Placebo-Effekt

Richtig interessant wird es, wenn Mediziner Geistheiler für sich arbeiten lassen. Ist das dann gezielte Ausnützung des Placeboeffekts oder doch etwas Anderes?

Hier ein Beispiel aus der Psychiatrie:

Seit ihrer Kindheit besitzt die gebürtige Belgierin eine besondere Gabe der Wahrnehmung: Sie „sieht“ die seelische und spirituelle Verfassung eines Menschen. In der Arbeit mit einer Vielzahl von Klienten entwickelte sie ihre besondere Fähigkeit über Jahrzehnte hinweg weiter.


Seit 1992 lebt Anouk Claes in der Schweiz. An der Universität Basel studierte sie Psychologie und Theologie. Ihre besondere Wahrnehmungsbegabung wurde von PD Dr. Jakob Bösch erkannt. Als Chefarzt der externen psychiatrischen Dienste Baselland zog er ausgewählte Medien und Heilerpersonen zur Begleitung seiner psychiatrischen Tätigkeit heran. Für Dr. Bösch ist Anouk Claes das größte sensitive Talent, dem er bis jetzt begegnet ist. Die erfolgreiche Zusammenarbeit beider erstreckte sich über viele Jahre und dauert bis heute an.


Anouks spezielle Fähigkeit ist es, klar und zuverlässig emotionale und spirituelle Verflechtungen zu erkennen und jedem Menschen zu helfen, seinen eigenen spirituellen Weg zu gehen. In ihren Ausbildungen und Kurse geht es darum, die eigenen Gefühle wieder zu entdecken, um seelische Verknüpfungen und unbewusste Muster zu erkennen: eben das, worin man „festsitzt“ und was im Alltag der Verwirklichung unserer Möglichkeiten oft entgegensteht. Körper, Geist und Ego sind gleich wichtige Instrumente, um dieses tiefere Verständnis zu entwickeln. Das Innen wie das Außen zu erforschen, das Sichtbare und das Unsichtbare zu erfahren, ist gleichermaßen bedeutungsvoll. Eins-Sein mit sich selbst und der Mitwelt ist das Ziel – es bedeutet, unser ureigenes Potenzial voll und ganz zur Entfaltung zu bringen.
http://www.anoukclaes.ch/anoukclaes/Person.html
 
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Ob Claes eine Meinung dazu hätte, was der Placeboeffekt ist? Ob das, was sie tut als Geistheilung gelten kann?
 
Reicht doch, wenn einige auf sie zugreifen können? ;)

Es reicht dann und nur dann aus, wenn man darauf vertrauen kann, dass auch wirklich alle relevanten Fakten daraus zitiert werden. Das ist hier aber nicht geschehen, wie ich in Post #233 aufgezeigt habe.
Ich empfinde so etwas als hochgradig unlauter, zumal man von vornherein anscheinend damit gerechnet hat, dass die meisten User dem nichts entgegensetzen können, weil ihnen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit der Zugang zu den Artikeln fehlt. Jetzt waren halt zwei mit ein bisschen Recherche auch ohne VPN-Client zugänglich (siehe Post 283), aber die Mühe macht sich auch nicht jeder. ;)

Und zum Rest deines Beitrags:

Es ist ein Zeichen von Fortschritt, wenn man herausfindet, dass gewisse Medikamente oder Operationen nicht in dem Umfang benötigt werden, wie man es bisher angenommen hat.
Es fand ja keine bewusste Täuschung der Patienten statt, weil man bis zum jetztigen Zeitpunkt noch nicht wusste, was man nun durch die neueren Studien weiß. Damit werden nicht automatisch alle Medikamente und Operationen überflüssig.
Ich muss an dieser Stelle aber anmerken, dass ich nicht nachgeprüft habe, ob das mit den Antidepressiva und der Op tatsächlich stimmt. Mein Einwand wird davon allerdings nicht berührt.


Das wars von meiner Seite zu diesem Thema.
 
Ebenso wie ich in Beitrag 248 erklärt habe, warum ich möglichst kurz aus der Studie zitiert habe. Und dafür brauchte es nicht mehr, weil es nicht mehr als eine Diskussionsanregung war.

