Hm, wie heisst es so schön: Du sollst Vater und Mutter ehren.
Was ist denn der Zustand, wenn ich jemanden ehre? Ich halte vor allem Mal Distanz zu ihm, vermische mich nicht mit ihm, stelle ihn nicht auf einen Sockel, um ihn zu ver-ehren, bin ihm nicht künstlich dankbar, sondern bin respektvoll, ohne abhängig oder unterwürfig zu sein.
Schliesslich ist unsere Mutter das tiefste Bild, das wir für unsere eigene Weiblichkeit haben. Wenn wir das nicht ehren, negieren wir unsere Weiblichkeit. Und das wäre ja nun mal schädlich für uns alle und für unsere Kinder.
Die Eltern zu ehren - also mit Distanz ein Kerzerl für sie anzuzünden, ein Foto von ihnen aufzustellen, um nicht an sie denken zu müssen - verstehe ich als die Grundlage für mein eigenes Sein als Erwachsener. Ich bin unabhängig von den Gefühlen und Gedanken meiner Eltern vorhanden, wenngleich sie mir die Anlagen für meine Gedanken und Gefühle sicherlich in die Gene gelegt haben. Aber das heisst ja nicht, daß ich genauso sein muß wie sie und daß ich "dankbar" sein muß im Sinne eines "oh ich danke Dir ja so, daß Du mich geboren hast und vorher 9 Monate mit Dir herumgeschleppt hast". (Wenngleich es durchaus schön sein kann für eine Mutter, das mal gesagt zu bekommen, daß das Kind gerne lebt und die Geburt und das Leben annimmt. Und wenn man die Mutter liebt, dann sollte man ihr das durchaus mal sagen, finde ich, dieses "ich lebe gerne", wenn's denn so ist.)
Dankbarkeit lohnt sich, finde ich, vielmehr dem Leben gegenüber im Allgemeinen. Daß man leben darf. Würde man nicht leben könnte man nicht fühlen, nicht denken, man würde nicht sehen was man sieht, nicht hören was man hört, nicht spüren was man spürt. Und das wäre in der Tat schade, selbst wenn man voller Angst ist und im Moment nicht weiß, wie man damit umgehen kann. Irgendwann wird man es vermutlich können.
lg