Übrigens, wie ich da so aus Thailand erzählt hab, da ist eine Erinnerung in mir wachgeworden, die will ich euch erzählen.
Als damals der Tsunami war am 26.12., da hatten wir schon unseren Flug hinüber gebucht, für den 30.12. meine zwei Herren und ich 5 Tage später. Wir wohnen immer im selben Ressort auf Samui, und das ist schon fast wie eine große Familie. Ich hatte irgendwie das Gefühl, obwohl auf Samui ja nix passiert ist, irgendwen hats ganz arg erwischt von unseren Freunden. Als ich dann landete, erzählte mir mein Freund noch am Flughafen ganz erschüttert, stell dir vor, unser Freund, der Room-Manager von der Anlage, der stammt ja aus Khao Lak... und 9 von seinen Leuten sind tot. Ich kam in der Anlage an, unser lieber Sunan hatte ein Abendessen für mich arrangiert zur Begrüßung - ich hab ihn umarmt und ihm ins Ohr geflüstert Sunan I'm so sorry for you, I knew someone of you is hurt but I didn't know it was you, I'm so sorry.... Ach Thai-Männer müssen doch stark sein und wegen der Ehre und so... wir sind nächtelang mit ihm zusammengesessen, und Stück für Stück hat er zu erzählen begonnen. Seine liebste Schwester, sein Schwager, deren beide Kinder, ein Onkel, dessen Frau und ihre Kinder, und noch ein Onkel... und die meisten von ihnen haben sie nie mehr gefunden, die waren im Meer draußen. Mir wird heut noch kalt.
Ich hab ihm zugehört, er, der Thai, hat mir, der europäischen großen "Schwester" (ich bin so alt wie seine verunglückte Schwester) Sachen erzählt und Dinge gesagt, über die er mit seiner eigenen Frau nicht hätte sprechen können, weil ein Thaimann muß doch stark sein... aber er gab zu, er könne nicht schlafen... Mein Freund hat ihn gefragt, wie er das schafft, daß er einfach arbeiten geht? Er schaute uns an und sagte, das Leben geht doch weiter. Ich hab ihn dabei beobachtet, wenn er morgens zur Arbeit ins Ressort kam, denn die Ahnenhäuser standen genau vor unserem Zimmer, wie er jeden Morgen frische Blumenkränze gebracht hat, 9 Kränze, und 9 Wasserschalen gefüllt hat. Und jedesmal, wenn er an den Häuschen vorbeigegangen ist, hat er sie gegrüßt. Er war ganz still und leise. Seine Trauer war ganz still und unauffällig. Sein Umgang mit dem, was geschehen ist, hat mich tief beeindruckt. Er hat nie nie nie gesagt, warum mußte das geschehen. Diese Frage stellt sich ihnen offenbar nicht. Wir haben ihn das gefragt, ob er nicht da drüber nachdenkt. Er schaute verständnislos. Es hat alles einen Zusammenhang, sagte er, die Dinge geschehen, weil sie geschehen. Er sagte nicht, es wird schon einen Sinn haben. Er hat nicht nach dem Sinn gefragt. Er hat angenommen, was geschehen ist. (Was für eine Kraft in diesem stillen kleinen Mann.)
Heuer im Sommer hab ich ihn wiedergesehen - er kann wieder lachen. Seine Schwester hat er nicht vergessen, auch die anderen nicht, er spricht von ihnen - aber er kann wieder lachen.