Mahabharata

Mahabharata 1. Buch
Sambhava Parva des Adi Parva 74-V


Bharata (der Geehrte)

Vaisampayana fuhr fort:
Nachdem Shakuntala ihre Rede beendet hatte, verließ sie den König. Doch sobald sie sich abgewandt hatte, ertönte eine Stimme aus dem Himmel. Ein unsichtbares Wesen wandte sich an den König, wie er von seinen Ritwijas, Purohita, Acharyas und Ministern umgeben war. Die Stimme sprach: „Oh Dushmanta, die Mutter ist nur die fleischliche Hülle. Der Sohn stammt vom Vater ab und ist der Vater selbst. Ehre deinen Sohn, oh Dushmanta, und kränke Shakuntala nicht. Du Bester der Männer, der Sohn, der nur eine Form des eigenen Samens ist, rettet die Ahnen vor den Regionen Yamas.

Du bist der Vater dieses Jungen, denn Shakuntala hat die Wahrheit gesprochen. Der Ehemann teilt seinen Körper und wird von seiner Frau als Sohn wiedergeboren. Daher ehre deinen Sohn, oh Dushmanta, den Shakuntala dir geboren hat. Das Leben ist ein großes Elend, wenn man seinen lebenden Sohn verstößt. Ehre deinen hochbeseelten Sohn, den Shakuntala gebar, oh du aus dem Geschlecht des Puru. Und weil dieses Kind von dir auf unser Wort hin geehrt (bhar) werden soll, wird dein Sohn unter dem Namen Bharata (der Geehrte) bekannt sein.“

Höchst erfreut über die Worte des Himmelsbewohners wandte sich Dushmanta an seinen Purohita und die Minister: „Hört ihr die Worte, die der Himmlische spricht? Ich weiß, daß dies mein Sohn ist. Doch wenn ich ihn allein aufgrund von Shakuntalas Worten akzeptiert hätte, wären die Leute mißtrauisch gewesen und hätten meinen Sohn als unrein betrachtet.“ Nun war der Monarch sicher, denn die Reinheit seines Sohnes war vom himmlischen Boten bestätigt worden. Voller Freude nahm er nun seinen Sohn an. Mit glücklichem Herzen führte er an ihm alle Riten durch, die ein Vater für seinen Sohn durchführen sollte.

Der König roch an seines Sohnes Haupt und umarmte ihn liebevoll. Die Brahmanen murmelten ihren Segen über ihm, und die Barden sangen sein Lob. Und der Monarch erlebte die große Freude, von seinem Sohn wieder berührt zu werden. Und auch seine Gattin empfing Dushmanta in allen Ehren und mit großer Liebe. Er besänftigte sie zärtlich und sprach zu ihr: „Oh Göttin, meine Vereinigung mit dir fand unter vier Augen statt. Niemand wußte etwas davon. Daher war ich bemüht, deine Reinheit zu beweisen. Meine Leute hätten sonst gemeint, daß wir nur unserer Wollust folgten und nicht Ehemann und Ehefrau sind.

Und wenn ich dann diesen Sohn als Thronerben eingesetzt hätte, hätten alle gedacht, er wäre von unreiner Geburt. Oh Liebste, jedes harte Wort, welches du im Ärger ausgesprochen hast, habe ich dir vergeben, du mit den großen Augen. Du bist mein Liebstes.“ Nach diesen Worten bot der königliche Weise Dushmanta seiner geliebten Gemahlin viele Geschenke wie Parfüm, Nahrung und Getränke an. Dann setzte Dushmanta seinen Sohn in aller Form als Thronerben ein und gab dem Kind den Namen Bharata.

Von da an durchkreuzten die berühmten und strahlenden Räder von Bharatas königlichem Streitwagen, so unbesiegbar wie die Götterwagen, jede Gegend und erfüllten die ganze Erde mit ihrem Gerassel (ghar-ghara). Der Sohn von Dushmanta machte alle Könige der Erde zu seinen Untertanen. Er regierte tugendhaft und verdiente sich großen Ruhm. Dieser Monarch mit dem großen Heldenmut trug die Namen Chakravarti und Sarvabhauma. Er vollführte viele Opfer wie Indra, der Herr der Maruts. Kanwa war der Oberpriester bei allen diesen Opfern, bei denen die Brahmanen reich beschenkt wurden.

Der gesegnete Monarch vollendete sowohl das Kuh- als auch das Pferdeopfer. Als Opferlohn bekam Kanwa von Bharata tausend Goldmünzen. Und es ist dieser Bharata, von dem so viele Errungenschaften in diese Welt geflossen sind. Von ihm stammt dieses große Geschlecht ab, was nach seinem Namen benannt wurde. Ja, alle Monarchen, die ihm nachfolgten, wurden und werden auch nach ihm benannt. In diesem Geschlecht des Bharata wurden viele göttergleiche Monarchen geboren, die mit großer Energie gesegnet waren und Brahma selbst glichen. Ihre Zahl kann man nicht angeben. Doch, oh du aus dem Geschlecht des Bharata, ich werde dir die wichtigsten Namen aufzählen, die mit großem Glück gesegnet und wie die Götter der Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit zugetan waren.
 
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Mahabharata 1. Buch
Sambhava Parva des Adi Parva
Kapitel 75

Die Abstammung der großen Könige

Vaisampayana sprach:
Höre nun die heilige, der Tugend, dem Gewinn und dem Vergnügen dienende und von mir aufgezählte Chronik der königlichen Weisen und
Stammväter Daksha, Manu Vaivaswata, Bharata, Kuru, Puru und Ajamida.
Ich werde dir auch die Abfolge der Yadavas und der Könige aus der Bharata Linie aufzählen, oh Sündenloser.
Diese Chroniken sind geheiligt, und ihre Aufzählung ist ein großer Akt der Versöhnung. Sie verleiht Wohlstand, Ruhm und langes Leben.
Und, oh Sündenloser, alle genannten Könige strahlten in ihrer Pracht und glichen den großen Rishis an Energie.

Pracheta hatte zehn Söhne, die alle der Askese zugetan waren und alle Tugenden besaßen. In alter Zeit verbrannten sie mit dem Feuer aus ihren Mündern viele giftige Pflanzen und zahllose Bäume, welche die Erde bedeckten, und verursachten den Menschen damit großes Unbehagen. Nach diesen zehn wurde Daksha geboren, und von ihm stammen alle Wesen ab. Aus diesem Grund wird er der Stammvater genannt. Dieser Sohn Prachetas vereinigte sich mit Virini und bekam mit ihr tausend Söhne, die wie er selbst strengen Gelübden folgten.

