Paul Ekman

L

Lincoln

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Die 7 Grundemotionen


Ein Interview mit SZ


SZ: Guten Tag, Herr Professor, wie geht es mir?

Paul Ekman: Gut. Ein wenig müde, aber ansonsten geht es Ihnen prima.

SZ: Danke. Und Ihnen?


Ekman: Bestens, aber ich brauche jetzt erst mal einen Whisky! Ich habe den ganzen Tag in Hollywood verbracht, als würde ich die Horror-Geschichten darüber, was die in Hollywood mit der Wissenschaft anstellen, nicht kennen.

SZ: So schlimm?

Ekman: Nein, es macht mir großen Spaß. Aber die haben natürlich von Wissenschaft wirklich keine Ahnung.

SZ: Dr. Cal Lightman, Hauptfigur in der neuen Fox-Serie "Lie to me", ist der weltbeste menschliche Lügendetektor. Er arbeitet wie Sie für FBI, CIA und Anwaltsfirmen. Basiert die Figur auf Ihnen?

Ekman: Ich habe den Autoren tatsächlich erlaubt, alles vom beruflichen Paul Ekman zu verwenden, aber nichts vom privaten. Dieser Cal Lightman ist ein arroganter Schnösel, ich nicht. Er lügt, ich nicht. Er ist geschieden, ich bin seit über dreißig Jahren glücklich verheiratet.

SZ: Es ist ein wenig beunruhigend, einem Menschen gegenüberzusitzen, dem man nichts vormachen kann.

Ekman: Haben Sie denn etwas zu verbergen? Keine Angst, ich kann keine Gedanken lesen. Ich sehe, wie Sie sich fühlen. Aber was hinter Ihren Gefühlen steckt, das weiß ich natürlich nicht.

SZ: Das lässt einem trotzdem nicht viel Privatsphäre.

Ekman: Mir entgeht kein Gesichtsausdruck, aber das bedeutet nicht, dass ich Sie auszähle. Wenn meine Frau mir mit ihrem Gesichtsausdruck signalisiert, dass sie etwas verbergen will, spreche ich sie nicht darauf an. Nur wenn ich denke, dass es etwas mit mir zu tun hat, frage ich leichthin: 'Alles in Ordnung, Liebling?'

SZ: Warum ist es für Sie so einfach, im Gesicht eines anderen zu lesen?

Ekman: Es sind nur 43 Muskeln, mit denen wir mehr als 10.000 Gesichtsausdrücke erzeugen können, und ich habe alle gesehen. Ich bin bis Papua-Neuguinea und auf alle Kontinente gereist. Es gibt keinen Ausdruck, den ich nicht kenne.

SZ: Mit einem Kollegen haben Sie fast acht Jahre lang damit zugebracht, jeden einzelnen dieser Gesichtsausdrücke anzunehmen, zu fotografieren und zu codieren!

Ekman: Und wenn wir einen Ausdruck wirklich nicht selbst erzeugen konnten, sind wir zu Ärzten nebenan gerannt; die haben uns dann eine Akupunkturnadel an die entsprechende Stelle gesetzt. Manche Ausdrücke sind extrem schwierig. Sehen Sie, wenn Sie zum Beispiel die Mundwinkel so zusammenpressen und den Unterkiefer nach vorne schieben . . .

SZ: Sie meinen . . . so?

Ekman: Uh, Sie sehen sehr, sehr wütend aus, hören Sie auf! Das Überraschendste an unserer Arbeit war die Feststellung, dass manche Gefühle erst entstehen, weil man einen bestimmten Gesichtsausdruck aufsetzt. An Tagen, an denen wir stundenlang wütende oder depressive Ausdrücke übten, mussten wir uns eingestehen, dass es uns miserabel ging. Wenn wir auf unseren Gesichtern Glück und Zufriedenheit simulierten, waren wir anschließend tatsächlich bester Laune.

SZ: Also funktioniert der Trick, sich selber anzulächeln, wenn man miesepetrig ist?

Ekman: Wenn man bestimmte Muskeln im Gesicht aktiviert, ruft man damit die gleichen Veränderungen im Nervensystem hervor wie das entsprechende Gefühl. Schauspieler kennen das. Stanislawski, der Theaterpädagoge, hat immer gesagt: 'Mach' die Geste, das Gefühl folgt nach.'

SZ: Sie haben bei Ihren Forschungen die Mikroausdrücke entdeckt, also flüchtige, unbewusste Gesichtsausdrücke, die einen verraten, auch wenn man sich beherrscht. Wie lange bräuchte ich, um sie von Ihnen zu lernen?

Ekman: Für den Grundkurs? 40 Minuten. Das hat mich selbst überrascht. Am Anfang, als wir Richter, Polizisten und Staatsanwälte getestet haben, waren die im Gesichterlesen keinen Deut besser als normale Menschen, alle haben nur geraten.

Nach einer Stunde Training aber stieg ihre Trefferquote auf 50 oder 60 Prozent. Wir haben heute Virtuosen, die sogenannten Hexenmeister, die kommen auf 96 Prozent. Meistens sind das Menschen, die besonders hoch motiviert sind, weil ihr Überleben von so einer Situation abhängen könnte, zum Beispiel Geheimdienstler.

SZ: Ist Lügen jemals gerechtfertigt?

Ekman: Natürlich. Ich habe eine Goldene Regel, wann es erlaubt ist zu lügen. Wenn meine Frau und ich von einer Party zurückkommen und meine Frau fragt: ,Gab es Frauen auf der Party, die du attraktiver fandest als mich?' - dann sage ich selbstverständlich nicht: ,Klar, diese Blonde.' Sondern: ,Natürlich nicht, Liebling!' Ein fiktives Beispiel, denn meine Frau ist zu intelligent, um so dumme Fragen zu stellen. Entscheidend ist die Überlegung: Wenn meine Partnerin herausfindet, dass ich sie angelogen habe - würde sie sich verletzt und ausgenutzt fühlen und mir nie wieder vertrauen, oder würde sie verstehen, warum ich das getan habe?

Insgesamt 5 Seiten zu: Mir entgeht kein Gesichtsausdruck
 
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Danke Jaques.

Die Serie wurde leider viel zu früh eingestellt, aber Tim Roth glänzt wahrlich als narzisstischer "Lügenenttarner". :umarmen:

Als ich mich mit dem Thema anfing zu beschäftigen, rüstete mein Göttergatte umgehend auf und las ebenfalls Ekman. Das war lustig, wie wir miteinander spielten und versuchten einander zu "lesen". :D
 
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