Phänomene der Relativität selbst erleben

Nasfiler

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Wir sind in der Lage, durch einfache Betrachtungen unser Bewusstsein so zu erweitern, dass sich uns so manches Phänomen plötzlich erschließt.
Als ich einmal während eines militärischen Manövers auf einer Beobachtungsanhöhe stehen und zusehen durfte, bot sich mir ein ziemlich überraschendes Bild von viel zu langsam dahinfliegenden Leuchtspurgeschossen. Wesentlich mehr als eine banale Wurfgeschwindigkeit schien diese hell leuchtende Munition aus meiner Perspektive dabei nicht zu erreichen. Ich empfand dieses Erlebnis damals als so ungewöhnlich, dass ich von da an Überlegungen anstellte und – unter anderem - zu folgendem Schluss kam: Ich stand insgesamt 400 Meter vom Geschütz entfernt - dabei etwa 100 Meter höher - und dieses feuerte auf das Übungsziel, welches sich in 1500 Meter Entfernung befand. Das Projektil fliegt dabei extrem schnell - weit über 2000 km/h – und benötigt dennoch über zwei Sekunden für diese Strecke. Aus meiner Perspektive aber war derselbe Weg, den das Geschoß zurücklegen musste, komplett überschaubar – und deswegen galt das auch für die Geschossgeschwindigkeit.

Ähnliche Erlebnisse hat wohl der Eine oder Andere schon einmal gemacht, beispielsweise sehen sogar objektiv schnell fahrende Autos aus wie langsame kleine Spielzeuge, wenn man - z.B. von einer Seilbahn aus - nach schräg unten sieht. Man fragt sich unweigerlich, ob es das Auto noch bringt. Andererseits: Stellen wir uns mal neben eine Autobahn. Oder: war jemand schon mal während der WM an der Kandahar in Garmisch gestanden? Oder bei Euch in den österreichischen Bergen. Die schier unglaublichen - und so direkt erlebt - unwirklich erscheinenden Geschwindigkeiten, welche die Profiskifahrer in der Abfahrt erreichen (eben Autobahngeschwindigkeit), kann und will das Fernsehen nicht wiedergeben. Wahrscheinlich hat auch deshalb kaum jemand Mitleid mit den skifahrenden Damen und Herren. Aber im Fernsehen sieht man dafür halt auch was von den Fahrern, und hört nicht nur eine halbe Sekunde ein Zischen, Scharren und Kratzen. Das war es dann. Den Kopf kann man gar nicht mehr als einmal so schnell drehen, ohne noch am Abend beim Chiropraktiker vorstellig zu werden, und bei Geschossen versucht man es auch besser nicht. Und wie ist es erst bei noch höheren Geschwindigkeiten?
Wenn man diese Geschwindigkeiten auch verstehen und sehen will, lassen sie sich ebenfalls auf diese einfache Weise – nämlich der Distanznahme - begreifbar machen. Sogar jene, die im Verdacht steht, weit jenseits des menschlichen Verständnisses zu liegen. Es ist die Rede von der so genannten Lichtgeschwindigkeit.
Um auch diese Herausforderung mental zu packen, müssen wir hierzu wieder nur den Abstand vergrößern, und auch das ist realistisch und bereits geschehen: Auf der Raumstation ISS wurde ein Laserstrahl technisch beobachtet, der, von der Erde ausgehend, auf eine Mondsonde in 385.726 Kilometer Entfernung gerichtet wurde. Macht immerhin 1,29 Sekunden, die das Licht für diese Strecke braucht. Im Skisport sind das Welten. Was noch großartiger ist: es ist möglich, den Strahl wachsen zu sehen, wenn man die richtige Perspektive und Distanz einnimmt und die Möglichkeit hat, auf der ISS oder sonstwo im Weltraum zu weilen. Und wenn nicht, stellt man diesen Versuch anschaulich (z.B. für Kinder) in einem guten Astronomiebuch nach (Mond in der einen Ecke, Erde in der anderen. Dann mit dem Finger in einer guten Sekunde quer über die Seite(n) streichen). Ist diese höchste Geschwindigkeit also nun langsam oder schnell? Das lässt sich nun gar nicht mehr beantworten, in jedem Fall ist sie keineswegs unvorstellbar. Ergo: Geschwindigkeit ist tatsächlich Ansichtssache.

