Hallo Artor, hallo Christel,
er war schwer mehrfachsüchtig, was sich immer wieder in Abstürzen zeigte. Diese Abstürze häuften sich seit Herbst letzten Jahres rapide. Im Spätsommer hatten wir noch einen wunderschönen Urlaub. Er wollte dort gar nicht mehr weg. Im nachhinein denke ich manchmal, als ob er ahnte, er kommt dort nicht mehr hin. Wir hatten eigentlich für dieses Jahr wieder einen Urlaub dort geplant. Nun hatte sich die Sache nach dem Urlaub weiter verschlechtert. Ab Ende Dezember 2011 wurde es richtig schlimm. Die Abstürze entwickelten eine gewisse Regelmäßigkeit und dehnten sich ab Januar sogar über mehrere Tage aus. Er ist dann immer zu seiner Mutter gegangen, weil ich diesen Zustand einfach nicht ertragen konnte. Ich habe ihm mehrmals mit Trennung gedroht. Ich konnte auch wirklich nicht mehr, etwas mußte passieren.
Er selbst klammerte sehr stark und drohte mit Selbstmord, wenn ich ihn verlasse. Es war eine furchtbare Situation für uns beide. Insofern weiß ich nicht, ob er freiwillig bei dem Therapeuten angerufen hat, ein gewisser Druck von meiner Seite war da auf jeden Fall. Manchmal denke ich, vielleicht war es nur ein Alibianruf, damit ich am Ende denke, er wollte ja. Es sind so viele Fragen offen geblieben.
Andererseits hatte ich schon das Gefühl, dass er selbst unter den Süchten litt. Er weinte danach immer sehr, es ging ihm einfach dreckig. Warum er zögerte, Hilfe zu suchen, weiß ich nicht. Er meinte mal, er habe Angst, dass sie ihm nicht helfen könnten.
Wonach er sich sehnte, weiß ich nicht. Es war wohl die bedingungslose Liebe. Er fühlte sich irgendwie ungeliebt, obwohl ich ihn sehr liebte. Er wurde auch von vielen Menschen sehr bewundert. Das konnte seine Sehnsucht aber nicht stillen.
Am meisten treibt mich die Frage um, ob es ein Unfall oder Selbstmord war. Laut Gutachten war es ja ein Unfall. Aber es gab einige seltsame Dinge. Unter anderem hatte er Wochen vor seinem Tod überall erzählt, welche Beerdigungsmusik er mal haben möchte auf seiner Beerdigung. Einige Tage vor dem Unfall (am 19.2.) weinte er bitterlich und sagte unter Tränen, er wolle nicht sterben, er hätte Angst Krebs zu haben (es gab dafür eigentlich keinen Grund). Er war betrunken und ich fragte ihn, warum er dann immer wieder Abstürze hat und nichts dagegen unternimmt und dass er an diesen Abstürzen sterben wird. Daraufhin wurde er total aggressiv und meinte, ich wäre kalt. Dabei meinte ich das nicht böse, ich habe ihn einfach nur nicht verstanden.
Am Unfalltag schließlich liefen wir an dem Vormittag die Straße entlang und sehen die Straßenbahn Nr. 13 vorbeifahren. Daraufhin meinte er zu mir, das sei die Unglücksbahn, wegen der Zahl 13. Ich lachte nur und nahm es nicht ernst. Er hat es auch ganz normal gesagt. Es war letztlich die Bahn, von der er dann am gleichen Tag überfahren wurde.
Entweder war es tatsächlich Selbstmord oder er hat diese negativen Aspekte gespürt. Es ist so rätselhaft. Am Nachmittag war noch alles ok, er war nüchtern. Ich mußte dann zur Arbeit und hatte, wie eigentlich immer, ein sehr schlechtes Gefühl, mußte aber los. Ich dachte noch, an dem Tag wird wohl nichts passieren, er hätte ja am nächsten Tag ein Konzert gehabt. Er hat noch in meinem Beisein den Therapeuten angerufen (von allein), dann als ich weg war, hat er noch abgewaschen und hat das Essen vorbereitet für den Abend. Dann muss er wohl losgezogen sein. Wir hatten vereinbart, dass ich ihn anrufe, wenn ich fertig bin. Wie es das Schicksal wollte, war ich auch 22:30 Uhr fertig und rief ihn genau in seiner Todesminute auf seinem Handy an. Er ging nicht mehr ran.
Ich habe nie verstanden, warum er so unglücklich war. Er meinte immer, ich wäre sein einziger Lichtblick. War er möglicher Weise doch unglücklich mit mir? Oder war es wegen seiner beruflichen Situation? Er wollte besonders jetzt am Ende, dass ich möglichst oft in seiner Nähe bin, dann ging es auch und er meinte dann, es ginge ihm gut. Aber so bald ich weg mußte, bekam er die Abstürze. Ich fühlte mich mit der Krankheit einfach völlig überfordert, war dann sogar letzten Sommer schon bei einer Beratungsstelle.
Auf der anderen Seite hatte er Zukunftspläne und war sehr harmoniebedürftig und häuslich. Und dann brach er wieder aus. Er war so wechselhaft. Die einzige Möglichkeit, ihn etwas zu verstehen, sehe ich in der Astrologie.
Liebe Grüße
Sternschnuppe