Mahabharata

Mahabharata 1. Buch
Jatugriha Parva des Adi Parva 152

Die Pandavas werden von Bhima weiter getragen

Als die Nacht vorüber war, versammelte sich eine große Menschenmenge um das niedergebrannte Lackhaus, und die Bürger von Varanavata erkannten, daß auch Duryodhanas Beauftragter Purochana in den Flammen umgekommen war. ...“

Dann untersuchten sie die glühende Asche nach Spuren von den Pandavas und fanden die Überreste der unschuldigen Nishada Frau mit ihren fünf Söhnen. Der Bergmann, den Vidura gesandt hatte, verbarg beim Wegräumen der Hausreste den Eingang des von ihm gegrabenen Tunnels geschickt unter der Asche, so daß niemand ihn erkennen konnte. Dann schickten die Bürger Boten zu Dhritarashtra, um ihn zu informieren, daß die Pandavas nebst Purochana im Feuer umgekommen waren.

Als König Dhritarashtra die üblen Neuigkeiten vernahm, brach er kummervoll in Tränen aus. Er sprach: „Wahrlich, mein großer und ruhmreicher Bruder, König Pandu, starb heute, denn seine heldenhaften Söhne verbrannten zusammen mit ihrer Mutter. Ihr Männer, kehrt schnell nach Varanavata zurück und führt die Begräbnisriten für die Helden und für Kunti durch. Heiligt die Knochen der Verstorbenen mit den üblichen Riten, und führt alle großen und wohltätigen Handlungen aus...

Zu der Zeit waren die fünf starken Pandavas mit ihrer Mutter schon am Ufer der Ganga vom Bootsmann erkannt und von ihm über den Fluß geführt worden. Sie hatten schnell das andere Ufer erreicht, denn der Bootsmann hatte starke Arme, die Strömung war schnell, und es bliesen günstige Winde. Das Boot zurücklassend gingen sie in südliche Richtung und fanden ihren Weg in der Dunkelheit beim Licht der Sterne. ... Da sprach Yudhishthira zum kraftvollen Bhima: „Was könnte schmerzlicher sein als das?

Wir sind nun in einem dichten Wald, und können keine Richtung mehr erkennen. Noch haben wir die Kraft, um weiter zu wandern. Auch wissen wir nicht, ob dieser übelgesinnte Purochana mit verbrannt ist oder nicht. Wie können wir unerkannt der Gefahr entkommen? Oh Bharata, heb uns hoch und trage uns wie schon einmal. Du bist der einzige von uns, der so stark und schnell wie der Wind ist.“ Nach diesen Worten seines gerechten Bruders hob Bhima seine Mutter und die Brüder hoch und trug sie mit großer Geschwindigkeit davon.
 
Werbung:
Mahabharata 1. Buch
Jatugriha Parva des Adi Parva 153

Bhimas Klage

Vaisampayana fuhr fort:
Als der gewaltige Bhima weiterschritt, schien der ganze Wald mit allen seinen Bäumen und deren Zweigen von der Wucht seiner Brust zu erzittern. Der Wirbel seiner Beine verursachte einen Wind, wie er zur Zeit der Monate Jaishthya und Ashadha bläst (der Sommermonsun). Bei seiner Wanderung schuf Bhima eine Schneise, in der alle Bäume und Pflanzen von ihm niedergetrampelt wurden. Die Bäume und Pflanzen nebst allen Blüten und Früchten, die ihm im Wege standen, mußten dem Druck seines Marsches weichen. ...

Gegen Abend erreichte Bhima mit seiner Familie einen einsamen Wald, indem kaum Früchte, Wurzeln oder Wasser vorhanden waren. Von allen Seiten erschallten die schrecklichen Rufe der Vögel und wilden Tiere. Das Zwielicht schwand, die wilden Schreie der Vögel und Tiere wurden bedrohlicher, ein unangenehmer Wind begann zu blasen und schließlich hüllte sich alles in undurchdringliches Dunkel. ... Die Prinzen mit ihrer Mutter waren müde und durstig, kämpften mit dem Schlaf und waren nicht mehr in der Lage, nur einen Schritt zu tun. So setzten sie sich völlig erschöpft und ohne Nahrung oder Wasser nieder.

Kunti war sehr durstig und sprach zu ihren Söhnen: „Ich bin die Mutter der fünf Pandavas und sitze in ihrer Mitte. Und doch brenne ich vor Durst.“ Dies wiederholte sie wieder und wieder. Voller Zuneigung zu seiner Mutter erwärmte sich Bhimas Geist mit Mitgefühl und er beschloß, alle zu tragen und weiterzuwandern wie bisher. Nach einer Weile des Wanderns durch diesen schrecklichen und einsamen Wald, erblickte er einen schönen Banian Baum mit weitausladenden Zweigen. Er setzte Brüder und Mutter unter dem Baum ab und sprach zu ihnen: „Ruht euch hier aus, während ich auf Wassersuche gehe. ...“

... Bald kam er an einen Teich, badete und stillte seinen Durst. Liebevoll schöpfte er mit seiner sich vollsaugenden Kleidung Wasser für seine Familie. Eilig wandte er seine Schritte zurück zu seiner Mutter und durchmaß die vier Meilen im Nu. Als er sie sah, überkam ihn der Kummer, und er zischte wie eine Schlange. Sowohl die Mutter als auch die Brüder waren auf dem blanken Boden eingeschlafen, und Bhima mußte bei diesem Anblick weinen.

Bhima klagte:
Weh, ich Armer. Hier muß ich mit ansehen, wie meine Brüder auf der harten Erde schlafen. Was kann es schmerzlicheres für mich geben? ... Und wie schmerzlich ist es, Kunti hier im Wald schlafen zu sehen, wie sie niemals schlafen sollte; die Schwester von Vasudev, diesem Vernichter von feindlichen Armeen, die Tochter von Kuntiraja, mit allen glücksverheißenden Zeichen geziert, die Schwiegertochter von Vichitravirya, Ehefrau von Pandu und Mutter von uns fünf Brüdern. ...

