Liebe Animus,
Eines hast du falsch verstanden. Mein Sohn hat keine Angst vor körperlicher Aggression, sondern sie ist nicht sein Naturell. Auch wenn ihm die Kleinen am Strand den Eimer über den Kopf hauen, hat er bis jetzt nichts gemacht, sondern war immer ganz paff oder hat geweint. Andere Kinder wehren sich, er nicht. Ich sehe es erst jetzt, daß er es manchmal ausprobiert, aber entweder ist es deplaziert, oder er hat das Nachsehen. Ich nehme an, das ist eine soziale Entwicklung, die er spät aber doch durchmacht.
Wenn Dein Kleiner sich nicht abgrenzt/ zur Wehr setzt, wenn ihm ein anderes Kind den Eimer über den Dötz haut, dann hat er ein "gestörtes " Verhältnis zur Aggression. Es ist das normalste der Welt, sich zu verteidigen, wenn man angegriffen wird. Wenn man sich nicht verteidigt/abgrenzt, dann unterdrückt man seine eigenen aggressiven Impulse (die einem noch nichtmals bewusst zu sein brauchen). Darin zeigt sich die Angst vor der Aggression. Dein Sohn hat also irgendwie verinnerlicht, dass Aggression etwas schlechtes ist. Aggression ist aber nicht per se etwas schlechtes und jeder Mensch braucht zum Wohlfühlen ein gesundes Verhältnis zu seiner Aggression. Vielleicht gibt es irgendein Hobby oder Sport mit aggressiven Elemten, die Deinem Sohn Spaß machen würden. Auch Toben (also Kind mit Vater oder Mutter) ist ein ganz toller Kanal, um diese Impulse wieder spielerisch ans Tageslicht zu holen.
Bei sich selber ist man ja immer blind. Deswegen nehme ich lieber meine Schwester mit ihren Neffen als Beispiel (und nicht mich
). Der ältere ist einerseits scheinbar aggressionsgehemmt. Der hat sich nie gewehrt, wenn ihm ein Kind auf dem Spielplatz etwas weggenommen oder ihn geschlagen hat. Mich erinnerte er immer an Ferdinand den Stier (von Walt Disney). Ein ganz süßes Kerlchen, in sich gekehrt, träumend und so sanft. Da er sich nie verteidigt hat, hat er eine Menge einstecken müssen. Das änderte sich mit der Ankunft seines jüngeren Bruders auf dieser Welt, den er wirklich über alles liebt. Wenn er sich unbeobachtet wähnt, dann entlädt er seine unterdrückte Aggression gegenüber dem körperlich Schwächeren. Das ist aber nur die eine Seite. Wenn beide miteinander spielen und der jüngere schreit, weil der Ältere irgendetwas "Böses" getan hat, dann geht sofort der Vater dazwischen und schimpft (für mein Empfinden völlig übertrieben und unangemessen) den Älteren aus. Der Vater, selber einerseits völlig aggressionsgehemmt und andererseits übertrieben aggressiv, bietet seinem Sohn also ein ganz tolles Beispiel, wie man "ungleichgewichtig" mit Aggressionen umgeht. Als er noch klein war, sprang immer sofort schützend ein Mutter- oder Vatertier vor den Kleinen, der sich von anderen alles gefallen ließ. Und nun, wo er größer ist, bekommt er Ärger, wenn er seinen Aggressionen Raum gibt. Wir Eltern tun oft ganz merkwürdige Dinge mit unseren Kindern, ohne uns das bewußt zu machen.
So, das waren nun meine abschließenden Worte zum Montag. Alles Gute Euch.
Katarina