Ich hab letztes Jahr einen erwachsenen Menschen bei dem ADHS diagnostiziert wurde kennengelernt oder kennenlernen dürfen. Ich kann mir nicht vorstellen (was nichts heißt, aber trotzdem), dass das bei ihm sozusagen "fabriziert" wurde. Er hat dann auf Station auch nach einer Zeit Ritalin bekommen.
Er war ohne zwar ziemlich aufgedreht, hat aber laufend was Schönes für andere gemacht. Also war auch sehr kreativ. Ich hab da eher den Eindruck dass das einen anderen Hintergrund hat oder haben könnte. Ich weiß aber leider nicht, ob er das von Geburt an schon so hatte. Letztendlich war er auch wegen was anderem da.
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...wenn jemand "aufgedrehter-energievoller" als die Masse ist, dabei auch noch intelligent und kreativ und sensibel...paßt das nicht wirklich in die Gesellschaft, wo doch die meisten mit dem Strom schwimmen...weil ja die Ärzte alle so was von studiert sind..tja..die guten Götter in weiß..
Ritalin Ich bin ein Zombie, und ich lerne wie eine Maschine
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Der Körper gewöhnt sich an den Ritalin-Putsch
Ich frage den Frankfurter Moralphilosophen Marcus Willaschek. »Es gibt einen Unterschied zwischen Sport und Wissenschaft«, sagt er. »In der Wissenschaft geht es nicht um das Gewinnen, sondern um Erkenntnis. Jemand, der dopt, nutzt also der Wissenschaft, weil er die gemeinsame Sache voranbringt. Anders ist es in Prüfungen, weil Noten nach der durchschnittlich erwartbaren Leistung vergeben werden. Wenn Prüfungskandidaten dopen, verschlechtern sich mittelfristig die Noten derjenigen, die nicht dopen. Das ist ähnlich unfair wie im Sport.«
Da hat er recht. Nur: Kann ich es mir leisten, mich daran zu halten? Kann ich meinen Kommilitonen trauen? Sie würden an meiner Stelle dasselbe tun, oder? Und ist ein Spickzettel nicht auch Doping - ein erschlichener Vorteil? Der Ehrliche ist doch immer der Dumme, oder nicht?
Nachdem mir klar wird, dass ich durch einen Spickzettel immerhin niemand anderen dazu zwinge, sich selbst mit Psychopharmaka aufzuputschen, beschließe ich, etwas zu finden, das harmloser ist als Ritalin. Ich erzähle meiner Apothekerin von den Problemen beim Lernen. Sie schaut mir über ihr Brillengestell hinweg lange in die Augen und verkauft mir schließlich Koffeintabletten für den Tag und Baldriantropfen für die Nacht. Ich beschließe eine Doppelstrategie: Alle zwei Tage nehme ich Ritalin, dazwischen Koffein, Baldrian und Vitamintabletten.
An den Koffein-Tagen ist die Bibliothek für mich ein sehr trauriger Ort, Neurologen nennen das den »Rebound«. Mein Körper ist an den Ritalin-Putsch gewöhnt und vermindert vorsorglich seine Leistungsfähigkeit. Das Koffein macht mich zwar wach, aber schon das Lesen einer ganzen Buchseite fällt mir schwer. Die Ritalin-Tage hingegen sind intellektuelle Feuerwerke, fast Orgien der Schaffenskraft. Ich fange an, die Ritalin-Tage zu mögen. So sehr, dass mir der Gedanke, dass dieser Selbstversuch einmal zu Ende sein wird, gar nicht gefällt. Ich mag das Euphoriegefühl, das Ritalin mir verschafft, und die Leistung, zu der ich dadurch imstande bin. Ich gefalle mir, wenn ich Ritalin genommen habe.
Das Vertrackte an Medikamentensucht: Man verpasst den Zeitpunkt, an dem man die Kontrolle verliert. Meine Tabletten gehen zur Neige. Ich suche nach einem Vorwand, mir noch ein Päckchen zu besorgen, und rufe jemanden an, der ein »Gehirndoping« dann und wann befürwortet.
Der Zukunftsforscher Sven Gábor Jánszky sagt: »Es ist ungerecht, wie ungleich wir geboren werden. Warum wollen wir es jemandem verbieten, der von Geburt wenig intelligent ist, sich mit Pillen ein kleines bisschen schlauer zu machen?«
Zum Beispiel wegen der Nebenwirkungen?
»Viele Menschen nehmen Substanzen, die dem Körper auch schaden, Koffein, Nikotin. Diese Menschen entscheiden für sich, dass der Schaden kleiner ist als der Nutzen.«
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