Wer keine eifersüchtigen und heimtückischen Verwandten hat, lebt so glücklich in dieser Welt wie ein einzelner Baum in einem Dorf. Denn wenn dort keine anderen Bäume sind, wird er mit seinem Laub und den Früchten heilig. Er wird hoch verehrt und von allen geachtet.
Und wer viele heroische und tugendhafte Verwandte hat, lebt auch ohne jedwede Sorgen in dieser Welt. Er ist mächtig, wächst im Wohlstand und beglückt seine Freunde und Familie, welche alle voneinander abhängend leben, wie hohe Bäume im selben Wald. Doch wir wurden vom hinterhältigen Dhritarashtra mit seinen Söhnen ins Exil gezwungen und konnten nur mit Mühe und bloßem Glück einem gräßlichen Tod entfliehen. ... Doch was kann ich tun? Der tugendhafte König Yudhishthira, der älteste der Pandavas, hegt noch keinen Zorn für euch sündige Lumpen!“

Vaisampayana erzählte:
Nach diesen Worten rang der mächtige und zornige Bhima seine Hände und seufzte schwer. Noch einmal loderte sein Zorn gewaltig auf, wie ein erlöschendes Feuer sich plötzlich nochmals erhebt, als er seine Brüder betrachtete, die wie arme Männer auf dem Boden schliefen. Dann sprach er zu sich: „Ich glaube, da ist eine Stadt nahe am Wald. Während sie schlafen, will ich wachen. Wenn sie sich erfrischt vom Schlaf erheben, können sie ihren Durst löschen.“ So blieb Bhima sitzen und wachte über den Schlaf von Mutter und Brüdern.
 
Mahabharata 1. Buch
Hidimbabadha Parva
Kapitel 154

Hidimba verliebt sich in Bhima

Nicht weit entfernt von dem Ort, an dem die Pandavas ermattet schliefen, lebte ein Rakshasa namens Hidimba in einem Sal Baum. Er verfügte über große Energie und heldenhafte Kraft, gierte nach Menschenfleisch und hatte ein grimmiges Antlitz wegen seiner scharfen und langen Zähne. Er war hungrig, und es verlangte ihn nach Nahrung. Er hatte rote Locken und einen roten Bart, einen großen Bauch und lange Schenkel. Seine Schultern waren breit mit einem baumstarken Nacken, seine Ohren wie Pfeile und seine Züge waren gräßlich. Mit seinen roten Augen blickte er um sich und entdeckte die schlafenden Söhne Pandus. Das großmäulige Monster schüttelte seine wirren und trockenen Locken, kratzte sich mit seinen aufwärts gebogenen Fingern, und starrte unaufhörlich auf die schlafenden Pandavas, während er ab und zu begehrlich gähnte.

... Er sog den Duft der Menschen ein und sprach zu seiner Schwester: „Oh Schwester, es ist lange her, daß solch feines Essen vor mir erschien. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen, wenn ich mir den kommenden Genuß vorstelle. Nach langer Zeit werde ich meine acht scharfen Zähne, denen nichts widerstehen kann, in dieses köstliche Fleisch schlagen. Ich werde den Menschen die Kehle durchbeißen, ihre Adern öffnen und jede Menge frisches, heißes und schäumendes Blut trinken. Geh und finde heraus, wer dort im Walde schläft. Der starke Geruch nach Mensch kitzelt angenehm in meiner Nase. Schlachte sie und bring sie mir. Sie schlafen in meinem Reich. Fürchte dich nicht vor ihnen. Komm meiner Bitte nur schnell nach, dann werden wir zusammen ihr Fleisch verspeisen und ihre Körper zerfleischen, wie es uns gefällt. Und wenn wir uns an ihnen sattgegessen haben, werden wir zu vielen Liedern tanzen.“

So ging seine Schwester (ihr Name ist auch Hidimba) auf Geheiß ihres Bruders zu dem Ort, an dem die Pandavas mit ihrer Mutter schliefen und der unbesiegbare Bhima Wache hielt. Als Hidimba den unvergleichlich schönen Bhima erblickte, so stark wie ein kraftvoller Sal Baum, verliebte sich die Rakshasi sofort in ihn. Sie dachte bei sich: „Dieser Mann mit einer Haut wie erhitztes Gold und mächtigen Armen, so breiten Schultern wie ein Löwe, mit den drei Linien im Nacken wie bei einer Muschel und den Augen wie Lotusblättern ist so strahlend und wahrlich würdig, mein Ehemann zu sein. Ich werde nicht den grausamen Befehl meines Bruders befolgen.

Die Liebe einer Ehefrau zu ihrem Mann ist stärker als die Zuneigung zu ihrem Bruder. Wenn ich ihn töte, wird die Befriedigung für meinen Bruder und mich nur kurze Zeit anhalten. Doch wenn ich ihn nicht töte, kann ich mich mit ihm für immer erfreuen.“ Die Rakshasi nahm eine wunderschöne menschliche Gestalt an und näherte sich dem starkarmigen Bhima mit langsamen Schritten. Sie trat vor ihn mit himmlischen Ornamenten geschmückt, einem Lächeln auf ihren Lippen und bescheidenem Gang und sprach zu Bhima: „Oh du Bulle unter den Männern, woher kamst du und wer bist du? Und wer sind die anderen himmlisch schönen Menschen, die hier schlafen? Und wer, du Sündenloser, ist diese zarte Dame von überragender Schönheit, die so voller Vertrauen in diesem Wald schläft, als ob sie in ihrem eigenen Gemach läge?

