Ratloses Entsetzen

Camajan schrieb:
"Die Katze bekam zu fressen, Jessica musste hungern"

Sie wollten normal sein und taten das Unfassbare: Die Eltern der kleinen Jessica aus Hamburg ließen ihre Tochter qualvoll verhungern und müssen nun lebenslang in Haft. Aber wie konnte es so weit kommen? Die Suche nach den Gründen lässt am Ende des Prozesses alle Beteiligten ratlos.


Lebenslänglich für die Eltern von Jessica

Die härteste Strafe für die beiden Eltern - das ist mir eine Genugtuhung.
Sie werden das Gefängnis nie wieder verlassen, bis zum Tag ihres Todes.

Aber ich bleibe trotzdem ratlos, fassungslos.
Warum?
Die Eltern, die Verwandten, die Behörden - wie konnten sie so erbärmlich
versagen?

Camajan


Hi,
"lebenslänglich" - das heisst doch in Deutschland : 15 Jahre

Doch nicht bis zu ihrem Lebensende - oder bin ich da falsch informiert?

Habe mich gefragt, wie im Knast mit denen umgegangen wird-
besonders von den anderen Inhaftierten.
Da hört man doch so einiges,
dass dass schon reichlich Strafe ist, wenn klar wird, dass jemand sich an
Kindern vergriffen hat oder ähnliches...habe dieses "Hinter Gittern" aber selten gesehen, oder ist das nur Mache?
Wahrscheinlich werden die "Eltern" abgeschottet?

Ansonsten denke ich bei dem Thema an den "Elternführerschein"-
was hier in einem anderen Beitrag diskutiert wird - wär hier vielleicht nicht verkehrt gewesen.
Da sagte jemand (Verteidiger), die Mutter hätte einen Defekt oder Krankheit im Hirn gehabt-
ja, sollte strafmildernd sein - aber zum Kind-Bekommen hats gereicht.
Müsste man da nicht vor solchen Tragödien einen Riegel vorschieben?
Krass, ich weiss, aber dieses Leiden des Kindes ist so krass,
dass ich dafür gar keine Worte mehr finde...

Möchte nicht wissen,
wo überall- gleich nebenan- ähnliches abläuft-
 
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Gug gug Ihr`s....

eigentlich...wenn ich so recht überlege....ich glaube ich würde die beiden auch verhungern lassen wollen ....auf der einen Seite ...auf der anderen Seite ist es so das ich sowas nicht beurteilen will...
:schaukel:

gruß Ullili:rolleyes:
 
hallo,

es ist ein wirklich schrecklicher fall, der sich da ereignet hat. Schockierend.

was ich mich dabei frage, wie man solche menschen vor Gericht verteidigen kann? das heißt, was es einerseits an menschlicher stärke und distanzierungskraft fordert und was es andererseits vielleicht menschlich mit dem (Pflicht-)Verteidiger macht, auch bei solchen taten, noch etwas milderndes zu finden? und dann gar selbst zum urteil zu kommen, es sei doch gar kein mord gewesen, sondern "nur" Körperverletzung mit Todesfolge und vernachlässigung und Mißhandlung Schutzbefohlener - und entsprechend mildere haftstrafe zu fordern?

ich könnte das nicht - obwohl es menschen braucht, die genau das tun, denn es ist ein ganz wichtiger, ein zentraler bestandteil eines Rechtsstaates.

Interessant ist auch, wie dann regelmäßig die Volksseele kocht (auch hier ja schon nachzulesen im thread) ob des fast unaussprechlichen leids, das die kleine jessica durchlitten haben muß, über Jahre hinweg.

Mein erster Impuls ist auch so, wie bei etlichen, die sich auch hier schon geäußert haben: man würde am liebsten noch härtere strafen fordern, oder "gleiches mit gleichem" vergelten wollen.

Aber es ist nicht richtig, sie ist anmaßend, diese Haltung.
Sie ist die des unbeteiligten Empörten, der sich - aus welchen Gründen auch immer - die Gefühle des Opfers zu eigen macht, oder das, was wir uns darunter in unserer Phantasie vorstellen.
Woher kommt diese Empörung, diese gewaltige emotionale Aufwühlung, die sich dann gegen die Täter und (vermeintlichen oder auch realen) Mittäter richtet?

Nur mal als Gedanken spiel: Wenn jeder jetzt noch mal im Thread "todesstrafe" abstimmen könnte - würde sich angesichts des Schicksals von Jessica die Entscheidung bei dem einen oder anderen vielleicht verändern?

