Oskar Kleingeist

LoneWolf

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Oskar Kleingeist war ein Mann mittlerer Höhe und durchschnittlicher Breite, sein Horizont war ein wenig eng, aber dafür sehr leicht zu überblicken. Kleingeist war, um seinem Namen auch gerecht zu werden, nicht weit gereist in seinem Leben und seine Ausflüge beschränkten sich auf ein paar wenige, eher heruntergekommene Stammlokale der Umgebung, Donauschiffer und Halbweltspelunken, wo er sich mit den anderen Zechern, oft recht rauhe Gesellen mit schwieriger Vergangenheit, manchmal recht gut, dann wieder weniger gut verstand. Kleingeist war sehr dem billigen Fusel zugetan. Von Jugend an. Eine seiner schlimmsten Eigenheiten. Das war eben Oskar Kleingeist, da konnte man nichts machen. Manchmal war er so sehr Kleingeist, dass selbst die anderen Gäste sich verzweifelt die Haare rauften oder vor Schmerzen im Kopf am Boden wälzten, obgleich die ganze Atmosphäre nicht unbedingt von großem Geist getragen war.

Hin und wieder ging Oskar auch ein wenig in die Tiefe, aber das konnten vorbeigehende Passanten oder beschwippste Kollegen meist nicht erkennen, denn es war Ossi Kleingeists eigener Abgrund, in den er da manchmal stürzte. Die wenigsten wollten da einen Blick hinein werfen und seinen Schilderungen zu folgen fiel einem Außenstehenden nicht immer gerade leicht.

Wenn Kleingeist nicht trank, war er manchmal traurig über Kleingeist und diese Traurigkeit vertrieb er sich hin und wieder mit kleingeistigem, ordinärem Humor, den er ungeniert und hemmungslos in öffentlichen Foren verzapfte. Zunächst in Singletreffs, später, zum Leidwesen der Betreiber und manch zartfühlendem User, auch in einem Esoterikforum. Absichtlos wie er war und dem Vorbild eines Freundes folgend hatte er sich mal nur zum Spaß bei den Websingles eingetragen. Und ... in der Tat, siehe da, man glaubt es kaum: lernte er bereits vor drei Jahren in diesem Singleforum ein paar wenige, aber recht nette Damen im Alter zwischen Vierzig und Fünfzig kennen.

Kleingeist hatte kein Interesse an einer herkömmlichen Partnerschaft mit einer Frau und auch an erotischen Begegnungen war er nicht interessiert. Er wollte sich nur ein wenig die Einsamkeit erleichtern. One Night Stands gabs da auch im Angebot, aber es gab bei der Profilerstellung auch die Möglichkeit, andere Optionen anzukreuzen, wie Freundschaft, Interessensgemeinschaft, Briefmarkenclub und so weiter ... und naiv wie Kleingeist nun mal war, kreuzte er einfach E-Mail bzw. Brieffreundschaft an, denn ihm ging es nur darum, im mittlerweile fortgeschrittenen Alter die Mauer wieder einzureissen, die er im Laufe der Jahre um sich errichtet hatte und ein wenig unter die Leute zu gehen und sei es auch nur im WWWeb. Wie weit ihm überhaupt bewusst war, worum es ihm ging, sei allerdings dahin gestellt. Oskar Kleingeist eben.

Frech und Hemmungslos breitete Kleingeist sich mit kleingeistigem Witz in der entsprechenden Community aus, doch nie sprach er eine der suchenden Damen in ihrer Privatnachrichtenbox persönlich an sondern reagierte nur auf Ladys, die ihrerseits auf sein Profil reagiert hatten. Er war einfach nicht soweit, direkt auf einen Menschen zuzusteuern und diesen mit seinem Charme zu beglücken. Dafür war Kleingeist immer schon zu wenig überzeugt von sich selbst und wissend um seine labile Natur auch sehr unsicher. Und er wollte niemandem persönlich zu nahe treten und war im Grunde gar nicht auf der Suche nach einer Dame; also warum hätte er eine anschreiben sollen? Und er dachte auch nicht wirklich über seine Motivation nach, sondern belustigte sich einfach über die kreativen Möglichkeiten, die allein in der Profilerstellung lagen. An sich war Kleingeist ja eher sehr unkreativ, aber hier konnte er sich spielerisch entfalten, wenn es darum ging, Charaktere zu entwerfen oder zum Leben zu erwecken und den Damen, die ja aus einigermaßen kultiviertem Ambiente kamen, wie sich später heraus stellte, gefiel die Art und Weise, wie er über seine eigenen, dunklen und oft unschönen Seiten lachen konnte. Kleingeist konnte nur noch über sich selbst lachen, wenn er seine Profile reflektierte, sonst wäre er auf der Stelle gestorben.