Weißt du denn nicht, daß dieser Wald die Heimstatt eines Rakshasas ist? Ich sage dir ehrlich, hier lebt ein abscheulicher Ungeheuer namens Hidimba. Ihr himmlisch Schönen, von ihm, meinem Bruder, wurde ich hergesandt mit der grausamen Absicht, euch zu töten und ihm zur Nahrung zu reichen. Doch ich sage dir aufrecht, als ich dich so göttlich Strahlenden erblickte, wollte ich niemand anderen zum Ehemann als dich. Jetzt, da du Tugendhafter dies weißt, tue mit mir, was du für richtig erachtest. Mein Herz und auch mein Körper wurden von Kamas Pfeilen durchbohrt. Oh, mach mich zu deiner Frau, denn ich wünsche mir sehr, dich zu gewinnen. Oh du mit den mächtigen Armen, ich werde dich vor dem Rakshasa erretten, der sich von menschlichem Fleisch ernährt. Oh Sündenloser, sei mein Gatte. Wir werden auf Bergen wandeln, die für gewöhnliche Sterbliche unerreichbar sind. Ich kann nach Belieben durch die Lüfte eilen. Und du wirst dich mit mir in diesen Bereichen großer Glückseligkeit erfreuen.“

Auf diese Worte antwortete Bhima: „Oh Rakshasa Dame, wer kann, wie ein Muni, der alle seine Leidenschaften unter völliger Kontrolle hat, seine schlafende Mutter und all seine älteren und jüngeren Brüder verlassen? Welcher Mann würde seine schlafende Familie einem Rakshasa als Nahrung überlassen und weggehen, um seine Lust zu stillen?“ Hidimba erwiderte: „Oh, wecke sie alle auf, und ich werde tun, was ihr alle gutheißt. Ich werde euch alle vor meinem menschenfressenden Bruder retten.“ Doch Bhima sprach: „Oh Rakshasa Dame, ich werde meine Familie nicht aus Furcht vor deinem bösen Bruder aufwecken, wo sie jetzt gerade so friedlich schlafen. Oh zarte Dame, kein Rakshasa kann die Macht meiner Arme ertragen. Auch nicht Menschen, Gandharvas oder Yakshas, du mit den schönen Augen. Und, du Verehrenswerte mit der zierlichen Figur, geh oder bleibe, wie es dir beliebt, oder schick mir deinen menschenfressenden Bruder, mir ist es gleich.“
 
Mahabharata 1. Buch
Hidimba-badha Parva Kapitel 155

Bhima fordert Hidimba zum Kampf

Doch Hidimba, diesem Kämpfer unter den Rakshasas, dauerte es zu lange, bis seine Schwester wiederkam und so stieg er vom Baum hinab und begab sich selbst dahin, wo die Pandavas schliefen. Mit seinen roten Augen, starken Armen, seinem abstehendem Haar, dem großem, weitgeöffneten Mund mit den langen, spitzen Zähnen und seinem dunklen Körper war er schrecklich anzusehen. Seine Schwester Hidimba war sehr beunruhigt, als er näher kam, und sie sprach zu Bhima:

„Der gemeine Menschenfresser kommt zornig zu uns. Ich flehe dich an, mit deinen Brüdern meinem Rat zu folgen. Oh du Tapferer, ich verfüge über Rakshasa Kräfte und kann überall hingehen. Setz dich auf meine Hüfte, und ich werde euch alle durch die Lüfte davontragen. So bitte, du Feindebezwinger, weck deine Brüder und deine Mutter auf, die noch ruhig schlafen. Ich werde euch alle tragen und mit euch durch die Himmel reisen.“

Doch Bhima sprach: „Oh du mit den schönen Hüften, fürchte nichts. Ich bin mir sicher. So lang ich hier bin, gibt es keinen Rakshasa, welcher die Schlafenden verletzen kann. Oh du mit der schlanken Taille, ich werde diesen Menschenfresser vor deinen Augen töten. ...“ Und Hidimba antwortete ihm: „Oh du Tiger unter den Männern, du himmlisch Schöner, niemals würde ich dich unterschätzen. Doch ich weiß um die Macht, die Rakshasas über Menschen ausüben.“

Vaisampayana fuhr fort:
Der wütende menschenfressende Rakshasa hörte Bhimas Worte und erblickte seine Schwester in menschlicher Form. … Als der Menschenfresser sie in dieser verführerischen, menschlichen Gestalt erblickte, ahnte er, daß sie sinnliches Begehren erfüllte, und er empörte sich. Ärgerlich riß er seine Augen auf und sprach zu seiner Schwester: „Welche närrische Kreatur wirft mir Hürden in den Weg, wenn ich hungrig bin? Bist du so unsinnig geworden, oh Hidimba, daß du meinen Zorn nicht fürchtest? ...“

Mit knirschenden Zähnen und zornesroten Augen rannte Hidimba auf seine Schwester zu, um sie zu töten. Doch Bhima, dieser beste und kraftvolle Kämpfer, hielt ihn tadelnd auf: „Halt ein! Halt ein!“
Lächelnd sprach er zum wütenden Rakshasa:
Oh Hidimba, es ist nicht nötig, die hier so ruhig Schlafenden zu wecken. Oh du gemeiner Menschenfresser, stell dich mir zuerst und verlier keine Zeit. ... Dieses Mädchen ist wahrlich nicht verantwortlich für ihren Wunsch, sich mit mir zu vereinen. Sie wurde vom Gott des Begehrens dazu veranlaßt, welcher jedes lebende Wesen durchdringt.

… Komm zu mir und kämpfe mit mir allein. Ich allein werde dich ins Reich Yamas senden. ... Noch heute werde ich diesen Wald, der so lange von dir Menschenfresser vergiftete wurde, von Rakshasas befreien. …
Darauf entgegnete Hidimba:
Wozu das Rühmen und das Prahlen, du Mensch? Vollbringe erst deine Taten, und dann kannst du dich mit ihnen brüsten...

Nach diesen Worten rannte der Menschenfresser mit ausgestreckten Armen zornig auf Bhima zu. Schnell ergriff Bhima mit großer Kraft und wie im Spiel die Arme des angreifenden Rakshasa. Gewaltsam packte er den zappelnden Ungeheuer und zerrte ihn ganze zweiunddreißig Ellen fort, wie ein Löwe ein kleines Tier davonträgt. Als der Rakshasa Bhimas Stärke so schwer zu spüren bekam, wurde er ärgerlich, schlug auf Bhima ein und sandte ein gräßliches Gebrüll aus. Doch der mächtige Bhima zog ihn immer
 
Mahabharata 1. Buch
Hidimba-badha Parva Kapitel 156

Bhima tötet den Rakshasa Hidimba

Als die Erwachten der außergewöhnlichen Schönheit der Frau Hidimba gewahr wurden, staunten sie sehr. Kunti betrachtete die Schöne und sprach sie mit lieblichen Worten beruhigend an: „Oh du mit dem Glanz einer himmlischen Tochter, wer bist du und zu wem gehörst du? ... Bist du eine Göttin dieser Wälder oder eine Apsara? ...“ Hidimba antwortete: „Dieser weite Wald, den du um dich wie eine große Wolke erblickst, ist das Heim eines Rakshasa namens Hidimba. Und so heiße ich auch. Oh schöne Dame, wisse, ich bin die Schwester dieses Rakshasa. Verehrte Dame, mein Bruder sandte mich her, dich und alle deine Kinder zu töten.