Es ist ein schweres Schicksal, das diese ganze Familie zu tragen hat - zu allererst die kleine Jessica. Aber auch die Eltern, für den Rest ihres Lebens, unabhängig von der haftstrafe, belastet mit der ganzen Schwere ihrer Schuld und Verantwortung.

es ist billig und leicht für uns alle, von ferne darüber zu urteilen und uns zu empören. Es ist selbstgerecht.
Warum ist es so wahnsinnig schwer, Mitgefühl auch für die Eltern zu entwickeln?
Was meint ihr dazu?

liebe Grüße
Stephan
 
HerrHundi schrieb:
Mich interessiert diese Frage nur in Bezug auf Eltern. In diese 2 Köpfe würde ich gerne hineinschauen. ;)



Hallo HerHundi

Ich fürchte das du in diesen <Köpfen nur gähnende Leere finden würdest.
Da kann nichts vorhanden gewesen sein, Ich glaube diese Menschen sind einfach nur Zombis.

Alles Liebe Maud
 
Warum ist es so wahnsinnig schwer, Mitgefühl auch für die Eltern zu entwickeln?
Was meint ihr dazu?

Man müsste ihre Geschichte kennen, um zu erahnen, was sie zu dem gemacht hat, was sie geworden sind...

In übrigen hab ich nichts dagegen, wenn Eltern kontrolliert werden. Gerade die mit schwacher Intelligenz und einer Geschichte, die Schlimmes ahnen lässt.
Es gibt den Babypass - ist der eigentlich verpflichtend ? - und es sollte auch den Elternpass geben. Zudem, da Kindergeld bezogen wird, was spricht dagegen, dass man diese Ausgaben und deren Verwendung ebenso kontrolliert, wie es bei Hartz IV der Fall ist??

Gruß von RitaMaria
 
Es ist wohl die alte Geschichte von Opfern, aus denen später Täter werden.
Die natürlichen Triebe sind beim Menschen längst nicht mehr intakt.
Was an ihre Stelle treten muß, ist soziale Kompetenz, die in der Regel mehr oder weniger durch elterliche Erziehung gegeben werden muß.
Wie wir hier sehen, gibt es Fälle, in denen dies nicht geschieht.
Eine Freundin aus der ehem DDR sagte mir, daß das dort nicht möglich gewesen wäre. Turnusmäßig mußten Mütter zur Mutterberatung, wo das Kind auf normale Entwicklung untersucht wurde.
Warum dann später in diesem Fall die Schule nicht reagiert hat, ist die übliche Behördenschlamperei, die keinen Bereich mehr ausspart.
Auch dort sitzen Schuldige!
 
Elfenbeinchen schrieb:
Hi,
"lebensl&#228;nglich" - das heisst doch in Deutschland : 15 Jahre
Doch nicht bis zu ihrem Lebensende - oder bin ich da falsch informiert?
Lebenslange Freiheitsstrafe ist unbefristet. Einem Verurteilten muss aber die
grunds&#228;tzliche M&#246;glichkeit einger&#228;umt werden, irgendwann die Freiheit wiederzuerlangen.
Dies gebieten nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1977
das Rechtsstaatsprinzip und die Menschenw&#252;rde. Eine der Bedinungen f&#252;r eine m&#246;gliche
Entlassung ist das Verb&#252;ssen von mindestens 15 Jahren Freiheitsstrafe.

Siehe Wikipedia.

Also: der Verurteilte darf seine Entlassung beantragen. Das heisst noch lange
nicht, dass dem Antrag stattgegeben wird.

Ein ganz wichtiger Aspekt ist die besondere Schwere der Schuld des
Verurteilten, festgestellt im Urteil des Gerichts. Der Wortlaut des Urteils
w&#252;rde mich da sehr interessieren. Nach meinem Rechtsempfinden l&#228;sst die
unfassbare Grausamkeit der Tat &#252;berhaupt keinen Zweifel &#252;ber die
besondere Schwere ihrer Schuld. Selbst der Terminus "besondere Schwere"
beschreibt die Schuld dieser Eltern nur unzureichend.

Wie auch immer, bei besonderer Schwere der Schuld ist nach 15
Jahren noch lange nicht schluss. Laut Wikipedia sind es 17 - 23 Jahre Haft
im Durchschnitt.

Dieser Fall ist aber kein Durchschnitt. Selbst wenn eine Haftstrafe abgeb&#252;sst
ist, muss ein H&#228;ftling nicht in Freiheit entlassen werden. Es kann Sicherheits-
verwahrung
angeordnet werden - und die ist ohne jede zeitliche
Beschr&#228;nkung. Ist doch klar, dass die Gemeinschaft einen Anspruch darauf
hat, vor therapieresistenten gemeingef&#228;hrlichen M&#246;rdern besch&#252;tzt zu werden.
Die sind wegzuschliessen.

