Pädagogik - Welche Form brauchen wir an unseren Schulen ? Drill oder Emphatie ?

Das halte ich für grob sinnbefreit. Bildung MUSS einfach bis zu einem gewissen Punkt zwingend und vorgeschrieben sein, sonst funktioniert es nicht. Nach der Matura/Abitur entscheidet man eh selbst, in welchem Maße man sich weiterbilden kann, auf der Uni haut das dann eh hin (bis auf minderwertige Lernunterlagen, mangelnde Ausnutzung der Möglichkeiten von e-Learning und die verfehlte Bildungspolitik, die sich schwer in den Prüfungen niederschlägt).

Aber in der Grund-/Mittelschule macht das absolut keinen Sinn. Ich hab mich damals durchgemogelt bis zum geht nicht mehr, faktisch nichts gelernt und keine Hausübungen gemacht, war oft nicht und manchmal nur betrunken oder anderweitig intoxiniert im Unterricht oder hab da gepennt. Trotzdem hab ich das Gymnasium mit Auszeichnung abgeschlossen.
Heute, als Student, seh ich das natürlich anders, mit reiferen Augen: Schule war absolute Zeitverschwendung für mich - und das, obwohl ich auf eine Schule gegangen bin, die als relativ "elitär" gilt. Meine Verhaltensweise aber war trotzdem Zeitverschwendung - könntichs nochmal machen, würd ich einfach zwei Klassen überspringen und mir den Stoff so reinziehen, dass ich gerade mal durchkomm. Aber damals hatte ich noch keinen Ehrgeiz dazu, gab wichtigere Dinge (Mädels, Alkohol, Fortgehn, Herumexperimentiern mit Drogen - kurz: pubertäre Lebenserfahrung sammeln, alles was dazugehört). Heute ist mein wichtigstes Ziel Entwicklung und Karriere. Heute denk ich mir: VERDAMMT! Wieso hab ich damals nicht mehr mitgearbeitet in Mathe? Ich wär echt gut gewesen in dem Fach!
Aber ich war sogar zu faul für eine Stunde pro Tag Schulbeschäftigung.

Das Problem ist, dass die meisten Jugendlichen in dem Alter keine echten "Interessen" haben außer denen, die ich vorhin aufgezählt hab. Das merkt man daran, dass sich alle freuen, wenn Englisch ausfällt. Das ändert sich im Studium - oder sollte sich zumindest ändern (bei mir wars so) - das liegt aber daran, dass jede Frucht Zeit zum Reifen braucht, und bildungsmäßig ist die pubertäre Phase durchschnittlich gesehen nicht gerade der Zenit der Motivation für Schulbildung. Die echten Interessen müssen sich in dieser Zeit erst herauskristallisieren.
Deshalb ist ein laissez-faire/antiautoritärer Unterricht in dieser Zeit sicher nicht gerade das Gelbe vom Ei.

Ja schwierig. Man braucht den Zwang wahrscheinlich dort, wo die Trägheit eines Schülers auszuufern droht ... und um damit seinen negativen Neigungen entgegenzuwirken. Also Schule und Erziehung.

Ich finde auch, dass ein gewisse Strenge notwendig ist. Ich glaube aber nicht, dass die innovativen Schulmodelle viel mit "Laissez-faire" zu tun haben, das ja "einfach laufen lassen" bedeutet und mit einer gewissen Gleichgültigkeit verbunden ist. Eher hat es etwas mit demokratisch zu tun, also mit selbst wählen können ... und mehr mit Aktivsein ... als mit Passivsein. Und Aktiv-Sein hat eine ganz andere motivationale Wirkung und du möchtest ja dann auch nicht vor deinen MitschülerInnen als Dumpfbacke dastehen, oder? ;)

Aber an deinen Zeilen sieht man wie schwierig es für LehrerInnen sein kann, wenn Schüler von sich aus nichts lernen wollen. Dann machen die Eltern womöglich der Lehrkraft den Vorwurf: "Sie haben mein Kind nicht motiviert!" Einem Freund von mir erging es mal so ...

Das ganze Bildungsgebilde ist äußerst komplex. Im Endeffekt spielt das gesamte Umfeld eine Rolle, wie gut unser Bildungssystem ist. So kann es auch sein, dass die Eltern ihren Verpflichtungen nicht nachkommen ... und ihren Kindern nicht verdeutlichen, wie wichtig Bildung für ihre Zukunft ist. Auch die Gesellschaft kann sich das nicht aus ihrer Verantwortung stehlen, und muss darauf achten ein positives Gesamtbild zu Schule zu vermitteln.

