liebe irene,
nur der neugierde halber: warum eigentlich? ist es zu viel? und wie machst du das genau? ich bin ab und an etwas genervt, wenn mir ungefragt informationen in der ubahn oder auf der straße zufliegen, wie ein hintergrundrauschen. dann dichte ich auch etwas besser ab, aber es bleibt immer noch ein rinnsal übrig, das ich nicht abschalten kann.
lg
lilith
Liebe Lilith,
erstens weil ich früher schlecht damit umgehen konnte und zweitens, weil ich der Meinung bin, es geht mich auch gar nichts an
Die lange Version: in meinen 20ern war ich depressiv und mußte manchmal in Wien aus einem Lokal raus, weil ich es dort nicht aushielt, und ich dachte natürlich, ich sei gestört. Dann hat mir einer meiner Lehrer mitgeteilt, ich sei hellfühlig und würde die Gefühle der anderen spüren und für meine halten. Das war wie eine Offenbarung. Natürlich war auch bei mir selber damals noch genug im Argen, was ich in vielen Jahren aufgearbeitet habe. Und ich hab dann in vielen Jahren gelernt, zu fühlen was ich bin, also zu mir gehört, und im Privaten fast dicht zu halten, erstens, weil es eh nicht hilft, wenn ich die Gefühle des anderen übernehme - das war also das erste, was ich lernte. Und zweitens bin ich der Meinung: es geht mich nichts an. Wer bin ich, dass ich rumlaufe und intime Dinge bei anderen spüre. Das mein ich jetzt aber nicht bös oder vorwurfsvoll, ich empfinde es halt so.
Ich sollte vielleicht dazusagen, dass ich, wenn ich "aufmache" den Grundschmerz des Menschen fühle, Bilder sehe, sozusagen seine Grundhaltung dem Leben gegenüber empfange. Das geht dann auch sehr ins Detail. Und das mache ich jetzt nur, wenn ich auch gefragt werde, also in Form von bezahlter Arbeit in meiner Praxis oder wenn mich jemand privat um Rat und Hilfe fragt.
Privat fühle ich, wenn jemand nicht ganz ehrlich ist oder voller Aggression ist und es nicht zeigen möchte, usw. aber das spürt ja jeder in unterschiedlicher Intensität, denk ich mir.
Wie ich das genau mache: ich glaub ich hab im Lauf der Jahre gelernt, so gut bei mir zu sein, dass ich nicht in die Resonanz mit anderen gehe, auch wenn ich sie wahrnehme. Und gleichzeitig zu achten, dass jeder so sein und fühlen darf, wie er will. Dadurch will ich keinen mehr retten, sozusagen
Früher wollte ich immer helfen, weil ich meinen eigenen Schmerz noch nicht verdaut hatte. Ich glaube es ist diese Grundhaltung, dass alles gleich viel wert ist und gleich viel Daseinsberechtigung hat, gesund ist nicht besser als krank - heißt, jeder darf wie er will - die das bewirkt hat. Ich weiß es aber gar nicht genau, es hat sich im Laufe der Zeit so entwickelt.
Lange Antwort auf eine kurze Frage
Liebe Grüße, Irene
P.S.: bitte jetzt nicht das übliche "Du bist nicht hellfühlig, weil...." Es ist mir vollkommen egal, wie man das nennt, was ich bin. Danke!