Die Geschichte von Upamanyu
Der Name eines anderen Schülers von Ayoda-Dhaumya war Upamanyu. Es kam der Tag, an dem Dhaumya ihm folgendes bestimmte: Geh, mein Kind, und hüte das Vieh. Und Upamanyu gehorchte. Den ganzen Tag hütete er die Kühe, und am Abend kehrte er ins Haus seines Lehrers zurück, stand vor ihm und grüßte ihn respektvoll. Nach einigen Tagen bemerkte sein Lehrer, wie der Junge in bester körperlicher Verfassung vor ihm stand und fragte ihn: Upamanyu, mein Kind, wovon ernährst du dich? Du bist außerordentlich füllig.
Die Antwort war: Herr, ich ernähre mich durch Betteln. Da sprach sein Lehrer: Was dir als Almosen gegeben wird, solltest du nicht für dich allein behalten, ohne es mir anzubieten. Nach diesen Worten ging Upamanyu davon. Als er wieder Almosen erhielt, bot er diese seinem Lehrer an. Und der nahm von ihm alles.
Nachdem Upamanyu so behandelt worden war, ging er zum Vieh zurück. Wieder hütete er es den ganzen Tag, und stand am Abend respektvoll grüßend vor seinem Lehrer. Dieser bemerkte, daß sein Schüler immer noch bei guter Verfassung war und sprach: Upamanyu, mein Kind, ich nehme dir alles weg, was du an Almosen erhältst und lasse dir nichts übrig. Wie schaffst du es immer noch, dich zu ernähren? Und Upamanyu erklärte: Herr, nachdem ich dir alle Almosen übergeben hatte, ging ich ein zweites Mal betteln, um selber zu essen.
Sein Lehrer sprach: Das ist nicht die Art, wie du den Worten deines Lehrers gehorchen solltest. Auf diese Weise verringerst du die Unterstützung für andere, die vom Betteln leben. Indem du dich auf diese Weise erhalten hast, hast du dich gierig gezeigt. Da stimmte Upamanyu allem zu, was sein Lehrer gesagt hatte, und ging fort, sich um die Kühe zu kümmern.
Er hütete sie bei Tage, kam am Abend zum Haus seines Lehrers, stand vor ihm und grüßte ihn voller Respekt. Doch immer noch war er mollig und wurde gefragt: Upamanyu, mein Kind, ich nehme dir alles weg, was du erbittest, und du gehst kein zweites Mal betteln. Doch immer noch bist du gesund und rund. Wie machst du das nur? Upamanyu erwiderte: Ich trinke die Milch der Kühe.
Doch sein Lehrer sagte ihm: Es ist nicht recht von dir, von dieser Milch zu trinken, ohne vorher meine Erlaubnis einzuholen. Upamanyu stimmte der Richtigkeit dieser Worte zu und ging davon, sich um die Kühe zu kümmern. Als er zu seinem Lehrer wiederkam, ihn zu grüßen, hatte sich nichts verändert. Dhaumya fragte ihn erneut: Upamanyu, mein Kind, du ißt keine Almosen, gehst kein zweites Mal betteln, trinkst nicht mehr die Milch meiner Kühe und bist immer noch fett. Wovon ernährst du dich nun?
Die Antwort war: Herr, ich schlecke nun den Schaum, den die Kälber ausspucken, wenn sie an den Zitzen ihrer Mütter saugen. Daraufhin sprach sein Lehrer: Nun, ich bin sicher, daß diese Kälbchen aus Mitgefühl für dich große Mengen Schaum ausspucken. Möchtest du ihr volles Mahl auf diese Weise weiter stören? Wisse, es ist nicht recht von dir, den Schaum zu trinken. Upamanyu stimmte zu und ging davon.
Von seinem Lehrer zurückgehalten aß er keine Almosen, trank weder Milch noch Schaum, und hatte gar nichts zu essen. Eines Tages aß er vor lauter Hunger von den Blättern eines Arka Baumes im Wald. Die scharfen, bitteren, rohen und salzigen Eigenschaften der Blätter, welche er gegessen hatte, griffen seine Augen an, und er wurde blind. Als er so herumkroch, fiel er in einen tiefen Graben und konnte nicht zum Haus des Rishis heimkehren. Als an diesem Tag die Sonne hinter den Gipfeln der Berge im Westen versank, sprach der Lehrer zu seinen anderen Schülern, daß Upamanyu nicht da war. Sie antworteten ihm, daß dieser ausgegangen war, das Vieh zu hüten. Und Dhaumya meinte, er hätte Upamanyu von allem zurückgehalten, und deswegen wäre er wohl bis jetzt noch nicht nach Hause gekommen.
Laßt uns nun alle loslaufen, um ihn zu suchen. Gesagt, getan. Dhaumya ging mit seinen Schülern in den Wald und begann zu rufen: Hey, Upamanyu, wo bist du? Komm her, mein Kind! Als Upamanyu die Stimme seines Lehrers vernahm, antwortete er mit lauter Stimme: Hier bin ich, am Grunde eines Grabens. Und sein Lehrer fragte ihn: Wie bist du da hineingefallen?
