Marilyn Monroe

4. Teil:


Ihre unzähligen Beziehungen zu Männern schienen eine verzweifelte Suche nach Anerkennung zu sein — und eine Suche nach einem Vater, den sie nie hatte. Sie fühlte sich zeitlebens zu dominanten, meist älteren Männern hingezogen, die sie «Daddy» nannte. Dies drückte sich sogar in ihren Liedtexten aus: «My Heart Belongs To Daddy» oder «Everybody Needs A Da Da Daddy».

Affären wurden ihr mit Marlon Brando, Yul Brynner, Tony Curtis, Sammy Davis Jr., Albert Einstein, Howard Hughes, John Huston, Elia Kazan, Dean Martin, Robert Mitchum, Yves Montand, Mickey Rooney, Frank Sinatra und Orson Welles nachgesagt. An Sex soll ihr allerdings dabei wenig gelegen haben. Ihrer Schauspiellehrerin zufolge habe sie auch Affären mit Frauen gehabt — unter anderem mit Joan Crawford. «Sie zu küssen», sagte Filmpartner Tony Curtis, «ist wie Hitler zu küssen.»

Ihr zweiter Ehemann Joe DiMaggio, ein bekannter Baseballspieler, verprügelte sie oft, vor allem, wenn sie sich zu offenherzig vor anderen Männern zeigte — so zum Beispiel an dem Tag, an dem sie jene berühmte Szene drehte, bei der sie über einem U-Bahn-Schacht steht und der Fahrtwind ihr Kleid hochbläst, bis das Höschen blitzt. Die Ehe mit Joe DiMaggio hielt nur neun Monate. Und dennoch war die Freundschaft zu Joe die einzige, die noch viele weitere Jahre anhalten sollte.

Keine von Marilyns Beziehungen war normal zu nennen. Auch nicht die Ehe mit dem Intellektuellen Arthur Miller, einem der bekanntesten Schriftsteller und Dramenautoren (Tod eines Handlungsreisenden). Sie soll während der Ehe mehrere Schwangerschaften gehabt haben, die aber alle in Abtreibungen endeten (die sie als Fehlgeburten bezeichnete).

Bei den Dreharbeiten zu Let's Make Love (Machen wir's in Liebe) verguckte sie sich in den französischen Schauspieler Yves Montand (einen ehemaligen Geliebten von Edith Piaf), mit dem sie eine Affäre begann. Im Januar 1961 ließen sich Marilyn und Arthur Miller nach anderthalb Jahren Ehe scheiden. Vorher war es ständig zum Streit zwischen den beiden gekommen.

Marilyn lernte dann die Kennedy-Brüder kennen. Sie soll in John Kennedy, dem damaligen Präsidenten der USA, verliebt gewesen sein. Ihr gehauchtes «Happy Birthday, Mr. President» zu dessen vierzigstem Geburtstag sprach Bände. Sie soll aber auch Avancen von Johns Bruder Robert erhalten haben. Während die Biographen keine Hinweise für eine Affäre mit Robert fanden, gilt es als sicher, dass sie eine Nacht — nicht mehr und nicht weniger — mit John im Bett verbracht hat. Peter Summers, ein Kennedy-Berater, behauptete, er habe eines Tages gesehen, wie sie in dem Haus eines Freundes — Peter Lawford (einem Schwager von John und Robert Kennedy) — zusammen mit John aus dem Badezimmer kam. Marilyn trug nur ein Handtuch: «Ganz klar war sie da drin, in der Dusche, mit ihm. Es war offensichtlich, aber keiner von beiden schien sich Gedanken zu machen.»
 
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5. Teil:


In ihren letzten Lebensjahren ging Marilyn in psychiatrischen Kliniken ein und aus, wobei ihre starke Abhängigkeit von Barbituraten und Alkohol im Vordergrund stand, aber auch depressive Verstimmungen, Ängste und Schlaflosigkeit. Wegen ihrer chronischen Unpünktlichkeit und ihrer Medikamentensucht flog sie aus dem Film Something's Got To Give heraus, und die Studios wollten mit der unzuverlässigen Schauspielerin von da an definitiv nichts mehr zu tun haben. Nach zahlreichen Barbiturat- und Wodka-Überdosierungen wurde sie in einem komatösen Zustand ins Krankenhaus gebracht, wo ihr der Magen ausgepumpt wurde. Im Februar 1962 musste sie deswegen zwangsweise in die Psychiatrie eingewiesen werden.