Interessant ist, dass z.B. mein kleiner Neffe noch sehr gerne in die Volksschule geht. Oder ich hab mir mal eine Schule in Delhi, Indien angesehen. Die Schüler dort sind total brav und gehen auch sehr gern zur Schule (7 - 14 Jährige hatten die glaub ich). Irgend jemand hat mir dann erzählt: Die Kinder wissen, dass Bildung ihnen Lebenschancen eröffnet. Bei uns scheint dieses Bewusstsein verloren gegangen zu sein ... und deswegen strengt man sich weniger an. Oder kommt erst später drauf ... und bereut dann ein wenig ... naja, da gings mir ähnlich :) Denke mir jetzt auch öfters, dass ich früher mehr lernen hätte sollen ... und dazu kommt noch der schlechte Unterricht so mancher Lehrkraft.

Da lässt sich an allen Seiten sehr viel verbessern. An den Unis lernt man inszwischen recht brauchbare Dinge der Unterrichtsplanung und -gestaltung.

lg
Topper
 
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Zum Thema noch ein schönes Zitat:

„Wie können wir von Demokratie oder Freiheit sprechen, wenn wir von Anbeginn seines Lebens das Kind dazu anhalten, Tyrannei zu erdulden und einem Diktator zu gehorchen? Wie können wir Demokratie erwarten, wenn ...wir Sklaven erzogen haben? Wirkliche Freiheit beginnt am Anfang des Lebens, nicht erst im Erwachsenenalter...." Maria Montessori aus "Erziehung für eine neue Welt".

HG Siegmund
 
Wir sollten einfach alle keine Kinder mehr bekommen und der letzte macht dann das Licht aus.

Unabhängig davon, dass ich da sowieso wohl nicht in die Situation kommen werde, frage ich mich schon ob ich die Welt und das Leben hier jemandem zumuten sollte. Ich bin kein Misanthrop (und irgendwo wäre es sicher auch traurig wenn es keine mehr geben würde), aber wenn ich von mir selbst ausgehe, und den Erwartungen die ich sowohl für meine als auch allgemein für die Zukunft habe, dann weiß ich echt nicht ob man das jemandem zumuten sollte. Man kann ja auch nicht vorher fragen. Wenn man nicht existiert stellen sich einem die 1000 Probleme gar nicht. Andererseits ist jetzt auch nicht alles schlecht, aber selbst dann ist es unausweichlich, dass man wieder loslassen muss. Ist halt tragisch.

LG PsiSnake
 
Na, mal nicht so pessimistisch. Wir leben in einer spannenden und (zumindest hier im Westen) geschichtlich einmalig friedlichen Zeit. Noch dazu in einem Wohlstand den sich vor 200 Jahren niemand hätte vorstellen können. Ich lebe lieber jetzt als im 30jährigen Krieg oder im Mittelalter.

Zum Thread:

Wir brauchen einen ganz neuen Bildungsbegriff. Unser Bildungssystem ist ergebnisorientiert. Nicht die Kinder sollten dem Lehrplan gerecht werden, sondern der Lehrplan sollte den Kindern gerecht werden.

Richtig gut sind wir nur im Demotivieren und Abtöten von Neugier und Kreativität. Es geht zu oft um die "richtige" als um die eigene Antwort.

Wir müssen weg von der Defizitorientierung die mit Noten und Auslese Schüler ständig an ihren Schwächen misst anstatt sie in ihren Stärken zu stärken.

Die Gehaltspyramide würde ich umdrehen. Am meisten sollten Erzieher/innen im Kindergarten sowie Grund- und Hauptschullehrer verdienen, denn sie leisten die pädagogisch anspruchsvollste und wichtigste Arbeit. Gymnasiallehrer sollten am wenigsten verdienen, denn sie sind vom Selbstverständnis her keine Pädagogen (gibt natürlich viele tolle Ausnahmen) sondern Fachdozenten.

Die Lehrpläne gehören um mindestens die Hälfte entrümpelt. Mehr Projektarbeit, keine 45-Minutentaktung mehr, kein Sitzenbleiben, keine Hausaufgaben, mehr echte Ganztagsangebote, mehr Praxisbezug. Und ich würde jede Gemeinde selbst entscheiden lassen welche Schulformen sie anbietet. Und den Schulen selbst wiederum größere Autonomie bezgl. Personal und Ausrichtung zugestehen. Kultusministerien kann man schließen. Die erschweren nur den guten Schulleitern vor Ort die Arbeit.

Kurz gesagt: Natürlich brauchen Kinder Grenzen. Aber sie brauchen auch Freiräume, Wärme und Verlässlichkeit. Drill bringt nur Reproduktion aber lässt Kreativität vertrocknen. Und von der leben wir.
 