Die Beschäftigung mit der menschlichen Psyche war ja eines der wenigen Dinge, wo Kleingeist sich auch ein wenig im realen Leben in der eigenen Tiefe vergehen konnte. Hatte er doch im Laufe der Jahre ziemlich viel von dem, was er früher in seiner Umgebung für verachtenswert, böse und beängstgend, aber auch belustigend bis lächerlich eingestuft hatte, in sich selbst gefunden. Hatte er ein Profil fertig, war er mit einem Profil zufrieden, löschte er es und erschuf ein Neues. Diese Profile waren wie kleine Kunstwerke eines Straßenmalers, die sich nach einem heftigen Regen wieder in nichts auflösen. Mal nannte er sich einfach "Kleingeist", dann nannte er sich wieder "Der Profilator". Irgend ein Name fiel ihm immer ein und auch entsprechende Kurzgeschichten, die er in sein Profil einbaute. Das war Kleingeist. Ein Schauspieler mit einer gewissen Rollenerfahrung im Leben. Die Rollen, die er hier im Singletreff spielte, hatte er auch im Leben gespielt. Oft auch nur kleine, unwichtige Nebenrollen, aber keine war ihm fremd und keine war gelogen oder nur erfunden.

Um Kleingeist bildete sich eine kleine aber treue Fangemeinde nicht zwingend kleingeistiger Damen, mit denen er in der öffentlichen Privatnachrichtenbox fröhlich scherzte. So konnte Oskar seine Kleingeistigkeit recht gut vergessen. Mit einigen wenigen pflegte er dann regelmäßigen, eher oberflächlichen E-Mail-Tausch und mit noch einer kleineren Auswahl intensivierte sich der Mailkontakt zu einem Austausch kilometer und nächtelanger Gedankengänge, bei denen es oft auch um essentielle, existentielle und spirituelle Fragen ging, die in einem Menschen so stecken und an manchen Tagen hochkommen können. Zwei der Damen lernte Kleingeist auch persönlich kennen und es entwickelte sich eine reale Freundschaft. Kleingeist war im Lauf des Lebens, trotz oder gerade wegen seiner Einfachheit, Begrenztheit, Beschränktheit und Verkommenheit ein recht gläubiger Mensch geworden, der sich auf einem etwas seltsamen, aber immer noch religiösen Weg wiedergefunden hatte, auf dem man um eine Auseinandersetzung mit dem Gottesbegriff und allem, was sich damit verbindet, nicht herum kam.

Oskar K. mußte sich selbst als Begrenzt und Beschränkt erkennen, auch da kam er nicht drum herum, denn er war großgeistig und realistisch genug, um zu sehen, wo und wie er dastand, im Leben und am Ende des Jahres 2007 in einer kühlen Winternacht, einen Monat vor Heilig Abend. Ein Mensch, der seinen Lebensweg weise und achtsam beschreitet und nicht immer den selben Irrtümern erliegt, steht am Ende anders da, schlussfolgerte Kleingeist. Er war gerade noch wahrnehmend genug, um an manchen Tagen an seiner Kleingeistigkeit zu leiden und er kannte auch den Grund dafür. Das war seine Neigung zum Alkohol, der ihm in jungen Jahren bereits die Sinne trübte und seine Entfaltung und Entwicklung störte und behinderte und den er doch nicht lassen konnte. An dem er festhing und klebte, bis seine ganze Persönlichkeit zerstört und zerfressen war. Und statt auf Reisen zu gehen und die Welt rundherum zu ergründen und sich auch kulturell ein wenig zu bilden, vertrieb er sich die Zeit in lauter, gröhlender Gesellschaft, in der abgestandenen Luft heruntergekommener Spelunken. Und in den Zeiten wo er nicht in dieser Atmosphäre versank, vergrub er sich in einer tiefen Einsamkeit und verlor sich in sinnierenden Gedanken, wie er denn diesen Kerker, dieses kleingeistige Ich zertrümmern könnte.