Ich zitiere hier extra nochmals:

Es ging schlichtweg darum aufzuzeigen, dass es Faktoren gibt, die auf Placebo wirken können, jedoch nicht zwingendermassen auf Pharma. Ich hatte diese Studie als Beispiel gebracht, dass diese Idee auch schon andere Leute hatten. Ich hatte möglichst prägnant zitiert, nur schon weil diese Studie nicht als Beleg für irgendwas taugen sollte, sondern nur als "schaut mal, es gibt auch Überlegungen, dass sich Placebo auch über psychologische Faktoren beeinflussen, vielleicht lässt sich das ja in diesem Thread disktuieren, was weitere mögliche Faktoren wären.
Ich empfinde so etwas als hochgradig unlauter, zumal man von vornherein anscheinend damit gerechnet hat, dass die meisten User dem nichts entgegensetzen können, weil ihnen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit der Zugang zu den Artikeln fehlt.

Auch das ist falsch. Es war für mich nur eine Diskussionsanregung, nichts mehr. Hätte jemand gefragt, hätte ich die Studie auf Wunsch auch per Mail zur Verfügung gestellt oder hier im Thread methodologische Mängel dargelegt, die aber für die Diskussion irrelevant sind, weil die Studie nicht als Beleg für irgendwas herhalten sollte. Ob du mir das glaubst oder nicht ist mir ziemlich egal. Das nur der Vollständigkeit halber.

Ich habe auch nie behauptet, dass irgendeine medizinische Studie belegt, dass auf Pharma verzichtet werden könne. Das waren alles meine weitergehenden Überlegungen und auch nie als Studienresultate gekennzeichnet.
 
Es ist ein Zeichen von Fortschritt, wenn man herausfindet, dass gewisse Medikamente oder Operationen nicht in dem Umfang benötigt werden, wie man es bisher angenommen hat.
Andererseits wirft es wie an mehreren Beispielen veranschaulicht auf Fragen dazu auf, wie glaubwürdig derartige Studien eigentlich sind. Bezeichnend finde ich persönlich, daß dazu bisher auch nur sehr selektiv eingegangen wurde, ich erinnere einmal mehr an die Studie zur Unwirksamkeit verbreiteter Antidepressiva. Hier wird sich nach meinem Eindruck gerne selektiv auf Fetzen gestürzt, statt redlich und sachlich zu einem Gesamtbild mitzuüberlegen.
Es fand ja keine bewusste Täuschung der Patienten statt, weil man bis zum jetztigen Zeitpunkt noch nicht wusste, was man nun durch die neueren Studien weiß.
Das setzt eine bestimmte Herangehensweise voraus, die hier soweit ich es verstehe auch insgesamt zur Debatte steht.
Ich muss an dieser Stelle aber anmerken, dass ich nicht nachgeprüft habe, ob das mit den Antidepressiva und der Op tatsächlich stimmt. Mein Einwand wird davon allerdings nicht berührt.
Salopp formuliert, weil du an das System glaubst und es nicht für abwegig hältst von einer reduktionistischen Herangehensweise an das Leben echtes Wissen zu erwarten?
 
Ich habe auch mal nach der Studie gesucht, die im Zeitungsartikel des Eingangsbeitrags erwähnt wird:

http://journals.lww.com/pain/Abstra...effects_of_the_same_drug___reversal_of.8.aspx

Hier kommt man aber tatsächlich nur über den VPN-Client rein.

Den Abstract kann man direkt lesen, als Ergänzung stelle ich noch die Conclusion mit rein. Aber das richtet sich jetzt nur an die, welche sich kurz eine Vorstellung von der Studie machen möchten. Eine Diskussion über diese Studie wäre hier wenig sinnvoll, weil nicht jeder User sie vollständig lesen kann.

In conclusion, the results of this study suggest that the
intended pharmacological pain-relieving effect of a topical
analgesic can be reversed to hyperalgesia by nocebo information.
The reversal of the drug effect was mediated by an
increase in negative emotions and a concomitant increase in
SBP. Our results suggest that favorable drug responses and
placebo analgesic responses were mediated by emotional
factors in an opposite manner, with decreased negative
emotions and SBP serving as mediating factors. These
findings underscore the importance of accounting for possible
nocebo and nocebo-related effects in clinical studies7 and
clinical practice, even when a proven drug with known
pharmacological effects is used.