Danach wurde sie von einem neuen Psychiater, Dr. Ralph Greenson, behandelt. Die Beziehung zwischen den beiden war ungewöhnlich eng. Dr. Greenson traf sich täglich mit seiner Patientin, und Marilyn wurde extrem abhängig von ihrem Psychotherapeuten. Sie zog sogar in seine Nähe nach Brentwood, Kalifornien. Die Betreuung von Marilyn wurde ein Vollzeitjob für ihn. Er stellte eine Haushälterin für Marilyn ein, Eunice Murray, die Marilyn regelmäßig zu Greensons Haus in Santa Monica fuhr, aber auch alle ihre Aktivitäten überwachen und dem Psychiater berichten musste.

Die auffällige Besorgtheit von Dr. Greenson erklärten manche damit, dass er hinter ihrem Geld her gewesen sei, andere meinten, dass er weitergehende Interessen an Marilyn gehabt hatte. Es kann aber auch schlicht so gewesen sein, dass seine intensive Rundumbetreuung aus Sorge um eine extrem gefährdete Patientin entstand.

Am Tag ihres Todes, dem 4. August 1962, hatte sie am frühen Nachmittag lange mit ihrem Arzt geredet. Später am Nachmittag berichteten Bekannte, dass sie den Eindruck erweckte, durch Psychopharmaka benebelt zu sein. Ihr Internist, Dr. Hyman Engelberg, hatte ihr gerade ein neues Rezept für das Schlafmittel Nembutal (Pentobarbital) gegeben. Engelberg war ursprünglich von Greenson selbst beauftragt worden, Marilyns medikamentöse Behandlung zu übernehmen. Später wollte der Psychiater allerdings wieder die Verordnungen allein durchführen, da sie sich offensichtlich von beiden Ärzten Medikamente verschreiben ließ. Greenson hatte versucht, den Nembutal-Missbrauch der Diva zu durchbrechen und sie auf das Schlafmittel Chloralhydrat umzustellen, das weniger Suchtpotenzial hat.

Die Betreuerin Eunice Murray rief Dr. Greenson morgens um 3.30 Uhr an und teilte ihm mit, dass mit Marilyn etwas nicht stimme. Der Arzt eilte sofort zu ihrem Haus. Als er in das Schlafzimmer kam, war sie tot. Sie lag nackt auf ihrem Bett, mit dem Gesicht nach unten, eine Schlafmittelflasche neben sich. Vom Gerichtsmediziner wurde der Tod als «wahrscheinlicher Suizid» eingestuft. Im Blut fand man Nembutal und Chloralhydrat.
 
6. Teil:


Wie bei allen ungeklärten Todesfällen der Superstars entstanden nun Gerüchte und Verschwörungstheorien. Marilyn habe zu viel über die Kennedys gewusst und musste sterben, weil sie ein nationales Sicherheitsrisiko geworden sei. Oder: Die Mafia habe sie ermorden lassen, um sich an Robert Kennedy zu rächen, da der Justizsenator die Organisation verfolgte. Für die Mordthese wird angeführt, dass Marilyn eine sehr hohe Nembutal-Konzentration im Blut gehabt habe, die ausschließlich durch eine Injektion hätte herbeigeführt werden können (man fand aber keine Injektionseinstiche).

Die wahrscheinlichste Ursache für ihren Tod aber wird am wenigsten diskutiert.

Wir sehen bei Marilyn eindeutig alle Anzeichen einer BorderlineStörung. Ihre Kindheit wies die typischen Risikofaktoren für eine emotional instabile Persönlichkeit auf Vernachlässigung, ständiger Wechsel der Bezugspersonen, Heimkarriere und sexueller Missbrauch. Ein typisches Borderline-Merkmal sind häufig wechselnde, unstete Beziehungen. Auch ihr promiskuitives Sexualleben vor Beginn ihrer Karriere passt hier ins Bild. Ebenso sind ihre Depressionen und sozialen Ängste, die sie mit Wodka und Barbituraten bekämpfte, ihre Überdosierungen und Suizidversuche charakteristisch für die Störung.
 
7. Teil:


Zu ihrer Borderline-Störung passte auch, dass Marilyn ein untrügliches Gespür für ihre Wirkung auf die Menschen hatte.

Sie spielte nicht den bedrohlichen, männermordenden Vamp, sondern die sanfte, Vertrauen erweckende Schönheit. Sie hatte genau die Mischung aus kindlich-schutzbedürftig-naiv-humorvoll einerseits und mütterlich-weich-weiblich andererseits, die den Männern die Angst nahm und gleichzeitig ihre sexuellen Wünsche ansprach.

Aber auch auf Frauen übte sie eine magische Anziehungskraft aus, sonst wäre ihr Aussehen nicht millionenfach kopiert worden.

Ihr chaotisches Verhalten im Beruf und ihre Unzuverlässigkeit waren nicht nur eine Folge ihrer Sucht, sondern auch Ausdruck einer Impulskontrollstörung. Ein ausgeprägter narzisstischer Geltungsdrang, wie wir ihn häufig bei Borderline-Patienten sehen, erklärte wohl ihren unbändigen Ehrgeiz, ins Filmgeschäft zu kommen. Dabei war ihr jedes Mittel recht, wie zum Beispiel mit einem fast siebzigjährigen Produzenten ins Bett zu steigen.