Oskar Kleingeist hatte in jungen Jahren zu trinken begonnen, weil er Angst hatte vor dem Leben. Aber nicht so sehr vor der weite des Lebens oder vor dem Fliegen, sondern vielmehr vor diesen engen Stellen des Lebens, die er aus der Ferne sah, die er gern umgangen wäre, wo aber sein Weg unweigerlich hindurch führte, denn er konnte seinen Blick nicht mehr abwenden. Menschliche Abgründe, moralische Abgründe, die eng wie ein Nadelöhr seine freie Atmung blockierten. Man hatte ihn gelehrt, das müsse so sein, das Leben sei Kampf und Krampf und nur die Starken kämen durch, doch für diese Stellen im Leben, wo es Krieg gab und Kampf, Bösartigkeit, Zorn und Rache, da brauchte er einen Verbündeten, der ihn empfindungslos für Schmerzen und Gefühle verschiedenster Art machte. So trank er und trank, bis er nichts mehr spürte. Jetzt war er bereit für den Kampf, nur konnte er, so betrunken wie er war, nicht mehr sehen was er rundherum zerstörte. Das war Ossi Kleingeist. Da konnte man nichts machen. Blöd von Geburt an.

Ja, Kleingeist war Großgeist genug um unter seinem Namen zu leiden und in dieser Winternacht vom 16. zum 17. November 2007 war es wieder mal soweit, dass er am liebsten an sich selbst gestorben wäre, denn er begriff sich selbst als eine einzige, schwere Krankheit, als eine Verirrung der Natur und so wollte er nicht mehr sein. Nichts wusste Kleingeist von dieser Welt, nichts hatte er je gesehen, nirgendwo war er hingereist, über nichts konnte er berichten und mit nichts konnte er die Herzen seiner Mitmenschen erfreuen, denn immer, wenn er von seiner seltsamen Reise erzählte, begannen alle zu weinen und wollten ihn heilen. Und immer wenn ihn jemand fragte, was machst du, wo warst du, wo gehst du hin, konnte er immer nur sagen: "Ich weiß es nicht. Ich glaube nach Nirgendwo?"

Es war aber eigentlich nicht sein Name, der ihm zu schaffen machte. Kleingeist wollte gar nicht Großgeist sein. Eher war es die materialistische Ausrichtung des schnelllebigen, gewalttätigen und aufgeblasenen Geistes der Zeit, die ihn so plagte. Hier fand Oskar Kleingeist nicht sein zu Hause, hier hatte er keine Heimat und keine Mitte und so wendete er sich wieder einmal ab vom hastenden Geist der Zeit und betete zum ewig unveränderlichen, immer eins seienden Großgeist: Ach du guter Großgeist, hilf mir, laß mich nicht im Stich und lass mich nicht soviel über meinen Namen nachdenken und wie ich ihn in diese Zeit integrieren könnte, sondern lass mich ihn lieber mit Dankbarkeit annehmen und tragen. Heile mich von dem Größenwahn, ein anderer sein zu wollen, als Ossi K. und vergib mir meine Schuld, wie auch ich meinen Schuldigern vergeb. In Ewigkeit, Amen.

Dein Dich liebender Oskar Kleingeist.
 
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Für mich ist dieser Oskar Kleingeist größer als so mancher, der meint ein großer Geist zu sein und doch nix is als ein großes Gespenst. Denn ein Geist ist ein Geist, sei er auch noch so klein. Ein Gespenst ist ein Leintüachl mit nix drunter.

Deine immer wieder mit dir mitlesende Kinny
 
..nur wer um seine Mutter so weiß und fühlt, wie du Oskar K. es " tust", kann SOLCHE "Zeilen" schreiben.

All jene Menschen, die von Fluganst, von der Angst vor'm Fliegen erzählen - repetieren ihre Aussage, wenn man sie frägt, ob es sein kann, das sie sich nicht vor'm Fliegen fürchten, sondern vor dem Abstürzen !
Auch die Menschen mit Höhenangst haben nicht Angst vor der Höhe, sondern vor der " Tiefe", vom Fallen also.
So wird es auch sein ?, dass wir Menschen ( von Anbeginn ) nicht Angst haben vor dem Leben, sondern, dass wir es nicht " kosten " werden und
so kommt " koste es, was es wolle" in unser Bewusstsein.
Der grosse Geist aber, frei von emotionalen " Einbrüchen ", immer bereit, den " kleinen Geist " zu integrieren ist grosszügiger zu uns allen, als wir zu uns selbst.
So hat ER den Akt des Vergebens geschaffen, von welchem du Oskar K. " Gebrauch " gemacht hast - und das zeugt nicht von " Kleingeist ".