Narada lehrte diese tausend Söhne die hervorragende Lehre von Sankhya, die zur Befreiung führt
(und daher nahmen die Tausend wohl davon Abstand, selbst Nachkommen zu zeugen.)
Dann, oh Janamejaya, wünschte Daksha mehr Wesen zu schaffen und bekam fünfzig Töchter, die er zu Puttris (Söhnen) ernannte.
Zehn von diesen Töchtern übergab er Dharma und dreizehn dem Kasyapa.
Siebenundzwanzig übergab er Chandra (dem Mondgott), welche sich alle um die Zeit (bzw. die Welt) kümmerten.

Kasyapa, der Sohn von Marichi, bekam mit der ältesten von seinen dreizehn Frauen die Adityas, die mit großer Energie ausgestatteten Himmlischen, welche von Indra und Vivaswan (Sonnengott) angeführt werden. Dem Vivaswan wurde Lord Yama geboren und auch ein sehr kluger Sohn namens Manu, welcher große Weisheit besaß und der Tugend zugeneigt war. Er wurde zum Vorfahr aller Menschen, welche demzufolge auch Manavas genannt werden. Alle Menschen, also die Brahmanen, Kshatriyas und allen anderen rühren von Manu her.

Später vereinigten sich die Brahmanen mit den Kshatriyas, oh Monarch. Die brahmanischen Söhne Manus widmeten sich dem Studium der Veden. Doch Manu hatte auch zehn andere Kinder:
Vena, Dhrishnu, Narishyan, Nabhaga, Ikshvaku, Karusha, Sharyati, die achte ist eine Tochter namens Ila, Prishadhru der neunte, und Nabhagarishta ist der zehnte. Sie alle lebten wie Kshatriyas. Neben diesen hatte Manu noch fünfzig andere Söhne auf Erden. Doch wir haben gehört, daß diese sich alle im Streit gegeneinander vernichteten.

Der gelehrte Pururava wurde von Ila geboren. Es wird auch gesagt, daß Ila ihm sowohl Mutter als auch Vater war. Der große Pururava bewegte sich ungehindert über die dreizehn Inseln (Kontinente) im Ozean. Und obwohl er ein menschliches Wesen war, umgaben ihn immer übermenschliche Gefährten. Doch Pururava stieg seine Macht zu Kopfe, und er begann Streit mit den Brahmanen. Er sorgte sich wenig um ihren Ärger und beraubte sie ihres Reichtums.

Sanat-kumar (einer der ersten Söhne Brahmaas - das erste bedingte Lebewesen im Universum) beobachtete all dies, stieg aus der Region Brahmaas herab und gab ihm gute Ratschläge. Doch Pururava wies sie alle ab. Da erhob sich der Zorn der großen Rishis, und der habgierige und machtbesessene König, der alle Vernunft verloren hatte, wurde schließlich von ihrem Fluch sofort vernichtet. Doch es war Pururava, der als erster die drei Arten des Feuers für Opferzwecke und die Apsara Urvasi aus dem Bereich der Gandharvas holte. Mit ihr bekam er sechs Söhne, die Ayu, Dhiraan, Amavasu, Dhridhayu, Vanayu und Shatayu genannt wurden.
 
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Sambhava Parva des Adi Parva
Kapitel 75-2

Die Abstammung der großen Könige

Es wird gesagt, daß Ayu vier Söhne bekam: Nahusha, Vridhasarma, Rajingaya und Anena mit der Tochter von Sharvanu. Von allen Söhnen des Ayu war Nahusha mit der größten Klugheit und Tapferkeit gesegnet. Er regierte sein weites Königreich tugendhaft und gerecht. König Nahusha unterstütze die Ahnen, Himmlischen, Rishis, Brahmanen, Gandharvas, Nagas, Rakshasas, Kshatriyas und Vaisyas gleichermaßen. Er verfolgte alle Räuber mit mächtiger Hand. Später (im Himmel) ließ er sogar die Rishis Tribut zahlen und zwang sie, ihn auf ihrem Rücken zu schleppen, als ob sie Laststiere wären. Er übertraf wahrlich alle Götter in Schönheit, Askese, Heldenmut und Energie und herrschte wie Indra selbst.

Nahusha wurden sechs Söhne von lieblicher Rede geboren: Yati, Yayati, Sangyati, Ayati, Ayati und Dhruva. Yati widmete sich der Askese und wurde ein Muni wie Brahmaa selbst. Yayati wurde ein König von großer Tapferkeit und Tugend. Er regierte die ganze Erde, brachte zahllose Opfer dar, ehrte die Ahnen sehr und achtete immer die Götter. Er brachte die ganze Erde unter seine Herrschaft, zeigte seinen Untertanen großes Wohlwollen und unterlag niemals dem Feind. Die Söhne Yayatis waren alle treffliche Bogenschützen und strahlten in allen Tugenden. Er bekam sie, oh Monarch, mit seinen beiden Ehefrauen Devajani und Sarmishta.

Dabei brachte Devajani die Söhne Yadu und Turvasu zur Welt, und Sarmishta gebar Drahyu, Anu und Puru. Nachdem Yayati seine Untertanen für lange Zeit tugendhaft regiert hatte, packte ihn gräßliche Altersschwäche, welche sein schönes Aussehen ruinierte. Alt und häßlich sprach er zu seinen Söhnen: „Liebe Söhne, ich möchte ein junger Mann sein und meinen Appetit mit jungen Frauen stillen. Helft mir dabei.“ Da fragte ihn sein Ältester: „Was forderst du? Möchtest du unsere Jugend haben?“ Und Yayati sprach: „Übernehmt meine Altersschwäche, meine Söhne. Dann kann ich mich an eurer Jugend erfreuen.

Während eines großen Opfers wurde ich vom Muni Usanas (Sukra, der Lehrer der Asura-Götter) verflucht und habe nun alle Kraft verloren, sinnliche Freuden zu genießen. Nun, meine Söhne, ich möchte mich an eurer Jugend erfreuen. Es übernehme einer von euch mein Alter und regiere mit meinem Körper mein Königreich. Dann genieße ich in der Zwischenzeit einen frischen und jungen Körper.“ Doch keiner seiner Söhne stimmte zu. Nur Puru, der jüngste, sprach: „Oh König, erfreue du dich des Lebens und aller Vergnügungen der Jugend mit meinem Körper. Ich akzeptiere dein Alter und regiere auf deinen Befehl hin das Königreich.“

So übergab der königliche Weise durch asketische Macht seine Altersschwäche seinem hochbeseelten jüngsten Sohn. Und mit der Jugend Purus wurde er wieder zum jungen Mann, während Puru sein Königreich regierte. Noch tausend Jahre später war König Yayati so stark und kraftvoll wie ein Tiger. Für lange Zeit erfreute er sich an der zärtlichen Gesellschaft seiner beiden Frauen, und in den Gärten Chittrarathas (des Königs der Gandharvas) vergnügte er sich mit der Apsara Visvachi. Doch immer noch war der Appetit des großen Königs nicht gestillt.

