Mitgefühl kann man auch nicht bewusst herbeiführen, genausowenig, wie man Primärgefühle selbst bestimmen kann.
Liebe Believe!
Ich halte Mitgefühl sogar im Gegenteil für eine Facette weit entwickelten Bewusstseins. Dein Hinweis auf die Primärgefühle macht das vielleicht deutlich: Primärgefühle sind zunächst einmal vorsprachliche Empfindungen, die erst im Nachhinein in der Betrachtung ein sprachliches Mäntelchen bekommen (das wenig darüber aussagt, wie sie sich wirklich anfühlen). Und ich kann immer nur meine eigenen Primärgefühle empfinden.
Zum Mitgefühl schreibt der buddhistische Lehrer Jack Kornfield: "Der nahe Feind des Mitgefühls ist Mitleid, und auch dieses trennt uns. Mitleid fühlt Bedauern für jenen armen Menschen da drüben, als wäre er etwas von uns Verschiedenes..."
Mitgefühl sehe ich als eine Form von Beziehung, die ich mit jemand aufnehme; ich nehme etwas Gemeinsames in mir und einem anderen wahr und weiß (!) zugleich, dass dieses Gemeinsame doch etwas völlig Verschiedenes ist, sehe meine Anteile an dieser Beziehung und seine Anteile, und daraus kann Mitgefühl erwachsen. Dabei ist mir die Funktion der Wahrnehmung eines anderen sehr wichtig - je nach Art und Weise dieser Wahrnehmung wird sich auch mein Mitgefühl anders zeigen. Wahrnehmung wiederum ist nun schon eine Sache, die ganz erheblich trainierbar ist, die lässt sich von Bewusstsein wohl schwer abkoppeln. Wenn Wahrnehmungspotenzial und Bewusstseinsentwicklung Hand in Hand gehen, dann wäre auch Mitgefühl in gewissem Rahmen erlernbar bzw. modifizierbar!? Und ich wäre froh, wenn solche Lernziele etwas mehr Gewicht bekämen gegenüber jenen, die in Pisa-Tests quantifiziert werden. Und wenn Mitgefühl nicht quasi als "Naturereignis" betrachtet würde, das ich eh nicht herbeiführen kann, sondern als humanes Kulturverhalten, das ich erarbeiten und ausbauen kann.
Alles Liebe,
Jake