Zitat:Na, mal nicht so pessimistisch. Wir leben in einer spannenden und (zumindest hier im Westen) geschichtlich einmalig friedlichen Zeit. Noch dazu in einem Wohlstand den sich vor 200 Jahren niemand hätte vorstellen können. Ich lebe lieber jetzt als im 30jährigen Krieg oder im Mittelalter.



Natürlich war es früher noch schlimmer.
Da wäre meine Ansicht auch kaum anders ausgefallen.
Frage mich aber wirklich ob das Sinn macht, jemandem den ganzen Salat aufzuladen. Das beruht sicherlich auf persönlichen Einstellungen und Erfahrungen, aber wenn ich wüsste, dass ich meinem potentiellen Kind meine
Probleme aufladen müsste, dann würde ich das wohl nicht machen. Ist zwar nicht alles mies gewesen, aber nicht zu existieren ist auch kein Verlust.
Wenn man erstmal existiert dann gibt es Sehnsüchte, Verantwortung usw. und
dann kann und will man nicht so einfach abtreten. Aber wer nicht existiert hat
auch keine Sehnsüchte und Verantwortung, die einen zum Weitermachen bewegen. Zudem würde das für mich ja auch bedeuten noch mehr Verantwortung zu haben, und eventuell mitzuleiden, wenn was ähnlich oder anders schiefgeht wie bei mir selbst. Naja, sollte ich mein Leben in den Griff kriegen, dann schließe ich das auch nicht mit Sicherheit aus, aber das steht ja in den Sternen.

LG PsiSnake
 
Na, mal nicht so pessimistisch. Wir leben in einer spannenden und (zumindest hier im Westen) geschichtlich einmalig friedlichen Zeit. Noch dazu in einem Wohlstand den sich vor 200 Jahren niemand hätte vorstellen können. Ich lebe lieber jetzt als im 30jährigen Krieg oder im Mittelalter.

Zum Thread:

Wir brauchen einen ganz neuen Bildungsbegriff. Unser Bildungssystem ist ergebnisorientiert. Nicht die Kinder sollten dem Lehrplan gerecht werden, sondern der Lehrplan sollte den Kindern gerecht werden.

Richtig gut sind wir nur im Demotivieren und Abtöten von Neugier und Kreativität. Es geht zu oft um die "richtige" als um die eigene Antwort.

Wir müssen weg von der Defizitorientierung die mit Noten und Auslese Schüler ständig an ihren Schwächen misst anstatt sie in ihren Stärken zu stärken.

Die Gehaltspyramide würde ich umdrehen. Am meisten sollten Erzieher/innen im Kindergarten sowie Grund- und Hauptschullehrer verdienen, denn sie leisten die pädagogisch anspruchsvollste und wichtigste Arbeit. Gymnasiallehrer sollten am wenigsten verdienen, denn sie sind vom Selbstverständnis her keine Pädagogen (gibt natürlich viele tolle Ausnahmen) sondern Fachdozenten.

Die Lehrpläne gehören um mindestens die Hälfte entrümpelt. Mehr Projektarbeit, keine 45-Minutentaktung mehr, kein Sitzenbleiben, keine Hausaufgaben, mehr echte Ganztagsangebote, mehr Praxisbezug. Und ich würde jede Gemeinde selbst entscheiden lassen welche Schulformen sie anbietet. Und den Schulen selbst wiederum größere Autonomie bezgl. Personal und Ausrichtung zugestehen. Kultusministerien kann man schließen. Die erschweren nur den guten Schulleitern vor Ort die Arbeit.

Kurz gesagt: Natürlich brauchen Kinder Grenzen. Aber sie brauchen auch Freiräume, Wärme und Verlässlichkeit. Drill bringt nur Reproduktion aber lässt Kreativität vertrocknen. Und von der leben wir.


Die Lehrpläne wurden oder werden immer noch durchgezogen ohne Rücksicht auf Verluste, die Lehrkörper stehen selbst unter Druck, der größte Blödsinn der Erschaffen wurde, sind die Ganztagsschulen damit bleiben noch mehr Schüler im Netz hängen, sie landen auf der Strasse ohne Perspektive, und die Zukunft bleibt damit mehr als offen.
Unsere Politik mauschelt nur was so alles für die Kinder auf die Beine gestellt wird, alles Phrasen sonst nichts.
Wer daran noch glaubt, hat den Blick für den Alltag verloren.
 
sehr gute Diskussion, die genau zum Thema passt:

Im Zentrum (ORF vom 20.02.11)

Die wichtigsten Erkenntnisse daraus:

