhalten diese Gefühle Substanz und Gestalt, werden sie zu Gefühlsausdruck, zu Emotion und Bewusstsein. Und insgesamt zum Ich-Gefühl, zum Selbstbewusstsein, das sich aus den materiellen Gegebenheiten des ersten Quadranten und den spezifischen Formen der Öffnung zur Umwelt ergibt ... da wird es schon reichlich komplex. Mit diesem Fühlen und Wissen um die eigene Identität hat das fixe Zeichen Löwe seinen Beitrag zur Stabilisierung und Konkretisierung des Grundimpulses an der Spitze des psychisch/seelischen Quadranten geleistet. Mit dem Zeichen Jungfrau geht es nun darum, diese Identität zu funktionalisieren ... diesen steten Strom von Wahrnehmung und Reaktion auf Wahrnehmung sozusagen zu verdauen und fruchtbar zu machen. Die eigene Identität in den Austausch einzubringen mit anderen Identitäten - was uns direkt weiterführt in die obere Hälfte des Horoskops, in die Außenwelt, die Begegnung. Jungfrau hat auch mit Immunisierung zu tun, mit dem Umgang mit Dingen, die wir aufnehmen und die uns schaden könnten, vom Virus bis zum destruktiven mentalen Input. Jungfrau hat mit Vernunft zu tun.
Abschließend der sozusagen oppositionelle Quadrant, die Zeichen Steinbock, Wassermann und Fische, beginnend mit einem kurzen Rückblick auf die bisherige Reise um den Tierkreis: Urknall, Ursprung im Widder, Konkretisierung und Materialisierung im Stier, Funktionalität und Kommunikation im Zwilling. Öffnung gegenüber dem Außen im Krebs, Selbstbestimmung im Löwen, vernünftige Integration in der Jungfrau. Damit ausgestattet für die Begegnung mit den/dem Anderen, mit dem Nicht-Ich, das ich nur über die Ideen erahnen kann, mit meinen Vorstellungen, die ich damit verbinde, wie es sein könnte, der/das Andere zu sein. Das kann sich in Weiterführung aus Waage im Skorpion zu fixen Leitbildern verdichten, die ebenso stabilisierende Struktur wie auch zwickendes Korsett sein können; systemische Loyalitäten können tief im Unbewussten wurzeln und machtvoll die Verhaltenspotenziale einengen. Im beweglichen Zeichen des Schützen können sowohl die Oberflächen wie auch die Tiefen erschlossen, verstanden und eingegliedert werden oder aber, wenn die Potenzialität des Verstehens und Entwickelns ungenutzt bleibt, über die Grenzen hinaus ins Exzessive driften. "Ex oriente lux - ex occidente Luxus" lautete einmal das Motto von Salzburger Hochschulwochen.
Mit dieser Reise durch neun Zeichen haben wir quasi eine runde, annähernd volle Existenz vor uns, ob es sich nun um einen Menschen oder ein Ding oder ein Ereignis handeln mag das Gesagte lässt sich jeweils analog übersetzen. Den vierten Quadranten möchte ich in Opposition zum psychisch/seelischen des zweiten Quadranten als spirituellen Quadranten fokussieren.
Mit dem kardinalen Steinbock wird der Grundimpuls des "es ist, was es ist" skizziert, sozusagen das, was aus der Entwicklung der ersten drei Quadranten als Ergebnis resultiert. Das Faktische. Und die (scheinbar) "normative Kraft des Faktischen". Was ich bin, verpflichtet mich, definiert meine Grenzen und meine Möglichkeiten. Offener formuliert: Es definiert einen Rahmen, in dem ich mich bewege. Oder, noch offener: Was ich als Rahmen erfahre, in dem ich mich bewege. Als Ordnungsstruktur. Als Belastung. Als Karma aus all den Dingen, die ge- oder misslungen sein mögen und mich in die Spur gesetzt haben, in der ich mich bewege ... meine, mich bewegen zu müssen.
Warum dann der Wassermann, dieses Zeichen des Aufbrechens, der Alternative, ausgerechnet als fixes Zeichen gilt, gehört zu den schwieriger zu verstehenden Bereichen der TK-Systemik. Einsichtiger wird es, wenn wir uns vor Augen halten, was Erstarrung im Erreichten, im Erwirtschafteten, im Verschuldeten und im Gegebenen bewirkt: das Ende der Lebendigkeit. Das Ende von Entwicklung. Um die Existenz zu sichern, um ihr weiterhin lebendige Gestalt geben zu können, muss die Ordnung des Steinbocks, wenn es denn eine erstarrte geworden ist, wieder aufgebrochen, wieder belebt werden, um Leben zu ermöglichen. Der Quantenphysiker Hans-Peter Dürr sagt, er hätte 50 Jahre gebraucht, um zu lernen, dass es keine Materie gibt, sondern dass Materie immer nur eine konkrete Realisierung von dahinter leitender Potenzialität ist. Im Wassermann geht es nicht um die vordergründige Materialisierung des Erwirkten, das ist "nur" eine Form. Es geht darum, in Bewegung zu bleiben. Wenn und wo Steinbock und Wassermann zusammenspielen, werden sie im Doppelpack (was sie ja auch im Kalender sind) zum Hüter der Flamme, statt sich als Bewahrer der Asche zu gerieren. Leben ist dort gesichert, wo Aufbruch und Erneuerung gegeben sind. Veränderung ist ein Grundprinzip des Lebens. Leben ist Wandel.
Zuletzt das Zeichen Fische. Buddhisten sprechen von Maya, von täuschenden Trugbildern, wenn wir das, was ist, für das halten, was ist. Das Zeichen Fische führt das gesamte Rund des TK an die Schwelle dessen, was ist. Oft wird Saturn als "Hüter der Schwelle" bezeichnet, analog zu Steinbock an der kardinalen Spitze des vierten Quadranten. Die Aufgaben dort sind zu bearbeiten, aus karmischen Kreisläufen uranisch aufzubrechen und zu beleben ... und dann, an der Schwelle ... das verliert sich im Nebel der Worte. Die Erfahrung des All-Einen, die Verbindung damit, das tiefe Empfinden, dass alles mit allem verbunden ist, dass ich nicht nur Teilchen, sondern Beteiligter bin, eingebunden und geborgen ... eine spirituelle Erfahrung jenseits der Begriffe.
Oder aber das Diesseits der Schwelle. Der Berg des Sisyphos. Das Eingesperrt-Sein "in dem, was ist". Das Leiden. Und immerhin daraus resultierend das Potenzial des Mitgefühls.
Zuletzt das Zeichen Fische? Nein der TK ist ein Kreis, ein Zyklus. Wenn die Fische letzten Endes in ein gestalt- und zeitloses Unsagbares, Undenkbares münden, dann ist das auch der Punkt, an dem ein neuer Urknall das alles wieder in "etwas" hinein expandieren lässt ...
Und vor diesem idealtypischen Hintergrund des Tierkreises, dieses (meines Erachtens) genialen Konstrukts in zwölf Kapiteln, spielt es sich dann konkret und praktisch unendlich komplex ab mit den Positionen und Querverbindungen von Gestirnen, Achsen, Deutungs-Fokussierungen ... Shakespeare abgewandelt: "Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als Euer Sonnenzeichen euch vermuten lässt ..."