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...sie blüht für dich , sie macht keinen Unterschied zwischen dem " Grossen" und dem " Kleinen", weil ihr Denken " fremd " ist, sie IST - und unser Staunen darüber, dass das zum LEBEN reichen kann - ist Religion , ist Sehnen nach Liebe, die IST und nicht erzeugt oder erhalten werden muss.
So in etwa... könnte unser aller " Durst " vergehen, denn jeder " trinkt" um die Klarsicht zu vernebeln auf seine Weise, - zeitweise.

Grüsse , liebe Grüsse vom kleinen und vom grossen Geist,( es gibt keinen Unterschied, ausser in des Menschen Denken ) - für dich Oskar K. - von

Dorlis

PS : ..und keine Sorge Oskar K., ich komm nun nicht jede Woche " hier vorbei" um schlauerweise zu sagen, zu wiederholen, ", was du selbst "weißt", fühlst - und uns daran auch schon konzipieren hast lassen !
 
Der grosse Geist aber, frei von emotionalen " Einbrüchen ", immer bereit, den " kleinen Geist " zu integrieren ist grosszügiger zu uns allen, als wir zu uns selbst.
So hat ER den Akt des Vergebens geschaffen, von welchem du Oskar K. " Gebrauch " gemacht hast - und das zeugt nicht von " Kleingeist ".

Wahre Worte.

Die Wahrnehmung des eigenen, begenzten Bewusstseins - ist an sich ja ein paradoxes Erlebnis, denn wie sollte einer seine Kleinheit und Begrenztheit wahrnehmen, wäre er nicht an etwas größeres angebunden, verbunden mit .... - ist es zwar, was mir manchmal Schmerzen bereitet, kann aber, wenn man es genau betrachtet nur ein Input eines größeren Geistes sein, eine Leihgabe des Großgeistes sozusagen. Er zeigt mir so, dass ich ein Mensch bin, der sich in einem Prozess des Wachsens und Erwachens befindet. So erkenne ich, das nicht nur die Welt um mich in Bewegung ist, sondern innerlich zumindest auch ich selbst und Heilung von diesem Schmerz bringt mir nur die nahtlose Hingabe an diesen Großgeist.

Aber da ist auch eine Art von Arbeit damit verbunden und nicht immer gelingt es gleich gut.
 
Nein, vor dem Leben selbst hatte Kleingeist keine Angst. Er war eine Frohnatur und liebte das Leben und er konnte seinen Frohsinn auch verbreiten. Nur vor den Menschen hatte er Angst. Vor manchen Menschen zumindest und vor dieser Bestie, die in einem Menschen stecken und mitunter auch erwachen konnte. Beschützt von den magischen Gitterstäben seines goldenen aber brüchigen Gluckenkäfigs sah er sie lange nur aus der Ferne wüten, im Großen wie im Kleinen, diese Bestie, die in einem Menschen erwachen konnte, wenn sein heller und wacher Geist nicht mit den tiefen, animalischen Trieben fertig wurde und der Mensch irre wurde, bei dem Versuch, die Gesetze der Natur in sein erwachendes Ich zu integrieren.

Das Gesetz des Stärkeren, der überlebt während der Schwächere zu Grunde geht war ein Naturgesetz, ein gutes Naturgesetz, das wahrscheinlich geschrieben wurde, lange bevor der erste Mensch in fleischlicher Gestalt diese Erde betreten hatte. Es war notwendig für das autarke Funktionieren der gesamten Natur, doch in einer humanistischen Gemeinschaft hatte es nichts mehr verloren, denn wenn der Mensch versuchte, dieses Gesetz auch in sein Ich und somit in die gesamte Gemeinschaft zu integrieren und in den eigenen Reihen anzuwenden, geriet er zwangsläufig in einen groben inneren Zwiespalt.

Im Streit um das Territorialrecht, beim Kampf um den fruchtbarsten Boden wandte er das Gesetz des Stärkeren nun mit dem halbwachen Geist von Vorsatz und Berechnung gegen seinen Nächsten, seinen Bruder an. Trat und schlug ihn nieder bis diesem an allen Stellen der Körper aufplatzte und aus allen Öffnungen das rote Blut floss und der ohnehin physisch Schwächere immer schwächer wurde und fast schon des Todes starb. Dann kam wieder die Menschlichkeit und Nächstenliebe in ihn, diesen grobschlächtigen, gewalttätigen Bruder, und er reichte dem Sterbenden, den er soeben niedergetreten hatte die Hand um ihm wieder auf die Beine zu helfen. Wozu? Um ihn Tage später oder im nächsten Moment, beim nächsten Streit wieder niederzuschlagen, wenn es um die Aufteilung des Landes ging? Nein! Das konnte es nicht sein.