Eine noch größere Projektionsfläche bietet uns die Zeit. Da sie nur in bestimmten Bereichen unserer Welt und damit objektiv im Grunde gar nicht existiert, ist sie schon mal per se ein sehr subjektives Phänomen. Gut, um fünf ist Feierabend, wir gehen alle nach Hause oder sonst wohin. Jedoch lässt sich die subjektive Wahrnehmung der Zeit bis dahin verändern – und zwar wirklich. Spürbar. Selbst wenn wir den ganzen Tag frei haben. Rechnen wir mal kurz: Wenn wir ungefähr 16 Stunden am Tag wach sind (und viel mehr sollten es nicht sein), haben wir 60.000 Sekunden am Stück zur Verfügung. Jeden neuen Tag übrigens. Und jede lange eine Sekunde ist die Zeit, in der wir gemächlich „Einundzwanzig“ sagen können. Oder eben gemütlich zählen, wenn wir das vorziehen, von eins bis sechzigtausend, beziehungsweise jemanden beauftragen, der dies für uns - nebenstehend – macht, damit wir endlich wieder merken, wie viel Zeit wir eigentlich (noch) haben. Zur Not tut es auch ein Computer oder ein Tonband. Beginnen wir mal testweise. Nachdem bis 2.000 gezählt wurde, sind – statt einer guten halben - gefühlte zwei Stunden vergangen. Manche Probanden bekommen gar das Gefühl, zwischen 12.000 und 45.000 eben mal mit der Familie entspannt in den Skiurlaub fahren zu können. Wenn man heimkehrt, bleiben immer noch um die 15.000 Zähler und damit genügend Zeit, in aller Ruhe Haus und Büro aufzuräumen, liebevoll ein schönes Abendessen zuzubereiten, anschließend die Kinder ins Bett zu bringen, schließlich noch eine Meditation und dann noch mit dem Partner… Probieren wir es doch! Das Lesen dieses Textes kostete uns nur 240 Zähler. Daher stammt auch der Begriff bezahlen. Zählen, bitte! Denn: unsere Zeit hier ist kostbar.
 
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Wie wunderbar. Danke für diesen Text.

Habe mir mal folgende Frage gestellt:

Ich bewege mich mit V=X
Die Erde dreht sich mit V=X
Die Sonne bewegt mit unserer Galaxis mit V=X
Usw.

Ich weiß, Geschwindigkeiten lassen sich nur bis ~ C addieren.
Und dennoch...
 
Hallo Nasfiler

Wir sind in der Lage, durch einfache Betrachtungen unser Bewusstsein so zu erweitern, dass sich uns so manches Phänomen plötzlich erschließt...

Du sagst, das wir in der Lage sind durch einfaches Betrachten unser Bewusstsein zu verändern, ich gehe einen Schritt weiter. Wenn wir erkennen das durch verschiedene Betrachtungen oder anders gesagt Blickwinkel, sich unser Bewusstsein verändern kann und wir erkennen das es nict nur einen Blickwinkel gibt, können wir verstehen, dass wir durch das bewusste verändern des Blickwinkel auch bewusst unser Empfinden verändern können.

Verändern wir unser Empfinden, wird sich unsere Welt verändern --- und wenn wir erkennen und verstehen, können wir unsere Welt bewusst so verändern, wie wir es uns wünschen.

Phänomene der Relativität selbst erleben --- oder anders gesagt, die eigene individuelle Realität in Relation zum Bewusstsein selbst zu verändern, das ist phänomenal.
 
Wie wunderbar. Danke für diesen Text.

Habe mir mal folgende Frage gestellt:

Ich bewege mich mit V=X
Die Erde dreht sich mit V=X
Die Sonne bewegt mit unserer Galaxis mit V=X
Usw.

Ich weiß, Geschwindigkeiten lassen sich nur bis ~ C addieren.
Und dennoch...

Das ist richtig, Reinsch (bedeutet das REIN mathematiSCH?). Dennoch: V1(Ich)+V2(Erde)+V3(Sonne)+V4(Galaxie) ergibt noch lange nicht C (Lichtgeschwindigkeit).
Mittlerweile kann man auf akademischer Ebene gefahrlos behaupten, daß es auch höhere Vs gibt als C.

Liebe Grüße
Nasfiler
 
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Reinsch bedeutet:

Bart ruft in MOE`s Taverne an: "Ich hätte gerne reinsch gesprochen."
Moe zu den Gästen: "Ist hier einer der reinsch heißt?"

Rein(sches) Gedankenexperiment.

Die Umlaufgeschwindigkeit der Sonne um das Zentrum der Milchstraße ≈ 270 km/s.

Unsere Umlaufgeschwindigkeit um die Sonne: 30,9 Km/s

Manche Galaxien entfernen sich (oder wir uns) mit 6500km/s von uns weg

Usw.

Auf dieses usw. kommt es mir an und darauf, wie unsere Wahrnehmung eingeschränkt ist.

Auch wenn die Werte weit von C entfernt sind, so kommt doch einiges zusammen.

Ich denke dabei analog an das:

Mathematisches_doppelpendel.gif


Was passiert mit uns, wenn unser Bezug zu den sich bewegenden Dingen einer ständigen Veränderung unterworfen ist.

Wie gesagt, nur so ein Gedanke.
 
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