Lieber A.1526,
Ich kann mir gut vorstellen, dass unsere unterschiedlichen Sichtweisen auch kulturell bedingt sind. Um's pointiert auszudrücken : dass da österreichischer Pragmatismus und deutsche Reglementierungsstrenge aufeinandertreffen.
Ich glaube, ich sehe auch das "Schicksal" nicht so streng wie Du. Das "Schicksal" ist für mich das, was ich vorfinde : meine Ausgangssituation. Und an mir liegt es, was ich daraus mache.
Ich würde auch unterscheiden zwischen "leichtfertig" und "mit Leichtigkeit". Man muss nicht alles so ernst und tragisch sehen - manchmal geht mit Humor etwas, was mit Ernst unmöglich ist. (Da kann ich Gott-sei-Dank auf ein gewisses Schweijk-haftes Element in meinem "Familienschicksal" zurückgreifen.)
Ich traue auch dem "Schicksal" ein Augenzwinkern und ein Lächeln zu - durchaus auch ein herzhaftes Lachen.
Liebe Grüße, Reinhard
Lieber Reinhard,
in Letzterem stimme ich dir voll zu. Es ist zwar wohl off topic, hier en Detail über das Schicksal und das Schicksalhafte und über die Freiheit bzw. das was wir gern dafür halten, zu sprechen. Ich denke, das hat ggf. einen eigenen Thread verdient. Da hätten auch die Götter ihren Platz, die ebenso dem Schicksal unterworfen sind, wie wir - in der Götterdämmerung vielleicht.
Dennoch kann ich es nicht lassen, darauf hier ein wenig einzugehen. (Sorry für das Off-Topic!)
Ich gehe ungeachtet, welcher Nationalität oder ethnischen Gruppe (auch das Schicksalsfaktoren!) du mich zuordnen magst, davon aus, dass wir unserem Schicksal unterworfen sind und sich dieses weder beeinflussen noch wenden lässt nach unserem Gutdünken. Für mich ist es das, was das Ganze lenkt, nicht nur die Ausgangssituation. Und es lenkt nach Gesetzen, die wir nichterkennen oder durchschauen können. Vielleicht ist das Schicksal noch etwas anderem, Höheren unterworfen, etwas Namenlosem. Das Namenlose bleibt hinter dem Schleier des Schicksals verborgen - unerkannt und geheimnisvoll.
Angesichts dieser Art Schicksal sind wir machtlos und ausgeliefert - ja. Und das passt so manchem nicht. Gerade deswegen gibt es hier so viele Richtungen, die behaupten, dem Schicksal ins Handwerk pfuschen zu können.
Vielleicht werden wir in der Unterwerfung unter unser Schicksal, im Anerkennen seiner Macht und seiner Unergründbarkeit zu dem, was wir wirklich sind. Was angesichts dessen bleibt, ist Andacht und Demut. Vielleicht macht die es uns irgendwann zugänglich?
Und ich stimme dir darin zu, dass wir dennoch auch angesichts des Schicksals gefordert sind, etwas daraus zu machen. Doch ist das für mich kein Grund, dass wir uns zu Recht frei wähnen könnten... Gerade wenn wir uns nämlich glauben frei zu entscheiden, sind wir gerade dabei, unserem Schicksal zu folgen (und allzu oft einer Verstrickung dazu). Dennoch sind wir verantwortlich für unsere Folgen, Auch das gehört zu unserem Schicksal.
Erst wer sich diesem Widerspruch stellt, wird weise.
Du siehst, es geht mir nicht um Reglementierung. Ich stelle ja keine Regeln willkürlich auf, die ich dann fordere, einzuhalten. Wenn es anders geht: fein! Ich mag den Schweijk! Allerdings ist gerade er unterworfen, verstrickt und gebunden, wie kaum ein anderer - oder?
A.
P.S.:
Liebes-Lied
Wie soll ich meine Seele halten, daß
sie nicht an deine rührt? Wie soll ich sie
hinheben über dich zu andern Dingen?
Ach gerne möcht ich sie bei irgendwas
Verlorenem im Dunkel unterbringen
an einer fremden stillen Stelle, die
nicht weiterschwingt, wenn deine Tiefen schwingen.
Doch alles, was uns anrührt, dich und mich,
nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich,
der aus zwei Saiten eine Stimme zieht.
Auf welches Instrument sind wir gespannt?
Und welcher Geiger hat uns in der Hand?
O süßes Lied.
Rainer Maria Rilke; Aus Neue Gedichte (1907)