Da dachte er über die Wahrheiten in den Puranas nach: „Wahrlich, Verlangen wird nicht durch Vergnügungen gestillt.
Im Gegenteil, die Begierde schwelgt erst recht im Genuß, als ob man geklärte Butter ins Feuer schüttet.
Selbst wenn man sich an der ganzen Welt mit all ihrem Reichtum labt, an Diamanten und Gold, Tieren und Frauen, ist man doch niemals zufrieden.
Nur wenn man im Herzen, in Worten oder Taten keine Sünden an lebenden Wesen begeht, dann erlangt man die Reinheit des Brahman (der spirituellen Energie).

Wenn man nichts fürchtet und von niemandem gefürchtet wird, wenn man nichts mehr wünscht und niemanden verletzt, dann erlangt man die Reinheit des Brahman.“
Da akzeptierte der weise König, daß Begehren niemals gesättigt werden kann, nahm von seinem Sohn wieder seine Altersschwäche zurück und
wandte seinen Geist der Meditation zu. Er gab seinem Sohn Puru die Jugend wieder, obwohl er immer noch Wünsche hatte, setzte ihn auf den Thron und sprach: „Du bist mein wahrer Thronerbe. Du bist mein wahrer Sohn, in dem sich mein Geschlecht fortführen wird. Meine Linie wird in der Welt unter deinem Namen bekannt sein.“

Vaisampayana fuhr fort:
Dann ging dieser Tiger unter den Königen, Yayati, zum Berg Bhrigu und widmete sich der Askese. Nach vielen Jahren und großem asketischen Verdienst erlag er dem unvermeidbaren Einfluß der Zeit. Er verließ seinen menschlichen Körper, nachdem er einem Fastengelübde gefolgt war und ging mit seinen Gattinnen in den Himmel ein.
 
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Sambhava Parva des Adi Parva
Kapitel 76-1


Janamejaya bat:
Oh du mit dem Reichtum an Askese, erzähl mir, wie unser Vorfahr Yayati, welcher der zehnte von Prajapati aus war, sich die unerreichbare Tochter des Shukra zur Gattin gewann. Ich möchte alle Einzelheiten dazu erfahren. Und erzähle mir auch nacheinander von den Monarchen, welche Dynastien gründeten.

Vaisampayana antwortete:
Der Monarch Yayati strahlte wie Indra (Jehova) selbst. Ich werde dir erzählen, wie ihm sowohl Shukra als auch Vrishaparva ihre Töchter mit den angemessenen Riten übergaben und wie genau die Begegnung mit Devajani verlief.

Zwischen den Sura- und Asura-göttern tobten in alter Zeit beständig Kämpfe um die Vorherrschaft in den drei Welten. Um ihren Sieg zu sichern, beriefen die Himmlischen den Sohn von Angiras, Vrihaspati, zu ihrem führenden Opferpriester, während die Gegenseite der Asura-göttern den gelehrten Usanas (Shukra) zum selben Zwecke einsetzte. Doch zwischen diesen beiden Brahmanen gab es jede Menge prahlerische Rivalität. Die Asura-göttern, welche in der Schlacht mit den Sura Göttern starben, wurden alle vom weisen Shukra mittels der Kraft seines Wissens wiederbelebt.

Sie kamen ins Leben zurück und kämpften erneut gegen die Sura-Götter. Auch die Asura-göttern töteten viele Sura-Götter (sie sind nicht unsterblich!) auf dem Schlachtfeld, doch der gelehrte Vrihaspati konnte sie nicht wiederbeleben, denn er wußte nicht um die Kunst, welche Sanjivani („den Toten Leben geben“) heißt und welche der energetische Shukra so gut beherrschte. Darüber trauerten die Sura Götter sehr. Mit Furcht in ihren Herzen und großer Angst vorm gelehrten Shukra gingen sie zu Kacha, dem ältesten Sohn von Vrihaspati, und baten ihn: „Wir machen dir unsere Aufwartung und bitten um deinen Schutz. Sei uns gnädig und erweise uns einen Dienst, den wir für äußerst bedeutend halten.

Mach dir, so schnell du kannst, dieses Wissen zu eigen, welches in Shukra lebt, diesem Brahmanen von außerordentlicher Macht. Dafür wirst du mit uns an allen Opfergaben teilhaben. Du wirst den Brahmanen am Hofe von König Vrishaparva treffen. Er beschützt immer nur die Asura-göttern und niemals uns, ihre Gegner. Du bist jünger als er und kannst ihm daher verehrend aufwarten. Oder du verehrst Devajani, die Lieblingstochter des hochbeseelten Brahmanen Shukra. Wahrlich, du allein kannst die Gunst der beiden gewinnen durch deine Verehrung. Niemand sonst ist dazu in der Lage.

Indem du Devajani durch dein Betragen, deine Großzügigkeit, deine Liebenswürdigkeit und dein allgemeines Verhalten für dich einnimmst, wirst du dieses Wissen sicher gewinnen.“ Auf diese Bitte der Sura Götter erwiderte der Sohn von Vrihaspati: „So sei es.“, und begab sich in die Hauptstadt der Asura-göttern zu Vrishaparva, ihrem König. Sogleich traf er dort auf Shukra und sprach zu ihm: „Verehrter Herr, nimm mich als deinen Schüler an. Ich bin der Enkel vom Rishi Angiras und Sohn des Vrihaspati. Mein Name ist Kacha. Wenn du mein Lehrer wirst, werde ich für tausend Jahre das Leben eines Brahmacharya führen. Verfüge über mich.“ Shukra antwortete: „Sei willkommen, oh Kacha. Ich akzeptiere deine Worte. Ich werde dich mit Achtung behandeln, denn damit achte ich Vrihaspati.“


 
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Sambhava Parva des Adi Parva
Kapitel 76-2

Kacha will die Kunst Sanjivani „den Toten Leben geben“
und ist mehrmals getötet


Vaisampayana fuhr fort:
Nach diesen Worten von Shukra, dem Sohn von Usana (und Bhrigu), sprach Kacha: „So sei es.“, und schwor den Eid, von dem er gesprochen hatte (das Brahmacharya Gelübde als Schüler). Es begann nun Kacha, nachdem er zur rechten Zeit seinem Gelübde folgte, sowohl seinen Lehrer als auch dessen Tochter Devajani zu ehren. So jung wie er war, gewann er schon bald die Gunst der jungen Devajani, indem er Tag für Tag für sie sang, tanzte oder diverse Musikinstrumente spielte. Ja, oh Bharata, Kacha setzte sein ganzes Herz daran, brachte ihr Blumen und Früchte und erwies ihr eifrig jeden Dienst.