Das Gesetz des Stärkeren hatte nichts verloren, in einem menschlichen Ich und in einer humanistischen Gemeinschaft. Von diesem Umstand war Oskar Kleingeist zu tiefst überzeugt und doch konnte er schon früh sehen, dass es überall Anwendung fand. Auch in der zwischenmenschlichen Begegnung. Das Gesetz des Stärkeren war ein reines Naturgesetz und die Natur konnte damit operieren, weil sie frei von berechnenden Gedanken war. Die Natur machte sich keine Gedanken darüber, was Macht ist oder wie machtvoll sie in Erscheinung trat. Ihr ging es nur um die Funktion des Organismus. Das Prinzip der Selektion war gut, weil es für einen starken, massiven Organismus sorgte, doch das Ich war kein Organismus, der funktionieren musste. Das Ich war nur eine Blase, eine im Grunde unsichtbare Blase der Wahrnehmung und des Bewusstseins. Das Ich war kein Organismus, der stark sein musste. Das Ich war etwas, das es eigentlich gar nicht gab, ein unsichtbares Auge, ein Ohr und manchmal auch ein unsichtbarer Mund aus dem hörbare Worte kamen. Oskar Kleingeist suchte viele Jahre nach diesem Ich, doch er konnte es nirgendwo in seinem Körper finden. Das Ich war nicht diesem physischen Gesetz vom Starken und vom Schwachen unterstellt sondern fand es nur vor, nachdem es auf die Erde kam. Das Ich war nur einem unterstellt und zwar der Quelle, der es entsprang. Und das Ich konnte nichts erschaffen. Es konnte nur Bilder sehen und Worte bilden.

Oskar Kleingeist begegnete vielen Ichs und alle waren sie im Grunde gleich, denn sie entsprangen alle einer einzigen Quelle und diese zentrale Quelle war reines, fleißendes und dennoch immer gleichbleibendes, unveränderliches Bewusstsein. Schamlos wie Oskar Kleingeist nun mal war, nannte er diese Quelle einfach Gott. Der einzige Unterschied zwischen diesen zahllosen Ichs, die Ossi begegneten war ihr unterschiedlicher Standort, ihr unterschiedlicher Blickwinkel auf das Leben, die verschiedene Perspektive ihrer Wahrnehmung des Lebens. Ansonsten gab es für Ossi K. keinen Unterschied zwischen den Ichs.

Klein Ossi hatte keine Angst vor dem Leben und auch nicht vor dem Fliegen. Er war voller Leben und voller Liebe zu diesem Leben, spürte es in sich und freute sich sehr. Angst hatte er nur vor dieser Bestie, die in einem Menschen erwachen kann, wenn dieser denkt, mit Schläue und Vorsatz das Gesetz der Natur machtvoll für seine persönliche Bereicherung, seinen Genuss und materiellen Gewinn anzuwenden. Er hatte Angst vor diesem Tier in einem Menschen und doch musste er dran vorbei, denn es lag da vorn und versperrte ihm mit seinem riesigen, muskulösen Körper den Weg und lange, messerscharfe Zähne blitzten durch das tiefschwarze Fell, da, wo ungefähr das Gesicht des haarigen Tieres war. Lange suchte er nach einem Umweg, einem Seitenpfad, der an diesem Tier vorbei führte. Er hatte Angst vor diesem Tier, denn es war fähig zu töten ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken oder gar unter seinem Handeln zu leiden und im Moment hatte es ein Auge geschlossen, so als würde es schlafen. Doch das andere war halb geöffnet und längst auf Ossi Kleingeist gerichtet, der zitternd und nach einem Ausweg suchend immer näher kam, nicht so genau wissend, ob er denn nun Beute oder Jäger war.

Ossi K. liebte das Kämpfen nicht so sehr, schon gar nicht, wenn es soweit ging, dass Blut floss, doch es würde einen Kampf geben, dass spürte Ossi und er fragte sich, wie er dieser Mörderbestie begegnen könnte? Er, der nichtmal eine Fliege erwürgen wollte. Wie sollte er einem riesigen Tier begegnen, das unbesiegbar war?