Auch nichts weltbewegend neues. Neben dem Placeboeffekt gibts den Noceboeffect.

Aber aus diesen Resultaten zu schließen, dass Medikamente per se keine Wirksamkeit haben und alles auf einem reinen Glaubenssystem basiert, ist ein Fehlschluss.
Es gibt Faktoren, welche die Wirksamkeit eines Medikamentes oder einer Therapie günstig beeinflussen (Placeboeffekt) oder ungünstig beeinflussen (Noceboeffekt) können.

Durch eine systematische Erforschung beider Effekte gelangt man zu einem Wissen, das für die medizinische Praxis wertvoll ist. So kann die Wirkung eines Medikaments verstärkt und ungünstige Faktoren gezielt ausgeschaltet werden. Aber dazu muss man eben auch erstmal wissen, was genau die Wirksamkeit verstärkt oder ungünstig beeinflusst.

Ich teile also Breiderts Schlussfolgerung:

Die einer Placebogabe zugrunde liegenden Mechanismen, mit denen bei wenig Aufwand positive Zusatzeffekte erzielt werden können, sollten auch bei der Verabreichung von pharmakologisch wirksamen Medikamenten bewusst eingesetzt werden. (Breidert 2009, S. 751)

http://data.aerzteblatt.de/pdf/106/46/m751.pdf

Kleiner Nachtrag:
Hier kann man den Volltext lesen
https://www.researchgate.net/profil...nformation/links/5601209508aeba1d9f84edbb.pdf
Opposite effects of the same drug: Reversal of topical analgesia by nocebo information
 
20 Millionen Menschen lesen die "Apotheken Umschau", bestimmt nicht alles Hypochonder: Was macht Deutschlands reichweitenstärkste Zeitschrift so erfolgreich? ...

„Wenn wir in der ,Apotheken Umschau‘ ein Thema aufgreifen, dann gehen die Leute davon aus: So ist das. Und schaffen dadurch ein glaubwürdiges Umfeld, das auch auf die Anzeigen abstrahlt“, sagt Hans Haltmaier, seit elf Jahren Chefredakteur der „Apotheken Umschau“. Von jeweils 100 Seiten Heft, zwei Mal im Monat, sind gut 30 Prozent Anzeigen.
http://www.tagesspiegel.de/medien/phaenomen-apotheken-umschau-vertrauensfrage/13886602.html
 
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Ich möchte, um selber nicht den Faden zu verlieren, ganz kurz nochmal einige Begriffe aus meiner Sicht auseinander klauben:
Placebo = Scheinmedikament, Scheinbehandlung ohne spezifischen Wirkstoff bzw. spezifische Behandlung

Bei jeder Art von Behandlung (sowohl Verum, als auch Placebo) gibt es Erwartungseffekte und Interaktionsphänomene, spielen Art der Zuwendung /Interaktion, die Behandlungsumgebung, Kontexteffekte und die Erwartungshaltungen auf beiden Seiten ein Rolle!

Je nach Voraussetzung kann sich ein
Placeboeffekt = positive Veränderungen des subjektive Befindens, messbare Verbesserung spezifischer klinischer Symptome die nicht auf einen spezifischen Wirkstoff, eine spezifische Behandlung oder Spontanremission zurückzuführen sind

oder ein
Noceboeffekt = negative Veränderungen des subjektiven Befindes, messbar erhöhte Ausprägung spezifischer klinischer Symptome die nicht auf einen spezifischen Wirkstoff oder eine spezifische Behandlung oder krankheitsbedingte Zustandsverschlechterung zurück zuführen sind

ergeben.
Diese werden auch bei Verumbehandlungen wirksam und können diese verstärken, abschwächen oder ggf. (je nach Verum und Ausgangslage) unwirksam machen.
Für Placebo- / Noceboeffekte gibt es verschiedene Auslösemechanismen und auch viele sogenannte Non-Responder / Non-Reaktor, also Menschen die nicht auf Placebo ansprechen.
Siehe z.B.: „The Placebo“ von Franklin G. Miller (2013)

http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3130397/
The placebo response in clinical trials: more questions than answers