Und wenn sie allein waren, revanchierte sich Devajani bald schon bei diesem, seinem Gelübde folgenden Jüngling mit Liedern und lieben Gesten. So vergingen fünfhundert Jahre, in denen Kacha nach seinem Eid lebte, als die Asura-Götter von seiner Absicht erfuhren. Ohne jegliche Bedenken über den Mord an einem Brahmanen hegten sie großen Zorn gegen ihn. Und als sie eines Tages sahen, wie Kacha in einem einsamen Wald das Vieh seines Lehrers hütete, töteten sie ihn aus Haß auf Vrihaspati und weil sie das Wissen um die Wiederbelebung der Toten schützen und für sich behalten wollten. Seinen Leichnam hackten sie in Stücke und verfütterten ihn an hungrige Schakale und Wölfe.

Als die Dämmerung kam, kehrte das Vieh ohne seinen Hüter Kacha in den Stall zurück. Als Devajani dies sah, sprach sie zu ihrem Vater: „Dein abendliches Feuer ist angefacht und die Sonne untergegangen, oh Vater. Die Kühe kamen ohne Kacha zurück. Und er ist nirgends zu sehen! Es ist sicher, daß Kacha sich verlaufen hat oder sogar tot ist. Doch ohne ihn, oh Vater, will ich nicht mehr leben.“ Da antwortete ihr Sukra: „Ich werde ihn beleben, indem ich sage: Laß diesen wiederkommen!“ So rief Sukra mittels seines Wissens über die Wiederbelebung der Toten Kacha zu sich. Da erschien Kacha frohen Herzens vor seinem Lehrer und zerriß dabei die Leiber der Wölfe, die ihn verschlungen hatten.

Nach seinem Ausbleiben gefragt antwortete er der Tochter seines Lehrers: „Ich war tot. Oh du mit den reinen Sitten, ich war auf dem Weg nach Hause und hatte Kusha Gras und Holz fürs Opferfeuer bei mir. Müde rastete ich unter einem Banian Baum, und auch die Kühe hatten sich im Schatten dieses Baumes versammelt. Da entdeckten mich die Asura-Götter und fragten mich: „Wer bist du?“ Doch sobald sie meine Antwort hörten: „Ich bin der Sohn von Vrihaspati.“, töteten sie mich, hackten mich in Stücke und warfen diese den Wölfen und Schakalen zum Fraß vor. Dann gingen sie freudigen Herzens nach Hause. Oh Liebenswerte, als dein hochbeseelter Vater (Bhargava) mich zu sich rief, fand ich mich vollständig wiederhergestellt vor dir wieder.“

Bei anderer Gelegenheit ging Kacha in den Wald, um Blumen für Devajani zu pflücken. Wieder sahen ihn die Asura-Götter, erschlugen und zerstampften ihn und vermischten seine Überreste mit den Wassern des Ozeans. Als die Maid bemerkte, daß er sich verspätete, ging sie wieder zu ihrem Vater und erzählte ihm alles. Und wieder rief der Brahmane sein besonderes Wissen zu Hilfe und Kacha erschien vor seinem Lehrer und dessen Tochter und erzählte ihnen alles, was geschehen war. Und noch ein drittes Mal töteten ihn die Danavas (Nachkommen Danus), verbrannten ihn zu Asche und gaben die Asche seinem Lehrer Sukra mit Wein vermischt zu trinken. Auch diesmal sprach Devajani zu ihrem Vater: „Oh Vater, Kacha ging zum Blumenpflücken, doch er kam nicht zurück. Er ist sicher verloren und tot. Doch ich sage dir ehrlich, ohne ihn will ich nicht leben.

“ Diesmal antwortete ihr Sukra: „Oh Tochter, der Sohn von Vrihaspati ist in das Reich der Toten eingegangen. Obwohl ich ihn mit meiner Kunst schon mehrfach wiederbelebt habe, wurde er doch gleich wieder getötet. Was soll ich denn tun? Devajani, weine nicht und sei nicht traurig. Eine wie du sollte nicht um einen Sterblichen weinen. Kraft meiner Macht wirst du dreimal am Tag zur rechten Stunde von Brahmaa, den Brahmanen, Sura-Göttern nebst Indra, den Vasus, Aswins, Asura-Götter und dem ganzen Universum verehrt, oh Tochter.

Es ist unmöglich, ihn am Leben zu erhalten, denn wie oft ich ihn auch wiederbelebe, so oft wird er auch wieder getötet.“ Dem entgegnete Devajani: „Warum soll ich, oh Vater, nicht um einen trauern, dessen Großvater der alte Angiras und dessen Vater Vrihaspati ist? Dieser Ozean des Verdienstes ist sowohl der Sohn als auch der Enkelsohn eines großen Rishi. Er selbst folgte seinem Keuschheitsgelübde, war ein Asket, immer achtsam und geschickt in allen Dingen. Oh Vater, ich werde hungern und dem Pfad folgen, den Kacha ging. Denn der schöne Kacha ist mir lieb.“
 
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Sambhava Parva des Adi Parva
Kapitel 76-3

Kacha erreicht die Kunst Sanjivani „den Toten Leben geben“


Vaisampayana erzählte weiter:
Diese Worte seiner Tochter Devajani bewegten Sukra sehr, und er rief ärgerlich aus: „Sicherlich versuchen die Asura-Götter, mir zu schaden, denn sie töteten meinen Schüler, der bei mir lebt. Diese Nachfolger von Rudra (Geister und Kobolde) wollen mich von meinem Wesen als Brahmane trennen, denn sie lassen mich an ihrem Verbrechen teilhaben. Und dieses Verbrechen nimmt ganz sicher ein schlimmes Ende. Denn das Töten eines Brahmanen kann sogar Indra selbst verbrennen.“

Nachdem er dies gesagt hatte, drängte ihn Devajani, und er rief Kacha zu sich, welcher in den Schlund des Todes eingetreten war. Doch als Kacha gerufen wurde, bedachte er ängstlich die Folgen für seinen Lehrer und rief schwach aus dem Magen Sukras: „Sei mir gnädig, oh Herr. Ich bin es, Kacha, der dich ehrt. Behandle mich wie deinen eigenen lieben Sohn.“

Da fragte Sukra verwundert: „Wie bist du in meinen Magen gekommen, oh Brahmane? Und wie kannst du dort bleiben? Ich verlasse noch in diesem Moment die Asura-Götter und trete zu den Sura-Götter über.“ Und Kacha antwortete: „Durch deine Gunst hat mich mein Erinnerungsvermögen nicht verlassen. Ja, ich weiß alles, was geschah. Meine asketische Tugend wurde nicht zerstört. Daher kann ich diese unerträglichen Schmerzen aushalten. Oh Sukra, von den Asura-Götter zu Asche verbannt, wurde ich dir mit deinem Wein zu trinken gegeben.