Auf dem Weg lag ein Wirtshaus. Eine heruntergekommene Spelunke und durch die offenene Tür drang laute Musik, Gegröhle und ordinäres Gelächter an Ossis Ohr und zog ihn magisch an. Wie an unsichtbaren Fäden gezogen betrat er das Lokal, stellte sich neben einen Riesen an die Schank und bestellte sich einen Krug mit Wein. Viele Riesen waren in der Gaststätte. Einer größer als der andere und ihre Körper waren mit seltsamen Zeichen verziert, manche hinauf bis zum Hals und einige waren sogar im Gesicht so seltsam gemustert. Oskar waren auch diese Leute nicht ganz geheuer, aber im Vergleich zu dem Tier, das da vorne auf seinem Weg lag, schienen sie wie Zwerge. Vielleicht konnte man ihm ja hier einen Rat geben, wie er dieser grausamen Bestie entgegentreten könnte, aber um mit den Herr- und Frauschaften ins Gespräch zu kommen, musste er sich erst ein wenig in ihre Wahrnehmungsblase und in ihre Sprache einfühlen und das gelang am besten, wenn er noch drei Krüge mit Wein trank.

Der dem Rebensaft innewohnende "Geist" breite sich in Ossi K`s Körper gleichmäßig aus und erschuf ein angenehmes, warmes Gefühl, dass sich vom Bauch, da wo ungefähr der Magen liegt, bis hinauf in Ossi`s Kopf zog und vertrieb so nach und nach auch seine Angst vor dieser Bestie. Aber der Raum um Ossi begann sich zu drehen, denn er war an den schweren Wein nicht gewöhnt und er sank an einen der dreckigen Tische in der Spelunke und seine Augenlider wurden schwer. Wie aus weiter Ferne drang noch ganz leise das Gemurmel eines der Riesen an sein Ohr:

Die große Wölfin, sie ist die Hüterin des Gesetzes einer autarken Natur. Wir können sie nicht bezwingen, besiegen oder gar töten, denn dann vernichten wir das Leben selbst. Wir können nur mit ihr leben in einer Art von Harmonie, an der wir arbeiten müssen, oder wir können gegen sie leben, in einem ewigen Widerstand. Aber wir dürfen uns auch nicht unterwerfen oder sie all zu sehr verinnerlichen, denn sonst werden wir unsere Menschlichkeit verlieren, wenn wir ihr Gesetz vom Sieg des Stärkeren in unseren eigenen Reihen anwenden. Erst wenn wir sie beherrschen und machtvoll für unsere persönliche Bereicherung und unseren Gewinn benutzen wollen, dann wird sie zu einer Bestie. In unserem eigenen Menschengeist.

Wahrscheinlich war der Riese verrückt, so irre, wie er daher redete und er meinte wohl die Bestie, die da vorne auf dem Weg lag und mit einem Auge schlief, während das andere Augen wachsam durch einen engen Schlitz blickte. Aber Ossi K. verstand kein Wort von dem Geschwätz und sein Kopf war vom Wein schwer und er selbst viel zu müde, um nach einem tieferen Sinn in den Worten dieses grobschlächtigen, primitiven Gesellen zu suchen. So versank Oskar Kleingeist, gerade mal 15 jahre auf der Erde, schon wieder in einem tiefen und langen Schlaf, aus dem er erst 12 jahre später vollkommen gerädert wieder erwachen sollte.
 
Das Ende der Musik weckte Oskar Kleingeist aus seinem langen Traum und er erhob sich von dem dreckigen Tisch und schob sich wie ferngesteuert durch die Menge lachender und gröhlender Riesenmänner und Frauen, die mittlerweile das ganze Lokal füllten. Er wollte die Jukebox im hintersten Teil des Wirtshauses erreichen, warf eine Münze ein, drückte irgend eine Nummer in den Apparat ohne das Inhaltsverzeichnis zu studieren und torkelte zurück zu seinem Tisch um sich von der neuen Musik in einen neuen Traum singen zu lassen und die Gedanken an seinen bevorstehenden Kampf mit dem Tier im Wald rückten in immer weitere Ferne, denn er spürte: nach und nach begann er es zu lieben.

http://www.youtube.com/watch?v=Zpfk6XX7w44
 
Wahre Worte.

Die Wahrnehmung des eigenen, begenzten Bewusstseins - ist an sich ja ein paradoxes Erlebnis, denn wie sollte einer seine Kleinheit und Begrenztheit wahrnehmen, wäre er nicht an etwas größeres angebunden, verbunden mit .... - ist es zwar, was mir manchmal Schmerzen bereitet, kann aber, wenn man es genau betrachtet nur ein Input eines größeren Geistes sein, eine Leihgabe des Großgeistes sozusagen. Er zeigt mir so, dass ich ein Mensch bin, der sich in einem Prozess des Wachsens und Erwachens befindet. So erkenne ich, das nicht nur die Welt um mich in Bewegung ist, sondern innerlich zumindest auch ich selbst und Heilung von diesem Schmerz bringt mir nur die nahtlose Hingabe an diesen Großgeist.

