Ein Schüler Glaube kann Wunder bewirken
Ein großer Guru, der in einem Tempel am Ufer eines breiten Flußes lebte und weitherum Hunderte von Schülern hatte, versammelte eines Tages alle seine Schüler um sich und sagte, er wolle sie alle noch einmal vor seinem Tode sehen, der bald bevorstehe. Die Lieblingsschüler des Gurus, die ständig bei ihm lebten, bekamen Angst und hielten sich Tag und Nacht ganz in seiner Nähe auf. Denn sie dachten, er würde ihnen endlich das große Geheimnis enthüllen, wie es ihm gelungen war, ein so großer Meister zu werden. Und da sie alle fürchteten, diese einmalige Gelegenheit zu verpassen, warteten sie gespannt auf den Augenblick, in dem das Geheimnis gelüftet werden würde. Denn obwohl ihr Guru ihnen viele heilige Mantras beigebracht hatte, hatten sie keine überirdischen Kräfte erlangt und dachten daher, der Guru habe die eigentliche Methode immer noch für sich behalten. Jede Stunde trafen Schüler von überall her ein und warteten mit großer Spannung.
Da kam auch ein bescheidener Schüler, der weit weg auf der anderen Seite des Flußes lebte. Aber der Fluß hatte Hochwasser und war so aufgewühlt, daß nicht einmal Boote ihn überqueren konnten. Der Schüler durfte jedoch keine Zeit versäumen, denn in der Zwischenzeit könnte der Guru sterben. Was sollte er also tun? Er wußte, daß das Mantra, das der Guru ihn gelehrt hatte, allmächtig war und alles vollbringen konnte. Das war sein fester Glaube. Also sang er das Mantra mit Vertrauen und Hingabe und überquerte so den Fluß. Alle Schüler, die das sahen, waren über seine Kräfte erstaunt. Und da sie ihn als einen erkannten, der schon vor langer Zeit zu ihrem Lehrer gekommen, nur einen Tag geblieben und wieder gegangen war, nachdem der Guru ihm etwas beigebracht hatte, dachten sie alle, der Guru habe ihm das Geheimnis anvertraut. Sie fragten ihren Guru nach dem Grund, warum er sie so getäuscht habe, obwohl sie ihm viele Jahre lang bescheiden gedient hätten und warum er das Geheimnis einem Fremden preisgegeben habe, der übrigens vor langer Zeit nur für einen Tag hergekommen sei.
Der Guru bedeutete ihnen lächelnd, ruhig zu sein. Er ließ den bescheidenen Schüler rufen und gebot ihm, den anderen zu erzählen, was er ihn vor langer Zeit gelehrt habe. Die eifrige Gruppe der Schüler war verblüfft vor Verwunderung, als sie ihn den Namen "Kudu-Kudu" mit Ehrfurcht, Verehrung und Hingabe aussprechen hörten. "Seht", sagte der Guru, "er glaubte daran und war überzeugt, den Schlüssel zu allem zu haben. In gleichem Maße wird er für seinen Glauben, seine Konzentration und Hingabe belohnt. Ihr aber habt immer daran gezweifelt, daß dies alles sei und geglaubt, es gebe noch etwas, das noch nicht enthüllt ist, obwohl ich euch sehr kraftvolle Mantras gegeben habe. Das hat eure Konzentration zerstreut; der Gedanke an das große Geheimnis beherrschte euren Geist. Ihr dachtet ständig über die Unvollkommenheit des Mantras nach. Diese unbeabsichtigte und unbemerkte Konzentration auf die Mangelhaftigkeit machte euch selbst mangelhaft."