Wenn du gegenwärtig bist, oh Brahmane, dann werden die Künste der Asura-Götter niemals die Macht der Brahmanen besiegen.“ Nun sprach Sukra zu seiner Tochter: „Nun, mein Kind, was kann ich jetzt für dich tun? Nur mit meinem Tod kann Kacha ins Leben zurückkommen. Oh Devajani, Kacha ist in mir. Es gibt keinen anderen Weg herauszukommen, als mich zu zerreißen.“ Da sprach Devajani: „Beide Übel werden mich wie Feuer verbrennen. Der Tod Kachas und der deine sind gleich schlimm für mich. Der Tod Kachas wird mir das Leben nehmen.

Und wenn du stirbst, werde ich das Leben nicht mehr ertragen.“ Da sprach Sukra zu Kacha: „Oh Sohn des Vrihaspati, du bist wahrlich mit Erfolg gekrönt, weil Devajani dich so sehr verehrt. Akzeptiere das Wissen, welches ich dir nun übertrage, denn du bist wahrlich kein Indra in Gestalt von Kacha. Niemand kommt aus meinem Magen mit dem Leben davon. Doch andererseits darf ein Brahmane nicht gemordet werden. Nimm also mein Wissen an, welches ich dir nun vermittle. Beginne dein Leben als mein Sohn. Und wenn du mein Wissen empfangen und von mir wiederbelebt aus meinem Körper getreten bist, dann magst du vollbringen, was dich die Dankbarkeit lehrt.“

Vaisampayana sprach:
So empfing der schöne Brahmane Kacha das Wissen seines Lehrers, zerriß dessen Leib und kam heraus wie der Mond am Abend einer Vollmondnacht. Als er die Überreste seines Lehrers sah, der wir ein Haufen Brahma dalag, gab er ihm das Leben zurück mit dem Wissen, welches er eben erst erhalten hatte. Dann ehrte Kacha seinen Lehrer und sprach zu ihm: „Wer wie du den Nektar des Wissens einem Unwissenden wie mir ins Ohr träufelt, den achte ich wie Vater und Mutter zusammen. Und wenn ich diesen gewaltigen Dienst bedenke, den du mir getan hast, wie kann ich da so undankbar sein und dich verletzen?

Wer Wissen erlangt hat und seinen Lehrer kränkt, der allseits der Verehrung würdig ist, immer Wissen austeilt und das Kostbarste auf Erden ist, der wird gehaßt auf Erden und gelangt in die Bereiche der Sündhaften.“ Sukra betrachtete nun seinerseits den schönen Kacha, wie er vor ihm stand, und bedachte die ihm geschehene Täuschung. Unter dem Einfluß von Wein hatte er seine Achtsamkeit völlig verloren, was eine der gräßlichen Folgen des Trinkens ist, und als schreckliches Ergebnis hatte er Kacha mitsamt dem Wein hinuntergeschluckt. Da beschloß der hochbeseelte Sukra eine Veränderung im Verhalten der Brahmanen, erhob sich vom Boden und sprach zornig:

„Der gemeine Brahmane, welcher von heute an nicht der Versuchung des Weintrinkens widerstehen kann, soll in Zukunft
als all seiner Tugend beraubt angesehen,
wie ein sündiger Brahmanenmörder behandelt und
in dieser und der nächsten Welt gemieden werden.


Ich setze diese Grenze dem Verhalten und der Würde aller Brahmanen überall. Mögen alle aufrechten Menschen und Brahmanen, Götter und alle diejenigen, die ihre Vorgesetzten achten meine aufrechten Worte vernehmen.“ Danach rief der hochbeseelte Asket die Asura-Götter zu sich, welche durch das Schicksal ihres guten Sinnes beraubt worden waren, und sprach zu ihnen:

„Ihr Narren, wisset, daß Kacha sein Ziel erreicht hat. Er wird fortan bei mir leben. Ja, dieser Brahmane hat mit dem Erlangen des Wissens, wie man Tote wiederbelebt, so viel Macht wie Brahma selbst erhalten.“ Nach dieser kurzen Rede von Sukra kehrten die Asura-Götter sehr überrascht in ihre Häuser zurück. Und Kacha blieb bei seinem Lehrer für die vollen tausend Jahre. Nach Ablauf dieser Zeit bereitete er sich auf seine Heimreise zu den Himmlischen vor, nachdem er die Erlaubnis seines Lehrers erhalten hatte.
 
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Sambhava Parva des Adi Parva 77


Kacha verabschiedet sich von Devajani

Vaisampayana sprach:
Nach Ablauf seines Gelübdes und mit Erlaubnis seines Lehrers machte sich Kacha zur Abreise in das Reich der Himmlischen bereit. Da trat Devajani zu ihm und sprach: „Oh Enkelsohn des Rishi Angiras, in Betragen und Geburt, in Wissen, Askese und Demut scheinst du herrlich. Wie dein gefeierter Großvater Angiras von meinem Vater geehrt wird, so wird auch dein Vater Vrihaspati von mir geehrt und geachtet. Oh du mit dem Reichtum an Askese, höre, was ich dir sage. Erinnere dich an mein Verhalten während deines Keuschheitsgelübdes. Dein Eid ist nun vorüber. Bitte, richte deine Zuneigung auf mich und nimm meine Hand mit den rechten Riten und Mantras.“

Kacha erwiderte: „Du wirst von mir geehrt und geachtet wie dein Vater. Eigentlich, oh du mit dem makellosen Antlitz, verehre ich dich noch mehr. Denn du bist dem hochbeseelten Sukra lieber als sein Leben. Oh du Liebenswerte, als Tochter meines Lehrers bist du immer meiner Verehrung würdig. So wie mein Lehrer Sukra, dein Vater, allseits meine Achtung verdient, so achte ich dich, oh Devajani. Daher ist es nicht recht, daß du so sprichst.“