Upamanyu erwiderte: Ich wurde blind, nachdem ich von den Blättern eines Arka Baumes aß, und so stolperte ich hinein. Daraufhin riet ihm sein Lehrer: Verehre die Aswin Zwillinge, die beiden Ärzte der Götter. Sie werden deine Sicht wiederherstellen. Von seinem Lehrer solcherart angewiesen, begann Upamanyu, die Aswin Zwillinge mit den folgenden Worten aus dem Rigveda zu preisen:
Oh ihr Erstgeborenen, ihr existiertet vor der Schöpfung! Ihr offenbart euch im wunderbaren Universum der fünf Elemente (Raum, Luft, Feuer, Wasser, Erde). Ich wünsche, euch zu erfahren mithilfe von gehörtem Wissen und Meditation, denn ihr seid grenzenlos.
Ihr seid der Lauf der Natur selbst und die weise Seele, welche diesen Zyklus durchdringt.
...
Dreihundert und sechzig Kühe, die ebenso vielen Tagen entsprechen, gebären ein Kalb, und das ist das Jahr. Dieses Kalb ist der Schöpfer und Vernichter von allem. Die Wahrheitssuchenden, auch wenn sie vielen Wegen folgen, schöpfen die Milch der Wahrheit mit seiner Hilfe. Ihr Aswins, ihr seid die Schöpfer dieses Kalbes.
...
Dieses Rad der Zeit offenbart die Früchte der Taten aller Wesen. Selbst die führenden Götter der Zeit bleiben in diesem Rad.
Gebunden bin auch ich von seinen Banden, oh Aswins, befreit mich von diesem Rad der Zeit. ...
Macht mich unabhängig vom Einfluß der fünf Elemente!
Am Anfang schuft ihr die zehn Himmelsrichtungen des Universums. Ihr habt die Sonne und den Himmel an ihren Platz gehoben. Die Rishis führen ihre Opferzeremonien anhand des Kurses derselben Sonne durch. Auch Götter und Menschen zelebrieren ihre Opfer wie es ihnen zugewiesen wurde und erfreuen sich an den Früchten dieser Taten. Indem ihr die drei (Dutt: zehn) Farben mischtet, erschuft ihr alle sichtbaren Objekte. Aus diesen Objekten entstand das Universum, in dem Götter, Menschen und alle Wesen, die mit Leben gesegnet wurden, mit ihren jeweiligen Aufgaben beschäftigt sind.
Ihr Aswins, ich verehre euch! Ich verehre auch den Himmel, der euer Werk ist. Euch sind die Früchte aller Taten geweiht, von denen auch die Götter nicht frei sind. Doch ihr selbst seid frei von den Früchten eurer Taten. Ihr seid die Eltern von allem. Als Mann und Frau verschlingt ihr die Nahrung, welche sich später in lebensspendenden Saft und Blut verwandelt. Das neugeborene Kind saugt an der Brust der Mutter. Wahrlich, das seid ihr, ihr nehmt die Gestalt dieses Kindes an. Oh Aswins, gewährt mir das Augenlicht, um mein Leben zu beschützen.
Nachdem Upamanyu die Aswins auf diese Weise gelobt hatte, erschienen sie vor ihm und sprachen: Wir sind mit deiner Hingabe sehr zufrieden. Hier ist ein Keks für dich. Nimm ihn und iß. Doch Upamanyu erwiderte: Eure Worte, oh Aswins, sind niemals unwahr. Doch ich wage es nicht, ihn zu essen, ohne den Keks zuerst meinem Lehrer anzubieten.
Da sprachen die Aswins: Dein Lehrer hat uns auch einmal herbeigebeten. Wir gaben ihm einen Keks wie diesen und er aß ihn, ohne ihn vorher seinem Meister anzubieten. Tue, was dein Lehrer damals tat. Doch Upamanyu sprach erneut: Oh Aswins, ich flehe um eure Gnade. Ich kann ihn nicht annehmen, ohne ihn vorher meinem Lehrer anzubieten.
Da erwiderten die Aswins: Wir sind zufrieden mit deiner Hingabe zu deinem Lehrer. Die Zähne deines Meisters sind von schwarzem Eisen. Deine sollen golden sein. Dir soll das Augenlicht wiedergegeben werden, und du sollst Glück erfahren. Nach diesen Worten der Aswins kehrte ihm das Sehvermögen zurück. Er ging zu seinem Lehrer, grüßte ihn und erzählte ihm alles, was passiert war. Auch sein Lehrer was sehr zufrieden mit ihm und sprach: Du sollst genau das Glück erfahren, wie es die Aswins erwähnten. Alle Veden sollen in dir scheinen und alle Dharma Shastren. Und das war seine Prüfung.