Doch auf Befehl meines Bruders hier angekommen, erschaute ich deinen mächtigen Sohn von der Farbe reinen Goldes. Der Liebesgott (Manmatha) brachte mich sogleich unter die Kontrolle deines Sohnes, gesegnete Dame, denn er durchdringt die Natur aller Wesen. ... Als der Menschenfresser meine Verspätung bemerkte, kam er her, um alle hier zu töten. Doch dein mächtiger und kluger Sohn, mein (erwählter) Gatte, zerrte ihn gewaltsam fort. ...“

Nach diesen Worten erhoben sich Yudhishthira, Arjuna, Nakula und der energiereiche Sahadeva hastig. Sie beobachteten den Kampf zwischen Bhima und dem Rakshasa, wie sie eifrig versuchten, sich wie zwei Löwen gegenseitig zu besiegen und mit großer Kraft rangen und aufeinander einschlugen. ... Doch Arjuna sprach erneut: „Wozu läßt du diesen Rakshasa so lange am Leben, oh Bhima? Oh du Feindebezwinger, wir wollen weiterwandern und nicht länger hier bleiben. Der Osten rötet sich, und die morgendliche Dämmerung kommt herauf. Rakshasas werden stärker im Zwielicht des Tages. Also beeil dich, oh Bhima! Spiel nicht, sondern töte den gräßlichen Rakshasa sogleich! Wenn das Zwielicht kommt, nutzen Rakshasas die Macht der Illusion. Nimm all deine Kraft zusammen.“

Nach dieser Rede Arjunas flammte in Bhima der Zorn auf und er besann sich der Stärke seines Vaters (Vayu) zur Zeit der Auflösung des Universums. Schnell hob er den himmelblauen Körper des Rakshasas vom Boden hoch in die Luft und wirbelte ihn hundertmal herum. Dann sprach er zum Menschenfresser: „Oh Rakshasa, das dir gegebene Denken und deine Sinne waren dir nicht von Nutzen. Vergebens bist du gewachsen und hast dich von unheiliger Nahrung prächtig entwickelt. Du verdienst daher einen unheiligen Tod. ...“

Wieder flammte die Wut in Bhima grell auf, und er schleuderte den Rakshasa mit aller Macht zu Boden, als ob er ein Tier wäre. Sterbend schrie der Rakshasa noch einmal gräßlich auf und füllte den ganzen Wald mit dem tiefen Donner einer nassen Trommel... Als Hidimba tot war, waren die Brüder sehr glücklich und verloren keine Zeit, Bhima zu dieser großen Tat zu gratulieren. Arjuna ehrte den ruhmreichen Bhima, diesen gewaltigen Feindevernichter, und sprach zu ihm: „Verehrter Held, ich glaube, hier in der Nähe gibt es eine Stadt. Gesegnet seist du, doch laß uns bald von hier fortgehen, damit Duryodhana uns nicht finden möge.“ Alle diese mächtigen Wagenkrieger stimmten zu: „So sei es.“, und machten sich mit ihrer Mutter und von Hidimba gefolgt auf den Weg.
 
Mahabharata 1. Buch
Hidimba-badha Parva Kapitel 157

Bhima bekommt mit Hidimba den Sohn Ghatot-kacha

... „Oh Bhima, du Tiger unter den Männern, töte niemals eine Frau, egal wie wütend du bist. Oh Pandava, das Befolgen der Tugend ist eine viel höhere Pflicht als der Schutz des Lebens. Der Rakshasa, welcher mit der Absicht zu uns kam, uns zu töten, wurde bereits von dir erschlagen. Diese Frau ist nur seine Schwester. Was kann sie uns schon tun, selbst wenn sie ärgerlich wäre?“ Da wandte sich Hidimba mit ehrvollem Gruß an Kunti und ihren Sohn Yudhishthira und sprach mit gefalteten Händen: „Verehrte Dame, du kennst die Schmerzen, welche Frauen durch die Hand des Liebesgottes fühlen. Gesegnete Dame, diese durch Bhima verursachten Schmerzen peinigen mich....Ich trennte mich von meinen Freunden und Verwandten und den Gebräuchen meines Geschlechts, und erwählte deinen Sohn..., zum Ehemann.

Ich sage dir aufrichtig, oh ruhmreiche Dame, wenn mich der Held oder auch du verstößt, werde ich mein Leben nicht länger ertragen. So bitte ich um deine Gnade, du mit dem schönen Gesicht. Betrachte mich entweder als völlig töricht oder als deine hingegebene Sklavin. Oh ruhmreiche Dame, vereine mich mit deinem Sohn und meinem Ehemann. Gestatte, daß ich ihn ...mit mir nehme und nach Belieben wandere. Vertrau mir, gesegnete Dame, denn ich werde ihn dir wiederbringen. Wenn du an mich denkst, werde ich sofort kommen und dich überall hinbringen, wie du es wünschst. ...