Devajani antwortet daraufhin: „Du bist auch der Enkelsohn vom Lehrer meines Vaters. Daher, oh Bester der Brahmanen, verdienst auch du meine Achtung und Verehrung. Doch Kacha, erinnere dich an meine Zuneigung zu dir, als du so viele Male von den Asura-Götter getötet wurdest. Bedenke meine Freundschaft und Liebe für dich, und auch meine hingebungsvolle Achtung, oh Tugendhafter. Daher gehört es sich nicht für dich, mich Makellose abzuweisen, denn ich bin dir aufrecht zugetan.“ Darauf entgegnete Kacha: „Oh du mit den tugendhaften Gelübden, zwinge mich nicht auf diesen sündhaften Pfad. Oh du mit den schönen Augenbrauen, sei mir gnädig. Du Schöne, ich achte dich mehr als meinen Lehrer. Du bist voller tugendhafter Entschlüsse, oh du mit den großen Augen und dem mondgleichen Gesicht. Der Ort, an dem du lebtest, nämlich der Leib Sukras, deines Vaters, war auch mein Heim. Du bist daher meine Schwester. Also sprich nicht so, du mit der schlanken Taille. Ach Liebenswerte, wir haben unsere Tage in Glück zusammen verbracht, und es existiert nun ein vollkommenes und gutes Verständnis zwischen uns. Ich bitte dich, gewähre mir den Abschied. Segne mich, so daß meine Reise sicher verläuft. Wenn du dich an mich erinnerst, dann als einen, der nicht die Grenzen der Tugend überschritt. Diene meinem Lehrer allseits bereitwillig und mit zielstrebigem Herzen.“

Doch Devajani sprach: „Wenn ich dich anflehe und du mich wirklich als deine Ehefrau zurückweist, dann, oh Kacha, soll dein Wissen keine Früchte tragen.“ Da sprach Kacha: „Ich habe deinen Antrag abgewiesen, weil du die Tochter meines Lehrers bist und nicht wegen eines Makels von dir. Auch hat mein Lehrer nichts über die Sache gesagt. Verfluche mich, wenn es dir beliebt. Ich habe dir erklärt, wie das Verhalten eines Rishi sein sollte.
Und ich verdiene deinen Fluch nicht, Devajani, denn du hast mich unter dem Einfluß der Leidenschaft verflucht und nicht aus Sinn für die Pflicht.
Daher wird dein Wunsch niemals in Erfüllung gehen. Kein Rishi wird jemals deine Hand zur Heirat akzeptieren. Du sagtest, daß mein Wissen keine Früchte tragen wird. So soll es sein. Doch es soll dem nützen, dem ich es übertrage.“

Nach diesen Worten zu Devajani eilte Kacha, dieser Beste der Brahmanen, schnellstens ins Reich der Himmlischen Sura-Götter. Dort ehrten ihn die Götter mit Indra an der Spitze, und sie sprachen zu ihm:
„Du hast uns wahrlich einen guten Dienst erwiesen. Deine Tat war wunderbar. Dein Ruhm wird niemals vergehen. Und du nimmst mit uns an allen Opfergaben teil.“
 
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Sambhava Parva des Adi Parva 78


Wohl oder Wehe der Menschen haben immer ihre Ursachen in den eigenen Tätigkeiten.
Darum für seinen Makeln hast, muss man büßen.

Der Streit zwischen Devajani und Sarmishta

Vaisampayana erzählte:
Die Bewohner des Himmels freuten sich sehr über die Ankunft Kachas, der dieses wunderbare Wissen gemeistert hatte. Sogleich übernahmen sie das Wissen von Kacha, oh Bulle der Bharatas, und betrachteten ihre Ziele als erreicht. Sie versammelten sich und sprachen zu Indra mit den hundert Opfern: „Die Zeit ist gekommen, deinen Heldenmut zu zeigen. Vernichte deine Feinde, oh Purandara.“ Mit „So sei es.“ machte sich Indra mitsamt allen Himmlischen auf den Weg. Doch unterwegs entdeckte er einige Damen, die sich in einem Teich in den Gärten des Gandharva Chitraratha vergnügten.

Er verwandelte sich in Wind und blies die Kleider der Mädchen durcheinander, welche am Ufer lagen. Nach einer Weile kamen die Mädchen aus dem Wasser und versuchten, ihre durcheinandergewürfelten Kleider zu trennen. Und es geschah, daß Sarmishta, die Tochter von Vrishaparva aus diesem bunten Haufen die Kleider von Devajani an sich nahm, ohne es zu bemerken. Aus diesem Grund bahnte sich ein Streit zwischen den beiden Mädchen an, oh König. Devajani sagte: „Oh Tochter des Anführers der Asura-Götter, warum nimmst du dir meine Kleider, wo du doch meine Schülerin bist? Dir wird nichts Gutes geschehen, so ohne jegliche Manieren, wie du bist.“

Sarmishta erwiderte daraufhin flink: „Dein Vater sitzt auf einem tieferen Sitz und verehrt wie ein angeheuerter Sänger von Lobeshymnen mit gesenkten Blicken meinen Vater, ob der nun entspannt thront oder sich zur Ruhe legt. Du bist die Tochter von einem, der bettelt, Almosen akzeptiert und Loblieder auf andere singt. Ich bin die Tochter von einem, der gepriesen wird und der Almosen verteilt, anstelle sie anzunehmen. Du bist eine Bettlerin. Schlag nur deine Brust, sag böse Worte, schwöre mir Feindschaft und nähre deine Wut.

Du von Almosen Abhängige, vergebens weinst du wütende Tränen. Du bist völlig harmlos, doch ich könnte dir schaden, wenn ich wollte. Du wünschst Streit. Doch ich betrachte dich nicht als ebenbürtig.“ Nach dieser Rede wurde Devajani so wütend, daß sie an ihren Kleidern zerrte. Doch Sarmishta stieß sie in einen Brunnen und ging fort. Tatsächlich meinte die hinterhältige Sarmishta, daß Devajani tot wäre, und lenkte ihre Schritte heimwärts in wütender Laune.