Es kann schon im Urteil anschliessende Sicherheitsverwahrung angeordnet
werden. In diesem Fall w&#228;re die Chance der Eltern jemals wieder auf freien
Fuss zu kommen &#228;ussert gering.

Bin sehr gespannt auf den Wortlaut des Urteils.

Gruss
Camajan
 
Hallo Camajan,

ich habe nirgendwo bisher etwas gelesen davon, daß eine solche besondere schwere der schuld festgestellt wurde vom gericht. nicht mal, daß die staatsanwaltschaft sie beantragt hätte. und wenn die's nicht beantragt, wird's auch so gut wie nie festgestellt vom gericht.
urteile mit strafmaßen über dem strafantrag der staatsanwaltschaft besitzen generell seltenheitswert.

maßgeblich dafür ist m.E. aber auch nicht so sehr der leidensumfang der opfer oder die todesart, sondern primär die motive und die absichten der Täter (in diesem fall, der Eltern)

und wenn die verteidigung diesbezüglich ja noch überlegt, in revision zu gehen und dort erneut auf "körperverletzung mit todesfolge" (Mutter) oder "verringerte Schuldfähigkeit" (Vater) zu plädieren, dann halte ich#s für ziemlich ausgeschlossen, dass besondere schwere der schuld festgestellt oder gar sicherheitsverwahrung angeordnet werden...

liebe Grüße
Stephan
 
Stephan schrieb:
ma&#223;geblich daf&#252;r ist m.E. aber auch nicht so sehr der leidensumfang der opfer oder die todesart, sondern prim&#228;r die motive und die absichten der T&#228;ter (in diesem fall, der Eltern)
Ich sehe es als deine pers&#246;nliche Bewertung an, was angeblich "nicht so sehr
massgeblich" und was "prim&#228;r massgeblich" sein soll. Und deine Bewertung teile
ich &#252;berhaupt nicht.

Tats&#228;chlich ist in jedem konkreten Fall eine Gesamtbewertung aller Tatumst&#228;nde
und der T&#228;terpers&#246;nlichkeit vorzunehmen.

Beispielsweise rechtfertigt die "besondere Verwerflichkeit der Tatausf&#252;hrung"
die Zuweisung einer besonderen Schuld. Ich halte es f&#252;r besonders
verwerflich, ein Kleinkind wegzusperren und unter unglaublichen Qualen
&#252;ber f&#252;nf Jahre langsam zu Tode zu hungern.

Wie dem auch sei, das Gericht scheint weder besondere Schwere noch
mildernde Umst&#228;nde festzustellen. Nach fr&#252;hestens 15 Jahren d&#252;rfen also Herr
und Frau X einen Antrag auf vorzeitige Entlassung stellen und man wird
sehen, wie &#252;ber diesen Antrag dann entschieden wird. Irgendeinen Rechtsanspruch
auf vorzeitige Entlassung gibt es nicht. Die Handhabung solcher Antr&#228;ge ist
ja auch bundesweit nicht einheitlich und in Bayern wird jeder Antrag immer
besonders genau &#252;bergepr&#252;ft.

Gruss
Camajan
 
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Bedaure, aber f&#252;r die beiden Eltern gibt es nur ein Wort: krank. Ich meine das so, wie ichs sage, nicht als Vorwurf, sondern als klinische Erscheinung. Es ist ein Zeichen von Krankheit, sich so zu verhalten. Wie es zu diesem Krankheitsbild kam, das verm&#246;gen wir alle nicht zu beurteilen. Aber Strafe - einsperren, lebenslang - soll eine Genugtuung sein? F&#252;r wen, an wem? Es ist notwendig, eine Strafe zu verh&#228;ngen. Gewi&#223;. Wird das Kind davon wieder lebendig, macht man damit ungeschehen, was ihm angetan wurde? Verhindert man damit, da&#223; in zuk&#252;nftigen F&#228;llen das System wieder so kl&#228;glich versagt? Bringt man damit die beiden zerst&#246;rten Seelen, die so etwas taten, ohne zu wissen, warum, zu irgendeiner Einsicht?

F&#252;r mich ist es keine Genugtuung, diese Strafe. Sie ist nur eine notwendige Folge des Geschehenen, das so unfa&#223;bar bleibt wie es war. Diese Menschen h&#228;tte man behandeln m&#252;ssen, solange es noch Zeit war. Vielleicht h&#228;tten sie die Hilfe angenommen... aber dazu h&#228;tte irgendjemand was bemerken m&#252;ssen.

Werden wir denn nicht alle von unserem System sch&#246;n langsam dazu erzogen, nichts mehr mitzukriegen, nur keine Scherereien haben zu wollen, nur selber irgendwie durchzukommen?

??????? Das ist es, was bleibt nach so einer Sache.
 
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