Ich werde dich auf meinem Rücken tragen, wenn du wünschst, schnell zu reisen. Oh sei mir gnädig und mach, daß Bhima mich annimmt. Es wird gesagt, daß man in Zeiten der Not das Leben mit allen Mitteln beschützen soll. Wer dieser Pflicht nachkommen will, sollte keine Mittel scheuen. Aber wer in Zeiten der Not auch seine Tugend bewahrt, ist der Beste unter den Menschen. Ja, die Not ist die größte Gefahr für Tugend und tugendhafte Menschen. Doch gerade die Tugend beschützt das Leben, und wird daher der Lebensspender genannt. Und so können die Mittel, mit denen man seine Tugend sichert und damit seine Pflicht erfüllt, nie getadelt werden.“

Nun ergriff Yudhishthira das Wort: „Es ist genau so, Hidimba, wie du sagst. Darüber gibt es keinen Zweifel. Oh du Schlankhüftige, du solltest genauso handeln, wie du es versprochen hast. Bhima wird sich waschen, seine Gebete aufsagen, die üblichen Riten in der Dämmerung durchführen und dir dann seine Aufmerksamkeit widmen bis die Sonne untergeht. Vergnüge du dich mit ihm nach Blieben während des Tages. Doch jeden Abend sollst du, mit der Schnelligkeit des Geistes Gesegnete, Bhima zurückbringen.“ Auch Bhima sprach nun zu Hidimba: „Höre mich an, oh Rakshasa Frau. Aufrichtig willige ich in folgende Vereinbarung ein: Ich werde bei dir bleiben, oh du Schlankhüftige, bis du einen Sohn empfängst.“ Hidimba stimmte zu: „So sei es.“, hob Bhima auf und eilte mit ihm durch die Lüfte davon.

Auf den Göttern heiligen Bergesgipfeln und in den malerischsten Gegenden mit vielen Tieren, welche von den Liedern der Vögel widerhallten, vergnügte sie sich mit Bhima. Sie trug die schönste Gestalt, war mit allen Ornamenten geschmückt und sang liebliche Melodien, um den Pandava glücklich zu machen. ... Sie vergnügten sich in den hügligen Gegenden und heiligen Wäldern der Guhyakas und Asketen und am Ufer des Manasa Sees, .... Nach einiger Zeit empfing sie und brachte einen mächtigen Sohn zur Welt. Er hatte schreckliche Augen, einen großen Mund, gerade, pfeilartige Ohren und war fürchterlich anzuschauen. Seine Lippen waren so braun wie Kupfer, die Zähne spitz und seine Stimme ein lautes Brüllen. Er hatte mächtige Arme, große Kraft und übermäßigen Heldenmut. Das Kind wurde ein gewaltiger Bogenkrieger.

Er hatte eine lange Nase und breite Brust, schwellende Waden und bewegte sich sehr schnell. In seinem Gesicht war nichts menschliches, obwohl sein Vater ein Mensch war. Er übertraf (in Kraft und Heldenmut) alle Pisachas, Rakshasas und ähnliche Wesen. Und er wuchs als Neugeborener innerhalb einer Stunde zu einem Jüngling heran. Schon bald erreichte der mächtige Held großes Geschick in allen Waffenarten. Rakshasa Frauen gebären ihre Kinder am selben Tag, an dem sie sie empfangen. Und da sie in der Lage sind, ihre Gestalt zu ändern, tun sie dies auch ständig. Schon bald nach der Geburt verneigte sich das häßliche Kind vor Mutter und Vater und berührte deren Füße. Dann gaben sie ihm einen Namen. Seine Mutter meinte, daß sein Kopf einem Ghata (Wassertopf) ähnelte, und so verliehen sie ihm den Namen Ghatot-kacha (der Topfhäuptige). Ghatotkacha war den Pandavas sehr zugetan, und auch er wurde ihr Liebling und beinahe einer von ihnen.

Doch Hidimba wußte, daß die Zeit mit ihrem Ehemann nun zu Ende ging. Sie grüßte die Pandavas, erneuerte ihr Versprechen und ging ihrer Wege. Auch Ghatotkacha versprach seinem Vater, daß er zur Stelle sein würde, wenn er ihn brauchte, grüßte alle und ging in nördliche Richtung davon. Tatsächlich war es der ruhmreiche Indra, welcher den mächtigen Wagenkrieger Ghatotkacha als geeigneten Gegenspieler für den unvergleichlich energiereichen Karna und sein Geschoß erschuf, welches Indra dem Karna noch übergeben wird.
 
Mahabharata 1. Buch
Hidimba-badha Parva Kapitel 158

Die Pandavas treffen Vyasa und ziehen nach Eka-chakra ein

So wanderten die mächtigen Wagenkrieger, die heldenhaften Pandavas, von Wald zu Wald und jagten viele Hirsche und andere Tiere. Im Laufe ihrer Wanderungen durchquerten sie die Länder der Matsyas, Trigartas, Panchalas und auch der Kichakas mit vielen schönen Wäldern und Seen. Sie alle trugen verfilzte Locken auf ihren Häuptern und hüllten sich in die Rinde der Bäume und die Felle von Tieren. Mit Kunti an ihrer Seite wanderten die ruhmreichen Helden in der Kleidung der Asketen. ... Im Laufe ihrer Wanderung trafen sie ihren Großvater Vyasa. Sie grüßten den ruhmreichen Inselgeborenen und standen dann mit gefalteten Händen vor ihm.

Und Vyasa sprach zu ihnen:
Ihr Prinzen, ich sah eure Bedrängnis in meinem Geist, schon bevor ihr von den Söhnen Dhritarashtras so ungerecht verbannt wurdet. Deswegen kam ich her, um euch zu helfen. Betrauert nicht, was euch geschehen ist. Denn wisset, es geschieht für euer Wohl. Ohne Zweifel seid ihr in meinen Augen als Söhne des Pandu mit den Söhnen von Dhritarashtra gleichwertig. Doch die Menschen nehmen immer Anteil an den Unglücklicheren oder Jüngeren. Daher ist meine Zuneigung für euch im Augenblick größer, und ich möchte euch Gutes tun. Hört mich an. Nicht weit von hier gibt es eine entzückende Stadt, wo ihr sicher seid. Lebt dort unerkannt und verkleidet und wartet auf meine Rückkehr.

So besänftigte Vyasa, der Sohn von Satyavati, die Pandavas und führte sie in die Stadt Ekachakra. Auch Kunti beruhigte er und sprach zu ihr:
Lebe, oh Tochter! Dein Sohn Yudhishthir, dieser allseits der Wahrheit zugetane und ruhmreiche Bulle unter den Männern, wird durch seine Gerechtigkeit die ganze Welt besiegen und über alle anderen Monarchen auf Erden herrschen....