Nachdem Sarmishta fort war, kam Yayati, der Sohn von Nahusha, an den Ort des Geschehens. Der König war auf der Jagd. Die Pferde, die seinen Wagen zogen, und er selbst waren müde und durstig. Als er den Brunnen erblickte, schaute er hinein und fand ihn trocken. Statt dessen saß ein wie Feuer strahlendes Mädchen darin. Mit lieblichen Worten sprach der König beruhigend zu der himmlisch Schönen: „Wer bist du, oh Schöne mit den Fingernägeln so hell wie poliertes Kupfer und den Ohrringen, die himmlischen Juwelen gleichen? Du scheinst mir sehr ängstlich zu sein. Warum weinst du? Und wie bist du in diesen Brunnen gefallen, der mit Lianen und dichtem Gras bedeckt ist?

Sag mir aufrichtig, du schlankhüftige Maid, wessen Tochter bist du?“ Devajani antwortete: „Ich bin die Tochter Shukras, welcher den von den Sura-Göttern getöteten Asuras das Leben wiedergibt. Er weiß nicht, was mir geschehen ist. Hier ist meine rechte Hand, oh König, mit Fingernägeln so leuchtend wie poliertes Kupfer. Du bist von edler Geburt, ich bitte dich, hilf mir heraus. Ich weiß, du verfügst über ausgezeichnetes Betragen, großen Heldenmut und weitverbreiteten Ruhm. Es gehört sich für dich, mich aus dem Brunnen zu heben.“

Als König Yayati nun erfahren hatte, daß sie die Tochter eines Brahmanen war, ergriff er ihre rechte Hand und half ihr sofort aus dem Brunnen. Dann sprach er liebenswerte und höfliche Worte zu der Schönen mit den wohlgeformten Gliedern und kehrte anschließend in seine Hauptstadt zurück. Yayati war gerade fortgegangen, da kam Ghurnika, die Dienerin von Devajani, hinzu und die traurige Devajani mit dem makellosen Gesicht sprach zu ihr: „Oh Ghurnika, eile schnell zu meinem Vater und erzähl ihm alles ohne Zeit zu verlieren. Denn ich betrete nicht die Stadt von Vrishaparva.“

Vaisampayana fuhr fort:
Ghurnika tat, wie ihr geheißen, eilte in den Palast des Asura Königs und traf dort auf Shukra. Zu ihm sprach sie mit vor Ärger getrübter Wahrnehmung: „Ich verkünde dir hiermit, großer Brahmane, daß Devajani von Sarmishta, der Tochter von Vrishaparva im Walde übel behandelt wurde!“ Mit schwerem Herzen begab sich Shukra in den Wald zu seiner Tochter. Als er sie fand, streichelte er sie zärtlich und sprach mit kummervoll zitternder Stimme: „Oh Tochter, Wohl oder Wehe der Menschen haben immer ihre Ursachen in den eigenen Tätigkeiten. Darum glaube ich, daß du wohl einen Makel hast, der nun gebüßt werden muß.“

Devajani erwiderte: „Sei es Buße oder nicht, höre mir aufmerksam zu. Höre alles, was Sarmishta, die Tochter Vrishaparvas, zu mir gesagt hat. Sie hat wirklich gesagt, daß du nur ein angeheuerter Lobeshymnensänger des Asura Königs bist. Ja, Sarmishta hat mit roten Augen und grausam bohrenden Worten zu mir gesagt: Du bist die Tochter von einem, der für Geld das Lob von anderen singt, der um Almosen bittet und sie akzeptiert. Dagegen bin ich die Tochter von einem, der gelobt wird, der gibt und niemals Geschenke annimmt. Dies waren die Worte der stolzen Sarmishta mit den roten Augen, der Tochter von Vrishaparva, die sie wiederholt mir gegenüber ausgesprochen hat. Wenn ich, oh Vater, wirklich die Tochter von einem bin, der bezahlt wird, die Lobeslieder anderer zu singen und der Geschenke annimmt, dann müßte ich ihr meine Verehrung antragen und darauf hoffen, ihre Gunst zu gewinnen. Und das habe ich ihr so gesagt.“

Da sprach Sukra: „Du, Devajani, bist keine Tochter von einem, der für Geld das Loblied anderer singt, der um Almosen bittet und Geschenke annimmt! Du bist die Tochter von einem, der niemanden preist, sondern von allen gepriesen wird. Vrishaparva und Indra wissen es, und auch König Yayati, daß der unvorstellbare Brahma, dieser unbesiegbare Kopf der Götter meine Stärke ist. Brahma selbst hat mit mir zufrieden gesagt, daß ich wahrlich der Herr von dem bin, was in allen Dingen auf Erden und im Himmel ist. Ich sage dir, ich bin es, der den Regen für den Gott der Schöpfung fallen läßt und der die Pflanzen ernährt, von denen alles Leben abhängt.“ Mit diesen lieblichen Worten von hervorragender Bedeutung versuchte der Vater seine traurige und wütende Tochter zu besänftigen.
 
Mahabharata 1. Buch
Sambhava Parva des Adi Parva 79

Das Gespräch zwischen Devajani und ihrem Vater Sukra

Und Sukra fuhr fort:
Wisse, oh Devajani, daß jener, welcher von gemeinen Worten nicht bedrängt wird, alles besiegt.
Die Weisen sagen, daß der ein echter Wagenlenker ist, der ohne nachzulassen die Zügel seiner Pferde straff hält.
Daher ist derjenige ein wahrhafter Mensch, der unermüdlich den sich erhebenden Zorn besiegt.

Verstehe, oh Devajani, wer mit friedfertiger Ruhe seinen Zorn besiegt, kann alles besiegen.
Der Mensch wird geachtet, der sich an Vergebung hält und seinen Ärger abschüttelt wie die Schlange ihre Haut abstreift.
Wer seinen Zorn beherrscht, die bösen Reden anderer nicht achtet und nicht wütend wird,
auch wenn es scheinbar einen Grund dafür gibt, wird ganz sicher die vier Ziele erlangen, für die wir leben
(Vorgeschriebene Pflicht Wohlstand, Sinnenbefriediung, Erlösung - Dharma, Artha, Kama, Moksha).

Vergleicht man einen, der ohne zu ermüden für hundert Jahre monatlich opfert und einen, der niemals in Zorn gerät,
ist der Zornlose höher einzuschätzen. Jungen und Mädchen, die noch nicht zwischen richtig und falsch unterscheiden können,
zanken miteinander. Doch die Weisen machen ihnen das niemals nach.

Devajani antwortete ihrem Vater:
Oh Vater, obwohl ich noch ein Mädchen bin, weiß ich, was unsere Pflichten und Tugenden sind.
Ich kenne auch den Unterschied zwischen Wut und Vergebung und die Macht von beidem.
Doch wenn sich ein Schüler respektlos verhält, sollte ihm der Lehrer niemals vergeben,
wenn er sich wirklich wünscht, dem Schüler Gutes zu tun
.