Mit dem Vorliegen einer schweren Borderline-Störung kann auch die absolute Wirkungslosigkeit aller therapeutischen Versuche erklärt werden.

Aber das Erstaunlichste an diesem Fall ist wieder, dass eine schwer kranke Frau es geschafft hat, die berühmteste Schauspielerin, der Traum schlafloser Nächte aller Männer der westlichen Welt, das Vorbild für unzählige Frauen und die Liebhaberin von Millionären, Schauspielern und Präsidenten zu werden. Es zeigt, wie sehr wir uns von Menschen mit Persönlichkeitsstörungen faszinieren lassen.

Eine plausible Erklärung für ihren Tod mit sechsunddreißig Jahren, die am wahrscheinlichsten ist, wird kaum in Erwägung gezogen, vielleicht weil sie so wenig sexy, so banal und so tragisch ist: Marilyns Tod kann ein Unfall gewesen sein. Niemand war schuld, außer Marilyn selbst. Sie hatte, wie unzählige Male vorher, versucht, ihre Borderline-Ängste mit immer höheren Schlafmitteldosen zu bekämpfen. Sie hatte, wie unzählige Male vorher, einfach alles durcheinander eingenommen. Sie wollte einfach nur ihre Ruhe haben — Ruhe von den schrecklichen Ängsten und unerträglichen Nöten.
 
8. Teil:


Einer weiteren Theorie zufolge hatten der Psychiater und die Haushälterin ihren Tod zu verantworten, da Eunice Murray nach Greensons Anweisung Marilyn einen Chloraldurat-Einlauf gegeben hatte, der zusammen mit den eingenommenen Nembutal-Tabletten eine tödliche Mischung ergeben habe.7° Eine Fahrlässigkeit des Arztes kann man aber wohl kaum attestieren. Marilyn hatte, wie man es oft bei Borderline-Patienten sieht, ihre beiden Ärzte Greenson und Engelberg gegeneinander ausgespielt, um sich von beiden Medikamente beschaffen zu können. Einerseits waren die Ärzte gezwungen, ihr das Nembutal weiter zu verschreiben; denn bei einer Barbituratsucht könnte ein plötzliches Absetzen des Medikaments sehr gefährlich werden. Andererseits sah Greenson die Verordnung von Chloraldurat als gerechtfertigt, da er damit hoffte, die Patientin von ihrer Nembutal-Sucht abzubringen. Wie viel die Patientin dann selbst einnahm, konnten die Ärzte nicht kontrollieren.

In den Stunden vor ihrem Tod hatten offenbar unzählige Leute mit Marilyn telefoniert: der Sohn ihres Exmannes Joe DiMaggio, einer ihrer Teilzeitgeliebten, Jose Bolanos, ihr Friseur Sidney Guilaroff und noch weitere Personen. Dr. Greenson soll an diesem Tage lange bei Marilyn gewesen sein, außerdem der Schauspieler Peter Lawford. Ferner sei Robert Kennedy im Hause gewesen; das gab wenigstens Eunice Murray an. Außer der Haushälterin war noch deren Schwiegersohn im Haus.

Da Anrufern die verwaschene Sprache der Schauspielerin aufgefallen war, bat Marilyns Anwalt Milton Rudin Eunice Murray, noch einmal nach ihr sehen. Die Hausdame meldete zurück, sie schlafe - da war die Schauspielerin möglicherweise bereits im Koma.

Marilyn war also an diesem Tag ständig von Menschen umgeben, außerdem hatte sie zahlreiche Telefonkontakte. Das lässt die Mordthese als völlig unwahrscheinlich erscheinen: Niemand würde einen Mord ausgerechnet dann ausführen, während eine Person so intensiv von anderen Menschen kontaktiert wird. Es wäre auch ein recht halbherziger und riskanter Tötungsversuch, wenn man jemandem, der bereits an hohe Dosen eines Barbiturats gewöhnt ist, nur ein wenig mehr geben würde, sodass der Ausgang ungewiss ist.

Auch ein geplanter Suizid erscheint gänzlich ausgeschlossen. Es wäre ein denkbar schlechter Tag für einen Freitod gewesen, angesichts der zahlreichen Besucher im Haus. Die Chance, gefunden zu werden, war sehr hoch.

