Petter

L

Lincoln

Guest
Petter 1 (loslassen)

Hallo. Die letzten Tage waren etwas wirr. Das hast du sicher mitbekommen. Und so kam mir eben der Gedanke, ich könnte ja einfach mal mit dir darüber reden. Ist ja keiner mehr da, mit dem das ginge. Sie sind fort wie du. Warum jetzt? Tja, mehrmals kam der Sinn auf, dass losgelassen werden soll. Auch ich müsse dich loslassen. Nur, wozu, das wird verschwiegen. Es kommt da keine sinnvolle Antwort. Weshalb soll ich dich loslassen, damit es einem anderen geistig gut geht? Dieser Sinn entzieht sich meinem Verständnis. Ich sehe gerade vor mir, wie du damals im Dunkeln mit dem Datsun ein Reh angefahren hattest. Vielen anderen, denen ich später begegnet bin, wäre das wurscht gewesen. Doch nicht dir. Dir hatte es richtig leid getan. Du hast empfunden. Gefühle gezeigt für dieses Reh. Und das war ein Teil der Sonne, die du für mich in meiner Kindheit gewesen bist. Weshalb soll ich das loslassen? Irgendwann, wenn ich das noch erlebe, wird sich deine Sonne in eine andere Sonne für mich transformieren, und das ganz natürlich ohne zwanghafte Vergeistigung. Doch bis dahin wirst du bei mir bleiben. Du warst ein guter Mensch, der mir immer auf meinen Irrwegen ein Flugplatz gewesen ist. Ist es so schlecht, dass ich dich vermisse? Ist das ein Übel? Ok, mit deinem Abflug ist die Tür zu Damals verschlossen worden, doch ist das ein Grund, dich verbannen zu müssen? Nein. Weshalb sollte ich leer durchs restliche Dasein schreiten? In Kürze bist du 7 Jahre verschwunden. Die 11 Jahre, die ich dich nicht mehr gesehen habe, wären bestimmt schon 50 Jahre vom Gefühl her, älter als ich selbst bin, wenn ich dich losgelassen hätte. Viele reden aktuell vom Hier und Jetzt. Und du bist im Hier und Jetzt. Wenn mir jemand sagt, dass ich Jesus loslassen soll, den ich nie gesehen habe, dann doch nur, um mir einen anderen Glauben aufzuschwatzen. Und wenn ich dich loslassen soll, den ich nicht nur gesehen habe sondern der du mir der wichtigste Mensch im Leben warst, dann ist dies doch nicht viel anders. Grade Gefühle sind doch in unserer Zeit wichtiger denn je. In unserer aktuellen Zeit, wo der Mensch zur Nr degradiert worden ist und jeder jeden kontrolliert zu beobachten sucht. Ok, wir reden später weiter. Ach ja, ich mach mir jetzt n Kaffee, und ich kann dir ruhig sagen, dass ich deinen Früchtetee ebenso vermisse. Ich hab nie jemanden getroffen, der ihn so macht wie du. Bis später.
 
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Petter 2 (Die erste Todsünde)

Hey, das muss ich heut noch erwähnen, weils mir grade in den Sinn kommt. Da wird gern davon gesprochen, dass man über den Dingen stehen soll. Steh drüber. Lass es nicht an dich ran. Dann kratzt es dich nicht, berührt dich nicht. Es wirft dich dann nicht um, bringt dich nicht zu Fall. Weißt du, was mir dazu einfällt? Hochmut. Das ist ja eine der sogenannten Todsünden. Ich sag ja Sucht dazu, weil einmal von befallen, nur schwer von abzukommen ist. Es bedarf da mehr als Training oder den schlichten Kopfbefehl, jetzt nicht mehr. Und dieses Ratgeben, über den Dingen zu stehen, ist doch eine Verführung. Da wirst du zum Hochmut verführt, verführt zur Todsünde. Des Menschen Aufgabe im Leben ist es doch eigentlich, sich irgendwie ins Mittelmaß zu bringen, um gesund zu sein oder zu werden, also den 0 Punkt aller Todsünden zu erreichen, doch da wird kehrwertig geraten, sich unter den Schirm des Hochmuts zu begeben. Ist doch Irrsinn, oder? Vielleicht, weil der Hochmut, die am schwächsten zu erkennende Sünde ist und zugleich, die am stärksten behaftete, wenn sie einen mal am Wickel hat? Wäre nicht das authentische Sein eher ein Rat, den man geben könnte? Die unbewussten Auswirkungen vom Hochmut sind ja dann, mir passiert schon nix, das mach ich mit links, ich hab alles im Griff, bin bestens gerüstet, unbesiegbar, unbezwingbar, der Gefahr angstlos ins Auge zu trotzen. Und wenn dann der große Fall kommt, ist der Schmerz beim Erwachen daraus viel größer als er gewesen wäre, wenn man sich nicht hätte verführen lassen, über den Dingen zu stehen. Die kleinen schmerzlichen Empfindungen, die einem die Lebendigkeit spüren lassen.
 