Ich poste nochmal dieses Video, weil es auf so unterhaltsame Weise den Noceboeffekt erklärt...
This Video will hurt (wie Noceboeffekte entstehen)

und eins über den Placeboeffekt
The strange power of placebeffect

Als Placebo definiere ich den Effekt, der durch eine reduktionistische Weltsicht nicht erklärt werden kann. Das kann Selbstheilung, aber auch Geistheilung, etc. miteinschliessen, wobei diese Aufzählung nicht als abschliessend zu betrachten ist.

Ich weiß nicht genau, was Du unter einer „reduktionistischen Weltsicht“ verstehst.
Aber der Placeboeffekt kann, genau so wie der Noceboeffekt, mit wissenschaftlichen Methoden untersucht und erklärt werden.
Gerade in der verlinkten „Reizdarm“-Studie und der „Creme“-Studie geschah das recht eindrucksvoll.
Ich gehe davon aus, dass die Vergleichsgruppe Leute ganz ohne Creme waren.
https://www.researchgate.net/profil...nformation/links/5601209508aeba1d9f84edbb.pdf
Opposite effects of the same drug: Reversal of topical analgesia by nocebo information
Falls Du diese Studie damit meinst, hier gab es eine Verum-, eine Placebo- u. eine Kontrollgruppe.
Sie ist insgesamt ziemlich gut gemacht mit interessanten Ergebnissen!
In den Verumgruppen (anästhesierendes Hautgel EMLA) gab es
EMLA
EMLA reduced Info
EMLA Nocebo

weiters gab es zwei Gruppen mit einem Hautgel ohne Wirkstoff
Placebo
Nocebo

und eine Kontrollgruppe ganz ohne Hautgel und ohne weitere Informationen

EMLA und Placebo erhielten die gleichen positiven Informationen über die schmerzstillende Wirkung.
EMLA reduced Info erhielt lediglich Informationen, dass ein Wirkstoff geprüft würde
EMLA Nocebo und Nocebo erhielten die gleichen die gleichen negativen Informationen, dass das Gel den Schmerzreiz verstärken könne.
Die Kontrollgruppe blieb ohne Gel und daher ohne Information über etwaige Wirkungen.

Wie Du auf Seite 19 in der Ergebnisübersicht siehst führte EMLA zur stärksten Schmerzreduktion, gefolgt von EMLA reduced Info und danach Placebo.
Fast erwartungsgemäß verstärkte Nocebo die Schmerzwahrnehmung. Für mich überraschend ist, wie sehr die negative Information in der EMLA Nocebo Gruppe die Schmerzwahrnehmung verstärkte!
Aus anderen Studien ist allerdings mittlerweile bekannt, dass gerade im Bereich Schmerz Placebo- u. Noceboeffekte starke Wirkung entfalten können.

Aus meiner Sicht ist der Placebo Effekt keine fixe Größe, in dem Sinn, dass er in Art und Umfang verlässlich "verorden- od. auslösbar" wäre. Das Eintreten hängt von vielen Faktoren ab, die sowohl in der Umgebung, dem Behandlungskontext, der Erwartungshaltung, psychischen Faktoren wie Angst, der Art und Dauer der Erkrankung, der Interaktion mit den BehandlerInnen uäm. liegen.
Je nach Ausgangslage gibt es auch eine erkleckliche Anzahl an Non-Respondern.
Er kann also nicht wie ein Medikament oder eine spezifische Behandlung eingesetzt werden, aber er beeinflusst diese Maßnahmen! Und wenn es blöd läuft entsteht ein Nocebo-Effekt.

Bei Wirksamkeitsstudien ist dem unbedingt Rechnung zu tragen, was, wie Enck et. al. (2011) zeigten, je nach Studiendesign ziemlich schwierig und herausfordernd wird.
Auch beim alltäglichen klinischen Umgang mit PatientInnen wird und muss dieser "Effekthintergrund" berücksichtigt werden.
 
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