@Crazy Monk
Ich finde es toll, dass du dich um deine Mutter kümmerst, was für dich sicherlich nicht einfach ist, da es einem mit der Zeit sicher schwer fällt zu differenzieren, was sie als Person betrifft und was durch ihre Krankheit hervorgerufen wird.
Die Grundmerkmale ihres Wesens kenn ich sehr gut und sie treten nach wie vor auch durch die Vergesslichkeit zu Tage. Das ist es ja, weil ich hier nicht nur einen kranken Menschen sehe. Ein Auge glühte immer vor Liebe, im anderen loderte der Zorn. Sie hatte immer strenge Moralvorstellungen und hat alles verachtet, was nicht diesen Vorstellungen entsprach. Immer musste alles nach ihrem Willen passieren. Heute im Krankenhaus hab ich gedacht, sie fällt mir um, vor plötzlichem Zorn, als ich mit ihr an einem Arm und den Tropf hochhaltend mit der anderen Hand nicht gleich in die gewünschte Richtung gegangen bin. Ich wollte sie ins Zimmer zum Leibstuhl bringen, sie aber wollte den weiten Weg zum WC gehen, obwohl sie gar keine Vorstellung hatte, wie weit der Weg ist. Am halben Weg hätte sie fast schlapp gemacht, hatte nur noch die Kraft, mich anzufauchen und als wir dann am Klo angekommen waren, war ihr das auch wieder nicht recht.
Aber so war sie schon immer. Launenhaft, wie die Natur selbst. Mir gelingt es sehr gut, ruhig zu bleiben, weil ich ja weiß, dass sie alt und schwach auch noch dazu ist. Nur trinken darf ich nichts, das ist das einzige.
Irgendwann verletzen einem gewisse Dinge, obwohl sie nichts dafür kann.
Ich kann gut damit umgehen, solang ich nichts trinke.
Vielleicht wäre es an der Zeit die Pflege deiner Mutter Dritten zu übergeben, wenn es seelisch eine zu große Belastung für dich geworden ist!
Dafür wäre es bereits vor 4 jahren an der Zeit gewesen, aber da wollte sie nicht. Da wollte sie, dass ich zu ihr komme und ich hab nicht nein sagen können. Da hatte ich noch andere Pläne und Visionen und die hab ich zu den Akten gelegt. Mittlerweile ist meine eigene Existenz auf der Strecke geblieben, ich arbeite seit 3 jahren nicht mehr und ich bin bereits selber krank geworden. Mein linkes Ohr eitert seit 2 Jahren kontinuierlich dahin und die prostatageschichte hab ich auch schon erwähnt. Aber das ist mir egal wie nur was. Ich jammere nicht den ganzen Tag rum, wegen meiner physischen Beschwerden. Und ich will mir auch nicht von der modernen Apparatemedizin mit Sonden im Kadaver rumfahren lassen. Wenn mein Tod zu mir will, dann soll er kommen. Ich hör mir nur dauernd die Beschwerden anderer an. Wenn Mutter mit alten Freundinnen in der Küche stundenlang über verklemmte Winde, die böse Welt und das schlechte Wetter philosophiert. Ich hab das den Verhältnissen entsprechend immer gut verdaut. So gut ich konnte, hab ich mich Mutters zunehmendem Verfall angepasst. Hab sie lange selbst machen lassen, was sie eben machen konnte, hab ihr nichts abgenommen, was sie machen wollte, aber die Selbstständigkeit wurde einfach immer weniger, im Lauf der Jahre. Wenn sich jetzt Dritte hier wichtig machen, kann ich mir gleich die Kugel geben oder geh mit dem Strick auf den Dachboden. Aber vorher zieh ich noch einmal in den Krieg, weil ich hab vor 4 jahren beschlossen: Um mein Leben kümmere ich mich wieder, wenn sie einen natürlichen Tod in ihrem Bett stirbt, in der Wohnung, die seit 10 Jahren nicht mal mehr zum einkaufen verlassen will.
Und wer denkt, ich tu mir das an um mal reich zu erben, der irrt sich gewaltig. Hier gibts nichtmal einen 5 stelligen Betrag zu verwalten, weil sie ist eine Kriegerwitwenrentnerin und hat die meiste zeit von einem Monat zum anderen gelebt. Erst seit ich hier bin und erhöhtes Pflegegeld besorgt hab, is ein wenig was liegen geblieben und von dem is das Begräbnis zu zahlen, wenns mal soweit ist. Und wenns gut hergeht, gleich meins dazu, weil das was da zum erben übrig bleibt, ist für einen Neustart in mein eigenes Leben sehr spärlich, wenn ich denk, dass ich mich selber erst gesundheitlich wieder auf die Reihe kriegen muss, oder vielleicht nach einer Prostata-OP mit Windeln rumrennen darf. Da pfeif ich sowieso drauf. So wild häng ich nicht am Leben. Das brauch ich nicht. Vor 4 Jahren wußte ich noch, was ich wollte, und habs sausen lassen. Heute hab ich keine Pläne mehr. Leben ist geboren werden, Erfahrungen machen und sterben. Meine Krankheiten repariert nur Einer und zwar dann, wenn Er will.
Das einzige, was ich nicht machen hätte dürfen: mich zwischenzeitlich in einer träumerischen Lovestory zu verlieren. Das war mein einziger, wirklich schwerwiegender Fehler, den ich in den letzten Jahren begangen habe. Das hat mich zu sehr durcheinander gebracht. Und meine große Schwäche, aufkommende Probleme im Alk zu ertränken. Weil dass ich für derartiges Tütütata und Liebesgeflüster keinen Raum und keine Zeit gehabt hätte, hab ich ja bereits vor 2 jahren gewußt. Dazu wäre ich Realist genug gewesen.
Mein Fehler, meine Irrtümer, wenn hier alles den Bach runter geht, aber egal ... alles geht irgendwann den Bach runter. Aber es ist nicht die Mutter, die ich zu nah an mich herangelassen habe, was mich aus der Bahn geworfen hat. Das hab ich angenommen, als meinen Teil. Es war etwas anderes, das ich zu nah an mich herangelassen habe. Die Liebe. Die Verliebtheit. Aber egal. Alles mein Fehler. Mein Irrtum. Mein Versagen. Das kommt raus dabei, wenn man sich Sehnsüchte einreden läßt, die man in Wirklichkeit gar nicht mehr hat, nur weil es scheinbar normal ist, immer etwas zu suchen oder irgendetwas hinterher zu rennen. Ich bin ein naiver Idiot und bleib es wahrscheinlich bis zum Tod. Und wenn ich trinke, kehrt sich meine naivität um in Aggression. Auch das ist nicht wirklich Intelligent, also hinweg mit mir von dieser Murmel der ewigen Gelüste.
Und am meisten will Ärger hochkommen, wenn Mutter mich heute fragt, ob ich denn nicht eine Nette zum heiraten kenn. Als ob ich keine anderen sorgen hätte. Aber ich trags mit Fassung.
Monk