Aber da ist auch eine Art von Arbeit damit verbunden und nicht immer gelingt es gleich gut.



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..sie sind wirklich erst wenige Tage " alt", die folgenden Zeilen; die das meinen, was du mit der Leihgabe des Grossgeistes beschreibst, Oskar K.
Unumstösslich !, Realität kann man verändern, Wahrheit nicht, deshalb kann ich deinen Worten nur was hinzufügen - weit und breit kein " Wunsch" in mir, auch nur eine Silbe an deinen Worten " verändern " zu wollen.



Längst genannt schon,
diese wohwollende Weile,
die du auf der Erde tanzt.
Schweigsam das Herz ,
wenn es den Eigensinn erkennt,
jenen, der nichts weiß
vom JA, das ihr euch gegeben.
Du - und das LEBEN


Doris S.



Und im neunten Absatz, in der ersten Zeile deines Eingangspostings, da steht schon : " Ich hatte Angst vor dem LEBEN".
Daher meine 3 " Methapher'n", mit den Ängsten, weil wir sie meist anders benennen im Äusseren, - wie eine globale Sammelaktion ( der summierten Erfahrungen wegen ) .
Nun las ich deine Worte vom späten Nachmittag - ...und da hast du so unmissversdtändlich geschrieben, dass die " dunklen Möglichkeiten " deiner "Mit"menschen fähig waren, - dir so viel Angst zu vermitteln.
Ich glaube, in jenen Jahren, Stunden und Tagen, wo die "MACHT der Leihgabe" überwog, hast du deine Sensitivität durch eine gewisse selbsterlaubte OhnMACHT "geschützt".
Im grossen Rahmen gesehen, also mit dem Blick des Grossgeistes - ist dennoch alles ok !
Dieses ok enbindet uns alle nicht von " der Arbeit" - Entfaltung zu leben, wohl wahr.

...und als du den " Schilling" eingeworfen hast, ertönte was ?
Erinnerst du dich ?
Weil " ohne Nachdenken" geschehen, wird wohl einen Antwort integriert gewesen sein...
Oder ist der Link , den du gesetzt hast, " schon " die Antwort auf meine Frage ?!

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Dorlis
 
Längst genannt schon,
diese wohwollende Weile,
die du auf der Erde tanzt.
Schweigsam das Herz ,
wenn es den Eigensinn erkennt,
jenen, der nichts weiß
vom JA, das ihr euch gegeben.
Du - und das LEBEN

Doris S.

Schön ist das.

Ich glaube, in jenen Jahren, Stunden und Tagen, wo die "MACHT der Leihgabe" überwog, hast du deine Sensitivität durch eine gewisse selbsterlaubte OhnMACHT "geschützt".
Im grossen Rahmen gesehen, also mit dem Blick des Grossgeistes - ist dennoch alles ok !
Ja, im Grunde ist alles Okay, so wie es ist. Obwohl Oskar keine Angst vor dem Leben hatte, so hatte er doch Angst vor dem Leben, das ist wahr. Diese dunklen Möglichkeiten seiner Mitmenschen machten ihm sehr wohl Angst, ehe er sie in sich selbst gefunden hatte. Und sie waren ja ein Teil seines Lebens, sonst hätte er ihnen ja keine Bedeutung beigemessen und er hätte den Fokus seiner Aufmerksamkeit in eine andere Richtung gelenkt. Aber das war ihm nicht möglich. Er konnte seinen Blick nie abwenden von dem Grauen und dem Gruseln, das neben der hellen Freude auch noch auf der Erde wandelte.

Ein gewisses Maß an Sensitivität hatte er vielleicht in jüngsten Jahren und es mag gut sein, dass er über Jahre hindurch versucht hat, diese, unterstützt vom schweren Wein mit aufgesetzter Derbheit und Skrupellosigkeit zu schützen und so eine Art von Brutalität entwickelt hat, die ja im Grunde ein Ausdruck von Ohnmacht ist. Während dieser Zeit hatte er auch ganz auf den Großgeist vergessen und ward nur von diesem getragen, ohne es zu wissen.