- Disziplin und Liebe widersprechen sich nicht; es sind keine Gegensatzpaare, wie jemand vielleicht glauben möchte
- Disziplin ist positiv, Disziplinierung problematisch (gibt falsche Mittel)
- Disziplin und Durchhaltevermögen bedeutet, im Jetzt auf etwas zu verzichten, um in Zukunft einen Vorteil daraus erzielen zu können (Zielorientierung)
- Erzieher müssen auch Führen und Kindern/Jugendlichen klare Grenzen setzen. z.B. Es sollte fixe Zeiten geben, wann das Kind fernsehen darf.
- Es ist ganz wichtig, dass Erzieher uns die korrekte Lebensweise vorleben, was den Erziehenden als Vorbild dient
- Der Montesori-Ansatz basiert auf dem positiven Grundsatz, dass jeder Mensch ein intrinsisches Verlangen (aus sich selbst heraus) hat, Neues zu erlernen. Aber auch in Montesori-Schulen geht es sehr diszipliniert zu und es gibt Regeln und fixe Vorgaben (=> zur Schaffung eines optimalen Lernklimas)
- ABER (das sagt der Professor richtig): Nicht immer wollen die Schüler aus sich heraus ein bestimmtes Fach lernen (z.B. eine Sprache), die aber sehr wahrscheinlich im späteren Leben zu ihrem Vorteil sein werden. In diesem Fall kommt man nicht darum herum, einen bestimmten ZWANG auf die Erziehenden auszuüben (Ihr müsst das jetzt tun, weil es zu eurem Besten ist!).
- Es ist gut die Selbständigkeit von SchülerInnen zu fördern, ABER wir müssen ihnen auch Durchhaltevermögen beibringen
- Gewisse Lernprozesse & Übungen, die wir heute nicht gerne tun, sind möglicherweise die Grundlage unseres späteren Erfolges und Glücks (z.B. Vokabellernen macht wenig Spaß => Vokabel sind aber die Grundlage um eine Sprache zu beherrschen; Sport ...); hier ist es wichtig, den Erziehenden die Sinnhaftigkeit des Lernens zu vermitteln. Sie brauchen eine Perspektive, ein Ziel.
- Erfolgreiche Menschen zeigen nicht selten eine besondere Ausprägung von Disziplin oder sind in so einem Rahmen aufgewachsen
- Wichtig ist auch die Frage: Was ist Glück? Das hängt wohl damit zusammen, das Leben selbst bestimmen zu können und Freiheit zu erfahren.


Pauhe, da steckt noch sooo viel mehr in der Diskussion. Würde mich echt freuen, wenn sich das noch jemand ansieht und meine unvollständigen Punkte ergänzt!

lg
Topper
 
Erdkröte;3055519 schrieb:
Pädagogik - Welche Form brauchen wir an unseren Schulen ? Drill oder Emphatie ?
Und dazwischen hast du nichts anzubieten?
Ich war selbst Schüler und habe 4 Kinder durch ihre Schulzeit begleitet, "empathische Leherer" gibt es nicht - oder irgendwo anders .......
Wie Fist schon sagt: Wenn du mal an den einen oder anderen gerätst, der seinen Job wenigstens gerne macht und bereit ist jedes Kind da abzuholen wo es steht, dann ist das schon wie'n 6er im Lotto.

R.
 
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Die Lehrpläne wurden oder werden immer noch durchgezogen ohne Rücksicht auf Verluste, die Lehrkörper stehen selbst unter Druck, der größte Blödsinn der Erschaffen wurde, sind die Ganztagsschulen damit bleiben noch mehr Schüler im Netz hängen, sie landen auf der Strasse ohne Perspektive, und die Zukunft bleibt damit mehr als offen.
Unsere Politik mauschelt nur was so alles für die Kinder auf die Beine gestellt wird, alles Phrasen sonst nichts.
Wer daran noch glaubt, hat den Blick für den Alltag verloren.

Wie meinst Du das, das viele im Netz hängen bleiben, wegen Ganztagsschulen????
Von diesen halte ich auch nicht sehr viel, muß aber zugeben, daß ich darüber eigentlich nichts weiß, außer das es eben Angebote gibt, die sich über den ganzen Tag erstrecken. Sind diese freiwillig, finde ich es okay - es ist dann eine Möglichkeit, die man annehmen kann oder nicht und viele Kinder hängen dann eben nicht auf der Strasse rum. Ist es Zwang, findet nachmittags normaler Unterricht statt, lehne ich es ab. Denn irgendwann sollten Kinder/Jugendliche auch Zeit für ihre Interessen haben. Je höher die Klassenstufe, um so länger sind die Kinder ja schon in der Schule - das reicht, würde ich meinen.
 
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