Vaisampayana fuhr fort:
Mit diesen Worten führte Vyasa die Pandavas mit ihrer Mutter in das Heim eines Brahmanen. Dann sprach der inselgeborene Rishi zum Ältesten der Brüder: „Wartet hier auf mich. Ich werde zu euch zurückkommen. Macht euch den Ort und die Situation zu eigen, und ihr werdet glücklich sein.“ Die Pandavas sprachen zum Rishi mit gefalteten Händen: „So sei es.“. Dann ging der ruhmreiche Meister wieder seiner Wege.
 
Mahabharata 1. Buch
Vaka Badha Parva Kapitel 159


Kapitel 159 - Die Klage des Brahmanen

Janamejaya fragte:
Oh du Erster der Brahmanen, was taten die Pandavas, diese mächtigen Wagenkrieger und Söhne Kuntis, nach ihrer Ankunft in Ekachakra?

Vaisampayana antwortete:
Für einige Zeit lebten die Pandavas im Haus eines Brahmanen. Sie ernährten sich von Almosen, wanderten umher und wurden von den Menschen der Stadt wegen ihrer guten Eigenschaften sehr gemocht. Am Abend zeigten sie Kunti alles, was sie auf ihren Almosengängen erhalten hatten. Und Kunti teilte jedem seinen Anteil zu. Dabei nahmen Kunti und ihre Söhne die Hälfte des Ganzen, während Bhima die andere Hälfte allein aß. So lebten die Pandavas für einige Zeit.

Eines Tages waren die Brüder wieder auf Almosengang, und nur Bhima war bei seiner Mutter geblieben. An diesem Tag hörte Kunti ein lautes und herzzerreißendes Weinen, welches aus dem Innern der Gemächer ihres Wirtes kam. Die Bewohner des Hauses klagten und versanken in solch mitleidvolles Gejammer, daß Kunti mit ihrem guten Herzen und voller Mitgefühl das Weinen nicht gleichmütig ertragen konnte. Kummervoll sprach sie zu Bhima: „Wir leben ohne Leid glücklich im Haus dieses Brahmanen, von ihm geachtet und unentdeckt von Dhritarashtras Söhnen. Ach Sohn, schon lange denke ich, was ich diesem Brahmanen Gutes tun könnte, so wie es diejenigen tun sollten, die frohen Herzens im Hause eines anderen leben.

Oh Kind, nur der ist ein wahrhafter Mensch, an den eine Gunst niemals verschwendet wird. Denn er zahlt anderen mehr zurück, als er aus ihren Händen erhalten hat. Es gibt keinen Zweifel, irgendein Kummer plagt diesen Brahmanen. Wenn wir ihm nur helfen könnten, um ihm seinen Dienst zu vergelten.“ Daraufhin sprach Bhima zu seiner Mutter: „Bring den Grund und die Art seiner Qual in Erfahrung. Wenn ich alles darüber weiß, dann werde ich ihn davon erlösen, wie schwierig es auch sein mag.“

Während Mutter und Sohn miteinander sprachen, vernahmen sie weiteres, lautes Wehklagen vom Brahmanen und seiner Frau. Eilig betrat Kunti die inneren Gemächer des ruhmreichen Brahmanen, als ob eine Kuh zu ihrem angebundenen Kalb eilt. Dort erblickte sie den Brahmanen, seine Gattin, Tochter und Sohn mit kummervollen Gesichtern.

Und Kunti hörte den Brahmanen sagen:
Oh Schande über dieses irdische Leben, welches so hohl wie Schilf und letztendlich ohne Früchte ist,
welches sich auf Leid gründet,
keine Freiheit hat und
nur ein Los kennt: Elend.

Das Leben ist Kummer und Krankheit und wahrlich eine Geschichte von Qualen.
Die Seele ist einzig, doch sie muß Tugend, Wohlstand und Vergnügen verfolgen. Und wenn diese zur gleichen Zeit angestrebt werden, dann gibt es sehr häufig Uneinigkeit, und dies ist die Quelle von so viel Gram.
Manche sagen, daß Erlösung das höchste Ziel unserer Wünsche ist. Doch ich glaube, sie kann nie erreicht werden.
Und das Erlangen von Reichtum ist die Hölle, denn schon das Streben danach ist mit Elend verbunden.
Und die, welche bereits Reichtum erlangt haben, leiden noch viel mehr Elend. Denn wer seinen Besitz liebt, muß um so mehr Kummer ertragen, wenn er ihn verliert.

Ich kann kein Mittel sehen, mit dem ich der Gefahr entgehen oder wie ich mit meiner Familie in gefahrlose Bereiche gelangen kann. Oh erinnere dich, Gattin, daß ich einst bemüht war, zu einem anderen Ort auszuwandern, wo wir glücklich wären. Doch du wolltest nicht auf mich hören. Obwohl ich dich oft bat, hast du einfältige Frau mir gesagt: Ich bin hier geboren und alt geworden. Dies ist meine angestammte Heimat! - Deine verehrten Eltern, oh Frau, stiegen vor langer Zeit in den Himmel auf. Auch all deine Verwandten sind tot. Warum wolltest du trotzdem hier leben? Aus Zuneigung für deine Familie hörtest du nicht auf meine Worte. Doch nun ist die Zeit gekommen, daß du dem Tod eines Verwandten zusehen mußt. Oh wie traurig ist der Anblick für mich! Vielleicht ist der Augenblick meines eigenen Todes gekommen, denn ich kann niemals einen der Meinen grausam aufgeben, solange ich am Leben bin.