Schlimm an dieser Geschichte ist nur, dass diese Derbheit und Brutalität, und seien sie auch immer nur aufgesetzt gewesen, doch auch das innere Wesen des Oskar Kleingeist ein wenig berührt haben. Ein wenig zu stark berührt und vergiftet. Zumindest fühlt es sich für Ossi an manchen Tagen so an, als wäre die Grausamkeit ein Teil seiner selbst geworden. Und das macht ihn dann sehr traurig, den kleinen Oskar und dann spielt er Sentimentalschnulzen in der Musikbox wie: "Ein Jammertal ist dieses Leben" *schmoll* oder "Eine schwarze Wolke schwebt über mir" *heul* :))

Die heutige Sensitivität ist keine reine mehr. Sie ist durchzogen von der dunklen Erfahrung mit dem Untier im eigenen Inneren. Doch dann ... wie ein Blitz aus heiterem Himmel ... wie ein plötzlicher, unerwarteter Sonnenstrahl in einer nicht enden wollenden Nacht, schießt es durch Ossi Kleingeist`s verdunkeltes Gemüt:

Nicht verzagen, Großgeist fragen! Und wieder wendet er sich vorübergehend ab von der bunten Welt der Erscheinungsformen und versinkt in einem kurzen Gebet ... Vergebung wird spürbar.

Hmmm, witzig, irgendwie gefällt Oskar diese Geschichte vom Kleingeist und vom Großgeist. Sie entbindet ihn vom Diskurs um den Gottesbegriff und den öffentlichen Verhandlungen um das Verhältnis zwischen Mensch und Gott. Vielen sträuben sich ja die Haare, allein wenn sie das Wort Gott lesen, da sie möglicherweise dabei zuerst mal an Kirche denken und Dogma. Doch Ossi`s Großgeist hat keine Kirche, die gebaut ist aus zerbröselndem Stein.

Ossi K. spielt einfach zwischendurch manchmal gerne Musik in der Jukebox, zur eigenen Entspannung und egal, ob er schreibender Weise durch Erinnerungen reist oder beduselt an einem Wirtshaustisch rumlümmelt und mit sich selbst redet. Das hat gar keinen tieferen Sinn. Wahrscheinlich ist er heute nur ein bisserl sentimental.

Nada Brahma, die Welt ist Klang und Wirbel.:clown:

http://www.youtube.com/watch?v=OXanHvrjQO0
 
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Nun habe ich alle deine " Worte " achtsam gelesen - Oskar K.
Als " Engramm" blieben mir diese:
Zitiere dich :

Der plötzliche Sonnenstrahl..
Nicht verzagen,Großgeist fragen !
Ossi's Großgeist hat keine Kirche - UND...
Nada Brahma, die Welt ist Klang und Wirbel.

Vor Jahhhren-1986 schrieb ich :

Was viele Menschen Körper nennen,
was sie so sexistisch macht -
ist der Tempel ihrer Seele !
Hättest du's von dir gedacht?

Was viele Mensche Seele nennen,
sind Emotionen meist, meist Gier.
Wie bekannt, wie unbekannt
ist deine Seele dir ?

Was viele Menschen Leben nennen,
ist warten auf den Tod.
Steh nicht auf der Warteliste,
tritt ein ins Jetzt - ins Leben -
lebendig sein wie nie zuvor !
Mehr kann dir Gott nicht geben.

Doris S.


..es ist nicht so, dass dich das Gedicht was "lehren" soll, ich habe es " eingestellt", weil es dir NICHT neu ist, dieses " Gedankengut", vorallem dann, wenn mal keine Gedanken " herrschen ".
Freiräume sind so ziemlich das EINzige, was nicht beengt, auch , wenn sie sehr "klein" sind.
Wir sollten uns die " Leere ", die voller LEBEN ist öfter " gönnen".

Wenn du und der Admin es erlauben, ( weil hier ja nur Selbstverfasstes rein darf ? ) dann würde ich gerne ein ellllenlanges " Gedicht" einstellen ( in Wahrheit ist es ein Vortrag von Dr. Chopra...! )
Er erzählt vom Klang und vom Wirbel, hütet sich das Wort Gott zu nennen, wobei er es zutiefst meint, "Wissenschaft" beMÜHT sich noch um die Begrifflichkeit des EINEN.
Wissenschaft ist eben eine Vorstufe von dem was wir in aller Tiefe selbst wissen, das weißt du am besten.
Ich kann ihn, den Vortrag auch einstellen-damit du ihn lesen kannst, wenn du mööööchtest-und ihn dann wieder löschen...
Eine Möglichkeit... von mehreren.


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Dorlis
 
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