Ich hab ja von den Täter-Opfer-Relationen geschrieben, und das ist ein Bereich, in dem sehr achtsam und sehr differenziert untersucht werden muss. Und vor allem ist das frei zu halten von moralischen und rechtlichen Aspekten (die deshalb nicht außer Kraft gesetzt werden, eh klar...). Alles, was solche Phantasien wie "das Opfer ist eh selbst schuld" oder "...mitschuldig" nährt, halte ich für schlimm und, siehe oben, für ein Anzeichen pathologischer Bedenklichkeit.denkst du eine Vergewaltigung geschieht "wahllos" , also jeder kann vergewaltigt werden?
Oder meinst du das ein Zusammenhang besteht zwischen den beiden?
Vergewaltigungen im Zuge von Kriegshandlungen, wie sie am Balkan vorgekommen sind oder immer wieder in Afrika vorkommen oder auch sonst überall auf der Erde und in der Geschichte, halte ich in Bezug auf die individuell betroffenen Opfer für ebenso wahllos wie im Blick auf die Täter. Da geht es ja nicht um die Befriedigung des Sexualtriebs, sondern das Sexuelle wird instrumentalisiert, um den Gegner zu demütigen, ihm Schmerz zuzufügen. Die vergewaltigte Frau ist da "nur" das Mittel zum Zweck, um den gegnerischen Männern, den Gatten und Vätern und Söhnen, Schlimmes anzutun. Das geschieht besonders effizient in einem Umfeld, wo auch in friedlichen Zeiten die Frauen als Besitz des Mannes betrachtet werden. Wenn da also etwa alle Frauen eines Dorfes vergewaltigt werden, dann geschieht das in Hinblick auf die einzelne Frau wahllos. Und als Täter daran beteiligt sind Männer, die "im Frieden" nie und nimmer auch nur in die Nähe eines Impulses kämen, zum Vergewaltiger zu werden. Wobei man auf einer tiefer gehenden Ebene dann wieder fragen kann, welche systemischen Kontexte es begünstigen, dass ein solches Fallen der zivilisierten Hemmschwellen geschieht. Auch das ist nicht mit Schlagzeilen zu beantworten, sondern äußerst vielschichtig und komplex.
Wenn da also eine Wahl getroffen wird, dann die Wahl eines verbrecherischen Geistes, die wahllose Vergewaltigung der weiblichen Bevölkerung als Kriegswaffe einzusetzen, um den Feind nicht nur zu besiegen, sondern auch noch zu demütigen. Tiefenpsychologisch wird auch noch eine Rolle spielen, dass man sich ins eroberte Land hinein fortpflanzt der Sexualakt als Unterwerfungs- und Zeugungsakt in einem (was ja nicht nur in Kriegs-Kontexten vorkommen soll...). Wie gesagt, alles nur Teilaspekte... und so krank, wie Krieg nun mal krank und Frieden gesund ist, die Wertung erlaube ich mir (um meine eigenen kranken Anteile wissend und nicht einmal um alle davon wissend...).
Jake