Du warst immer mein Gehilfe bei allen guten Taten, hast dich selbst eingeschränkt und warst mir immer zugetan wie eine Mutter. Die Götter gaben dich mir als einen wahren Freund, und du warst immer mein größter Halt. Durch meine Eltern wurdest du zum Teilhaber an allen Dingen meines Haushaltes. Du bist von reiner Abstammung, guten Absichten, Mutter von Kindern, mir immer zugetan und unschuldig. Ich habe dich erwählt und mit allen angemessenen Riten geheiratet. Ich kann dich, meine gelübdetreue Gattin, nicht verstoßen, um mein eigenes Leben zu retten. Und wie könnte ich in der Lage sein, meinen Sohn zu opfern? Dieses Kind im zarten Alter und noch ohne alle Zeichen der Männlichkeit? Wie könnte ich meine Tochter opfern? Die ich selbst zeugte und die mir vom ruhmreichen Schöpfer als Pfand übergeben wurde, damit ich sie einem Ehemann übergebe, durch den ich mich mit meinen Ahnen an den Bereichen erfreuen kann, die für diejenigen bestimmt sind, welche Söhne von einer Tochter haben?

Manche Menschen denken, daß die Zuneigung eines Vaters für seinen Sohn größer ist. Und andere meinen, die Tochter wird mehr geliebt. Meine Liebe für euch ist gleich. Wie kann ich nur daran denken, meine unschuldigen Kinder zu verstoßen, von denen die seligen Bereiche, meine eigene Linie und ewige Glückseligkeit abhängen? Doch wenn ich mich selbst opfere und in die andere Welt übergehe, dann werde ich auch keinen Frieden finden. Denn es ist sicher, daß die von mir Verlassenen nicht in der Lage sein werden, ihr Leben zu fristen. Das Opfern eines Mitglieds meiner Familie wäre grausam und tadelnswert. Doch wenn ich mich opfere, werden alle anderen ohne mich vergehen. Ich bin in große Not geraten. Und ich weiß keinen Weg heraus. Weh, welchen Kurs soll ich einschlagen? Ich sollte wohl gemeinsam mit allen meinen Lieben sterben, denn so kann ich nicht länger leben.
 
Mahabharata 1. Buch
Vaka Badha Parva Kapitel 160

Die Rede der Ehefrau

Danach ergriff die Ehefrau des Brahmanen das Wort:
Oh Brahmane, du solltest nicht wie ein gewöhnlicher Mensch trauern. Es ist auch nicht die Zeit für Klagen. Denn du bist gelehrt. Du weißt, daß alle Menschen sicher sterben müssen.

Kein Weiser sollte um etwas trauern, was unvermeidbar ist.

Ehefrau, Tochter, Sohn - all diese sind um dein Selbst bemüht. Du hast hervorragendes Wissen, also wirf dein Leid von dir. Ich selbst werde gehen. Denn dies ist die ewige und höchste Pflicht für Ehefrauen, daß sie ihr Leben opfern, um dem Ehemann Gutes zu tun. Meine Tat wird dich glücklich machen, und mir Ruhm in dieser Welt und ewige Seligkeit in der nächsten bringen. Das ist wahrlich die höchste Tugend, glaube mir. Dadurch wirst du sowohl Tugend als auch Glück erlangen.

Die Absicht, wofür man sich eine Ehefrau wünscht, hast du schon durch mich erreicht. Ich habe dir eine Tochter und einen Sohn geboren, und bin nun befreit von meiner Schuld dir gegenüber. Du bist sehr wohl in der Lage, deine Kinder zu lieben und zu unterhalten. Ich könnte sie nie versorgen und lieben, wie du es kannst. Du bist mein Leben, mein Wohlstand und mein Herr. Wie sollen ich und diese Kinder ohne dich nur leben? Verwitwet und ohne Meister, mit zwei kleinen Kindern, die von mir abhängen - wie soll ich die beiden am Leben erhalten ohne dich und dabei ein ehrbares Leben führen?

Wenn unehrenhafte und unwürdige Menschen, die eine Verbindung mit dir nicht verdienen, um deine Tochter werben, wie könnte ich das Mädchen beschützen? Wie Vögel gierig nach Fleischfetzen suchen, die auf den Boden geworfen wurden, so bedrängen Männer eine Frau, die ihren Ehemann verloren hat. Doch wenn mich hinterhältige Männer umwerben, oh bester Brahmane, dann schwanke ich vielleicht und bin nicht in der Lage, auf dem von allen ehrbaren Menschen begehrten und tugendhaften Pfad weiterzugehen.

Und wie soll ich dann in der Lage sein, die einzige Tochter deines Hauses, dieses unschuldige Mädchen, auf den tugendhaften Pfad ihrer Ahnen zu bringen? Und wie soll ich deinem Sohn alle wünschenswerten Fähigkeiten beibringen, damit er so tugendhaft wird wie du, wenn ich ohne Meister alles entbehre? Ohne Herrn werden mich unwürdige Menschen überwältigen und die Hand deiner Tochter fordern, wie Shudras die Veden hören möchten. Und wenn ich ihnen das Mädchen von deinem Blut und deinen guten Eigenschaften nicht übergebe, dann rauben sie vielleicht gewaltsam deine Tochter, wie Krähen die Opfer-butter stehlen.

Doch wenn dein Sohn dir nicht ähnlich wird, und deine Tochter unter die Kontrolle von unwürdigen Menschen gerät, dann wird mich die Welt verachten. Ich werde mich nicht mehr kennen und sicher sterben. Und ohne Vater und Mutter werden diese Kinder vergehen wie Fische auf dem Trockenen. Ja, ohne dich werden wir alle drei sterben.

Also, opfere mich! Oh Brahmane, es wird gesagt, daß es für Frauen, die ihren Männern Kinder geboren haben, der höchste Verdienst ist, vor ihrem Herrn zu sterben. Ich bin bereit, diesen Sohn und diese Tochter zu verlassen, meine Kinder und mein Leben für dich zu opfern. Für Frauen ist es die höhere Pflicht, ihrem Herrn angenehme Dienste zu leisten; viel höher als Opfer, Askese, Gelübde und alle Arten von Almosen. Mein Entschluß ist daher von höchster Tugend, für dein Wohl und das deines Geschlechts.

Die Weisen sagen, daß man an Kindern, Verwandten, Ehefrauen und allen liebgewonnenen Dingen nur festhält, um sich vor Gefahr und Kummer zu beschützen.

Man muß seinen Wohlstand bewahren, um sich in der Gefahr zu retten.