Petter 3 (Der rosane Gummiring)

Weißt du Petter, kürzlich hatten wir hier das Thema mit einer Traumdeutung. Das hatte mich voll erinnert an Ostern, damals als wir bei dir auf Besuch waren. Ich musste diese schreckliche Hose anziehen, diese dunkelgraue anthrazit gestreifte Stretch, die dauernd am beißen war, wenn ich mich bewegte. Zum Glück hattest du dieses Buch da von der unendlichen Geschichte. So dass ich wenigstens lesen konnte, auf deinem Sofa, während ihr euch im erwachsenen Kauderwelsch im Nebenzimmer unterhalten habt. Doch dieses Ostern war auch das Wochenende von Christiane, an die du dich später nicht mehr erinnern konntest. Doch ich, ja, ich erinnere mich auch jetzt noch an sie. Christiane. Mmmmh. Ich hab mir so oft gewünscht, sie eines Tages wieder zu sehen. Hab auch nach ihr gesucht. Doch nichts. Es war unmöglich, sie ausfindig zu machen. Weil wir Kinder wie üblich die Klappe halten mussten, wenn der Alte in seinem Herrscherwahn regierte, gab es keine andere Möglichkeit als mit dieser Christiane in Kontakt zu kommen. Sonst wäre sie mir nicht wirklich nah gekommen. Dadurch, dass wir begannen, uns zu unterhalten, anschließend auch gewisse Brettspiele mit den anderen Kindern machten, und wir die zwei Ältesten waren, kam dieses kleine Kennenlernen zustande. Als sie später mit ihrer kleinen Schwester und Anhang aufbrechen musste und ins Auto stieg, hielt sie ihren Arm aus dem Fenster, öffnete ihrte Hand und sagte "Zur Erinnerung an mich". Es war ein rosaner Gummiring. So einen wie man ihn beim Eintüten für Gefriersachen benutzte. Ich hab ihn sehr lange an meinem linken Arm getragen, bis er eines Tages riss und kaputt ging. Dieses Mädchen zählt auch zu jenen, die ich nur 1x an einem Tag gesehen habe und danach nie wieder und doch so eine starke intensive Erinnerung in mich eingebrannt hat als würde ich sie viele Jahre gekannt haben. Das ist jetzt 26 Jahre her. Normaler Weise wäre eine solche Begegnung längst vergessen, deshalb muss es irgend etwas geben, weshalb das nicht der Fall ist. Und es muss esoterischer Natur sein.
 
Petter 4 (Insel tauschen)

Mir kam da der Gedanke, dass, wenn ich nur 1x Gott spielen dürfte, gar nicht viel machen würde. Ja. Nur einen einzigen Eingriff. Kannst du dich noch dran erinnern als ich mit dir in der Anskarkirche in Wetzler war? Nach diesem Gesinge von Lobpreis und Co hieß es, dass jeder, der sich danach fühlt, etwas in die Stille hinein sagt, was ihm grad ins Herz strömt. Ich hab das gar nicht gemacht sondern wie meistens aus der Reihe getanzt. Und trotzdem kam, als ich mit meinem fertig war, am Ende der Zeremonie eine Frau voll verweint auf mich zu und sagte "aus dir hat Gott gesprochen, danke". Ich war so perplex verdattert, dass ich das mit dir erörtern musste. Was hatte ich denn groß getan? Doch nur ein Lied in Sprechweise aufgesagt, dass Roy Black 1984 gesungen hatte. Schwarzer Engel. Das ist keinem von ihnen aufgefallen, nicht mal dir. Erst als ich es dir sagte, konntest du es einordnen. Tja, und genau das würde ich tun. Die weiße Insel Grönland herausheben und als "Grömibia" dort hin setzen, wo jetzt Namibia in Afrika ist. Und an die Stelle, wo Grönland sich befindet, würde ich Namibia als "Namiland" hinsetzen. Mehr nicht. Und dann würde ich meine Sachen packen und nach Namiland reisen und dort meine restliche Zeit auf Erden verbringen. Auf die warme Insel Namiland, das neue kleine Eden. Natürlich geht das nicht, ist ja klar. Dennoch glaube ich, dass ich von nun an öfters an dieses Bild denken werde. Und auch Grömibia nicht aus den Augen verliere, denn etwas Abkühlung hat Afrika durchaus verdient.
 
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Petter 5 (Dieser verdammte Krebs)

Ach Petter, dieses Thema ist mir so abscheulich, dass ich fast keine Worte dafür finde und mir jeder Gedanke im Halse stecken bleibt und nur mit Mühe, mich damit auseinander setzen mag. Anfangs hörte ich nur davon und es war weit weg von mir, damals als die erste Bekannte, eine Patentante meines zweiten Bruders daran starb. Das war Leukämie, dieser Blutkrebs. Und doch war es nur der zweite von vielen. Der allererste war der Typ, von der Eisenabholung, der immer mit seinem LKW vorfuhr um das Alteisen abzuholen. Der hatte Kehlkopfkrebs und sprach durch so ein Metallröhrchen, so ein Teil, dass der Bruder von Lordrichter Sharingham aus Silas nutzte, um beim Hängen nicht zu sterben. Und dann der dritte Fall als du mich gebeten hattest, mit zu kommen, weil dein Freund mit Krebs im Krankenhaus lag. Und ich nicht wollte, weil du beschriebst, dass der Krebs sein Gesicht angefressen hatte. Ich hab ja in Beitrag 1781 davon erzählt als ich mich von Crossy verabschiedet habe. Und dann starben auch noch kurz hintereinander der zweite Pate meines Bruder und seine Frau gleich etwas später ebenfalls. Wieder beide an Krebs. Und bis auf Opa sind alle und auch du an diesem verdammten Krebs gestorben. Selbst Jutta, die Frau von Klaus starb 2006 an unerkanntem Muttermalkrebs. Petter, Petter, wenn Krebs doch nur EINE Krankheit wäre, so wie Masern oder Keuchhusten, oder meinetwegen Diphterie. Doch der Krebs hat so viele verschiedene Arten, nicht nur Sorten, dass es mich ankotzt, euch alle an diesen Krebs verloren zu haben. Auch ich werde mich wohl euch einreihen, wenn meine Zeit gekommen ist. Deshalb hab ich mir eins geschworen, ich werde mir keine Diagnose abholen, wenn ich gehen soll, dann gehe ich, denn ich werde nicht diese Chemo Tortour mitmachen und aussehen wie ne Vogelscheuche. Ich werde einfach gehen.
 
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