Logischerweise hätte Marilyn, die ja vorher schon immer wieder ihre Schlafmittel überdosiert hatte, für einen Suizid nicht einfach nur ein paar Tabletten mehr genommen als sonst. Ihre Kenntnisse über Psychopharmaka waren nach ihrer langen Erfahrung sicher ausreichend, um zu wissen, dass sie, um ganz sicherzugehen, konsequenter hätte vorgehen müssen. Nach einer mehrjährigen Tablettenabhängigkeit wird man zu einer Art Hobbypharmakologen und weiß alles über solche Tabletten — zum Beispiel auch, dass man, wenn man an eine sehr hohe Dosis gewöhnt ist, diese noch extrem steigern muss, um wirklich tot zu sein.
 
9. Teil:

Warum hat sie nicht die restlichen zehn Chloralhydrat-Tabletten auch noch genommen, und die vierundvierzig Kapseln des Schlafmittels Librium, die nach ihrem Tod an ihrem Bett gefunden wurden? Warum nicht die vierundzwanzig Kapseln des Beruhigungsmittels Promethazin, die neben ihr lagen? Mit diesem Mittel, das gegen Übelkeit hilft, hätte sie zusätzlich noch ein Erbrechen verhindern können — wenn man sehr viele Tabletten auf einmal nimmt, wird der Suizid oft durch das Ausspeien der Tabletten verhindert.

Wenn sie wirklich hätte sterben wollen, hätte sie nicht ständig mit Freunden telefoniert, die ja an ihrer verwaschenen Sprache die Schlafmittelüberdosierung erkennen konnten und Hilfe hätten schicken können. Sie hätte auch damit rechnen müssen, dass Eunice Murray und ihr Schwiegersohn ständig nach ihr sehen. Sie konnte noch nicht einmal die Tür ihres Zimmers abschließen — das Schloss funktionierte nicht. Das Wahrscheinlichste, wovon sie hatte ausgehen müssen, wäre gewesen, wieder in die Klinik gefahren zu werden, um sich den Magen auspumpen zu lassen — eine äußerst unangenehme Prozedur.

Mit anderen Worten: Dass sie starb, war nicht beabsichtigt. Sie hatte einfach nur ein paar Pillen zu viel genommen und war an einer Atemlähmung gestorben, die bei Barbituraten wie Nembutal fatalerweise schon bei geringgradigen Überdosierungen eintritt. Warum wollte aber niemand diese einfache Borderline-Unfall-Theorie als die plausibelste ansehen? Weil gesunde Menschen es nicht verstehen, dass Menschen dieses Spiel mit dem Tod so leichtfertig spielen.

GRENZGÄNGER
Drogenüberdosis oder Alkoholvergiftung scheint der häufigste Grund für ein frühes Ableben von Künstlern zu sein.
 
Nun ja, von Borderline habe ich keine große Ahnung, aber so zusammengefasst hatte Marilyn ja ein tragisches Leben.
Ich vermute mal, mit den heutigen Therapiemethoden und auch Psychopharmaka wäre es für sie (vielleicht) besser gelaufen.

Hast du die Angaben über ihr Leben aus einer Biographie?

lg siempre
 
Danke fürs Reinstellen der Biografie!

Wie man ihr entnehmen kann, hatte MM schon in jungen Jahren ein Alkoholproblem. Sie konnte wohl nüchtern ihr Leben nicht richtig leben. Was Promiskuität angeht, so hatte ihr das ihre Mutter ja vorgelebt, das erschien ihr also als völlig normal. Ich kann es mir auch so vorstellen, dass sie immer was suchte, am Anfang einer Affäre vielleicht glaubte, es gefunden zu haben, die Sehnsucht erfüllte sich aber nicht, und schon wurde bei der nächsten weiter gesucht...Mond/Neptun ist ja Sehnsucht, und eine Sehnsucht wird nie erfüllt, weil es ja die Sehn-Sucht ist, die gelebt werden will. Ist einem nicht bewusst, man muss es irgendwann erkennen, dass es so ist, dann geht es.

Wenn die Rolle in Misfits ihr selber entspricht, dann sieht man, dass sie sehr herzlich und offen war. Das machte sie aber auch sehr verletzbar. Ich verstehe sie, dass sie sich mit verschiedenen Mitteln betäuben musste. Sie war eine sehr bekannte Person, sie konnte da nicht raus; einerseits aus diesem Leben, andererseits aus ihrer mittlerweilen Tablettensucht. Es zeigte sich schon an ihrem Gewicht, und da konnte sie wahrscheinlich nichts dran ändern. Wobei ich finde, dass ihr die paar Kilos zuviel auch gut standen. Es kommt aber eben drauf an, ob man selber damit zufrieden ist.
 
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Ich kenne keinen vergewaltigten Mann, keine vergewaltigte Frau, der/die sich nicht betäubt, um zu vergessen
und wäre MM nicht missbraucht und hin- und hergeschoben worden, hätte sie nie einen Grund gehabt zu saufen oder Tabletten zu nehmen.
Also ist Mond-Neptun hinfällig!
 
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