Und mit Wohlstand ehrt und beschützt man seine Gattin. Doch sich selbst muß der Mann beschützen mittels seiner Frau und seines Wohlstandes. Die Gelehrten haben die Wahrheit formuliert, daß Gattin, Sohn, Wohlstand und Haus mit der Absicht erworben werden, um für vorhersehbare und unvorhersehbare Unfälle Vorsorge zu treffen. Sie haben auch gesagt, daß alle Verwandten nicht so viel wiegen wie man selbst.

Also, verehrter Herr, beschütze dich, indem du mich verbannst. Oh gewähre mir die Erlaubnis, damit ich mich opfern kann. Denke an meine Kinder. Die in den Regeln der Moral Gelehrten haben in ihren Ausführungen gesagt, daß eine Frau niemals getötet werden soll und daß Rakshasas die Regeln der Moral kennen. Es ist wohl sicher, daß ein Rakshasa einen Mann tötet. Doch es ist ungewiß, ob er eine Frau tötet. Es ziemt sich für dich, in den Regeln der Moral Gelehrten, mich vor den Rakshasa zu stellen.

Ich habe viel Glück und Angenehmes erfahren und großen religiösen Verdienst erworben. Ich habe von dir Kinder bekommen, die mir so lieb sind. Es dauert mich nicht zu sterben. Ich habe Kindern das Leben geschenkt und bin alt geworden. Und ich wünsche mir, dir Gutes zu tun. All dies zusammen führt mich zu meinem Entschluß. Oh verehrter Herr, verbanne mich und nimm dir eine andere Frau. Durch sie wirst du erneut religiösen Verdienst gewinnen. Es ist keine Sünde darin. Wenn ein Mann mehrere Frauen hat, ist dies eine verdienstvolle Tat. Nur für Frauen ist es Sünde, einen zweiten Ehemann nach dem ersten anzunehmen. Überlege dir alles und denke daran, daß du als Opfer tadelnswert bist. Oh befreie dich sogleich, dein Geschlecht und deine Kinder!

Vaisampayana fuhr fort:
Der Brahmane umarmte seine Frau und beide weinten leise und kummervoll.
 
Werbung:
Mahabharata 1. Buch
Vaka Badha Parva Kapitel 161

Die Rede der Tochter des Brahmanen


Doch nun konnte die Tochter die Trauer ihrer Eltern nicht länger ertragen, und so sprach sie:
Warum seid ihr so außer euch und weint, als ob ihr niemanden hättet, der für euch sorgt? Oh hört mich an und entscheidet dann, was recht ist. Es gibt keinen Zweifel daran, daß die Pflicht euch gebietet, mich sogleich zu verstoßen, denn ich bin die einzige, die zu verstoßen ist. Opfert mich ganz allein, und rettet euch alle auf einen Schlag. Die Menschen wünschen sich Kinder, weil sie sich von ihnen Rettung erhoffen. Oh überquert den Strom eurer Plagen mit mir als Floß. Ein Kind rettet die Eltern in dieser und der kommenden Welt, und wird deshalb von den Gelehrten Put-tra (Retter aus der Höle) genannt.

Die Ahnen wünschen sich Söhne von mir als Tochter. Doch ich werde sie retten, indem ich das Leben meines Vaters beschütze. Mein Bruder ist noch in solch zartem Alter. Ganz sicher wird er sterben, wenn du jetzt von uns gehst. Und wenn du, mein Vater, stirbst und mein Bruder dir folgt, wird den Ahnen kein Begräbniskuchen dargebracht, und das wird ihnen großes Übel bereiten. Doch wenn mich alle verlassen, Vater, Bruder und (sicher auch) Mutter, dann falle ich tiefer und tiefer ins Leid und werde ganz bestimmt in großer Trauer vergehen. Doch wenn du, mit meiner Mutter und meinem kleinen Bruder, der Gefahr entgehst, dann wird dein Geschlecht und der Kuchen für die Ahnen fortgeführt.

Der Sohn ist wie das eigene Selbst. Die Gattin ist der Freund. Doch eine Tochter ist immer die Quelle von Problemen. Rette dich, und opfere diese Quelle von Problemen, und hilf mir dabei auf den Pfad der Tugend. Als Mädchen bin ich ohne dich, Vater, hilflos und elend, und muß irgendwohin gehen. Oh, ich bin fest entschlossen, die Familie meines Vaters zu retten, und den Anteil am Verdienst zu erhalten, der dieser schwierigen Tat zusteht. Oh bester Brahmane, wenn du gehst und mich hier zurückläßt, wird mir das große Schmerzen bereiten. Sei mir lieb, Vater, bester Mann, rette dich für dein Wohl, für die Tugend und für deine Familie, indem du mich weggibst, denn eines Tages bist du sowieso gezwungen, mich zu wegzugeben.

Warum das verzögern, oh Vater, was unvermeidlich ist? Was kann schmerzvoller sein, wenn du in den Himmel aufgestiegen bist, und wir herumziehen und um Nahrung betteln müssen wie Hunde von Fremden? Doch wenn du und deine Anverwandten aus dieser Pein errettet sind, werde ich glücklich in den himmlischen Bereichen leben. Es wird gesagt, daß nach der Übergabe deine Tochter auf diese Weise, die Götter und Himmlischen dir günstig sein werden, wenn du ihnen opferst.

Vaisampayana fuhr fort:
Als der Brahmane und seine Frau die Klagen ihrer Tochter vernahmen, wurden sie noch trauriger als zuvor, und es weinten nun alle drei zusammen. Da lispelte ihr junger Sohn mit süßer Stimme und weit aufgerissenen Augen: „Ach weint doch nicht, Vater, Mutter und Schwester.“ Lächelnd und kindlich streichelte er jeden von ihnen, nahm dann einen Grashalm in die Hand und sagte fröhlich: „Damit werde ich den Rakshasa töten, der Menschenfleisch ißt!“ Und obwohl sie alle voller Elend waren, mußten sie über die niedlich gelispelten Worte des Kindes lächeln. Da erachtete Kunti den rechten Augenblick für gekommen, trat vor die Gruppe hin und sprach zu ihnen. Und ihre Worte gaben ihnen das Leben zurück, wie Nektar einen Toten wiedererweckt.
 
Zurück
Oben