Daher will ich nicht länger in einem Land leben, wo sich übles Verhalten erhebt.
Die weisen Menschen, die nach Gutem streben, sollten nicht unter Sündern leben, die allseits böse über gutes Benehmen und hohe Geburt sprechen.
Man sagt, das ist der beste Ort, an dem gutes Betragen und Reinheit der Geburt respektiert werden. Dort sollte man leben.
Die grausamen Worte von Vrishaparvas Tochter brennen in meinem Herzen, als ob Menschen, die ein Feuer anfachen wollen, trockenes Holz entzünden.
Ich glaube, es gibt nichts Elenderes in den drei Welten, als wenn einer seine mit Glück gesegneten Feinde verehren muß und selbst kein Glück erfährt.
Wahrlich, die Gelehrten sagen, daß für solch einen Menschen sogar der Tod besser wäre.
 
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Mahabharata 1. Buch
Sambhava Parva des Adi Parva 80

Sarmishta wird die Dienerin von Devajani

Vaisampayana sprach:
Da wurde Shukra, dieser Beste aus dem Geschlecht des Bhrigu, selbst zornig. Er trat vor den Thron von Vrishaparva und begann zu sprechen, ohne seine Worte abzuwägen:
„Oh König, sündige Taten bringen im Gegensatz zur Erde ihre Früchte nicht sogleich hervor. Doch stetig und heimlich nagen sie an den Wurzeln der Täter.
Solche Früchte sieht man an sich selbst wachsen, an seinen Kindern und sogar Enkelkindern. Sünden müssen Früchte tragen, und können nicht wie eine üppige Mahlzeit verdaut werden.

Weil du den Brahmanen Kacha getötet hast, den Enkelsohn von Angiras, der sich tugendhaft den Regeln der Religion verschrieben hatte und seine Pflichten aufmerksam erledigte,
während er in meinem Hause lebte, für diese mörderische und unangemessene Tat und die schlechte Behandlung meiner Tochter, welche sie nicht verdient hatte, werde ich dich und deine Familie verlassen, oh Vrishaparva.
Ja, König, aus diesen Gründen kann ich nicht länger bei dir bleiben. Glaubst du, oh Asura Anführer, daß ich nur ein tobender Lügner bin? Du denkst wenig an dein Vergehen und versuchst nicht, es zu korrigieren.“

Da antwortete Vrishaparva: „Oh Sohn des Bhrigu, niemals habe ich dir Falschheit oder fehlende Tugend zugeschrieben. Tugend und Wahrheit leben in dir! Sei mir gnädig.
Oh Bhargava, wenn du uns verläßt, müssen wir in den Tiefen des Ozeans verschwinden. Wenn du fortgehst, gibt es für uns keinen anderen Weg.“ Da sprach Sukra:
„Ob ihr Asuras ins Meer eintaucht oder in alle Richtungen davonfliegt, ist mir gleich. Ich kann nicht den Kummer meiner Tochter ertragen. Sie ist mir ewig lieb. Mein Leben hängt von ihr ab.

Versuche, sie zu besänftigen. Dann werde ich mittels meiner asketischen Verdienste immer dein Gutes suchen, wie sich Vrihaspati um das Wohl von Indra sorgt.“ Und Vrishaparva sagte:
„Oh Bhargava, du bist der absolute Herr von allem, was die führenden Asuras in dieser Welt besitzen, ihre Elefanten, Pferde, Kühe und sogar von mir selbst.“ Daraufhin sprach Shukra:
„Es ist wahr, oh großer Asura, daß ich der Herr vom ganzen Vermögen der Asuras bin. So geh und stelle meine Tochter Devajani zufrieden.“

Vaisampayana fuhr fort:
Danach ging Shukra zu Devajani und erzählte ihr alles. Flugs erwiderte sie: „Oh Vater, wenn du wirklich der Herr des Asura Königs und all seines Reichtums bist, dann laß den König selbst
zu mir kommen und dies in meiner Gegenwart bestätigen.“ Da trat Vrishaparva vor Devajani und sprach zu ihr: „Oh Devajani mit dem lieblichen Lächeln, was immer du begehrst, ich bin willens,
es dir zu geben, auch wenn es schwer zu gewähren ist.“ Da antwortete Devajani: „Ich wünsche, daß Sarmishta und noch tausend andere Mädchen mir aufwarten.

Sie muß mir auch in das Haus von dem Mann folgen, dem mich mein Vater übergibt.“ Da befahl Vrishaparva einer Dienerin in seinem Gefolge: „Geh schnell und bring Sarmishta her.
Laß alles andere auch ausführen, was sich Devajani wünscht.“ Die Dienerin begab sich zu Sarmishta und sprach zu ihr: „Oh liebenswerte Sarmishta, erhebe dich und folge mir.
Handle zum Wohle deiner Familie. Von Devajani gezwungen ist der Brahmane Shukra bereit, seine Schüler, die Asuras, zu verlassen. Oh du Sündenlose, du mußt tun, was Devajani wünscht.“
Sarmishta erwiderte: „Ich werde freudig tun, was Devajani begehrt. Sowohl Shukra als auch Devajani sollen nicht wegen meines Fehlers die Asuras verlassen.“

Auf Befehl ihres Vaters verließ Sarmishta schon bald in einer Sänfte und von tausend Mädchen begleitet den vorzüglichen Palast ihres Vaters. Sie trat vor Devajani und sprach:
„Mit meinen tausend Mädchen werde ich dir aufwarten. Und ich werde dir folgen, wohin dich dein Vater auch schicken mag.“ Devajani erwiderte: „Ich bin die Tochter von einem,
der das Loblied deines Vaters singt, bettelt und Almosen annimmt. Du jedoch bist die Tochter von einem, der gepriesen wird. Wie kannst du meine Dienerin sein?“

Sarmishta antwortete: „Man muß mit allen Mitteln zum Wohle seiner bedrängten Familie beitragen. Daher werde ich dir folgen, wohin dich dein Vater auch verheiraten mag.“
Nach diesem Versprechen von Sarmishta sprach Devajani zu ihrem Vater: „Oh Bester von allen hervorragenden Brahmanen, ich bin zufrieden. Nun werde ich die Stadt der Asuras wieder betreten.
Nun weiß ich, daß deine Kunst und die Macht deines Wissens nicht unbedeutend sind.“ Mit frohem Herzen ging nun auch Shukra, dieser beste Brahmane mit dem großen Ruf,
in die Stadt der Asuras zurück. Und die Asuras priesen ihn in großer Verehrung.
 
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