Die SS - ein nationalreligiöser Orden
Wenn jemand alle magisch-okkulten Aspekte des Hitlerreiches übersehen haben sollte - eine genauere Betrachtung der SS muß einfach zutagebringen, wes Geistes Kind die Nazi-Elite war. Ihre Zentrale hatte die SS in der Wewelsburg in der Nähe von Paderborn (Westfalen). "Sie war sozusagen das große SS-Kloster", schreibt Walter Schellenberg in seinen Memoiren, "wohin der Ordensgeneral einmal jährlich das Geheimkonsortium einberief. Hier sollten alle, die zur obersten Ordensführung zählten, geistige Exerzitien und Konzentrationsübungen abhalten." Im großen Versammlungssaal traf sich die Tafelrunde des Schwarzen Ordens - "ein ganz kleiner, aus hochstehenden Persönlichkeiten und SS-Führern bestehender Kreis (zwölf an der Zahl), der über die wesentlichen Theorien und Ziele im Bilde war", wie Karl Poetel (Typologie de l' Ordre Noir) schreibt. "Die Mitglieder der verschiedenen untergeordneten Trupps erfuhren nur Bruchstücke davon. Denn entgegen landläufiger Meinung war die SS keineswegs nur eine Polizeitruppe: sie war ein regulärer religiöser Orden mit einer hierarchischen Gliederung - und gleichzeitig die modellartige Vorform jenes weltlichen Priesterstaates, der Hitler vorgeschwebt hatte: einer Gesellschaft, die aus Herren, Unmündigen und Sklaven bestehen sollte. So war es auch bei der SS nur die unterste Kaste, deren einziger Zweck darin bestand, den Tod zu geben und den Tod zu empfangen."
1925 hatte Stoßtruppmitglied und Hitlerchauffeur Julius Schreck auf Hitlers Befehl hin begonnen, landesweit Schutzstaffeln zusammenzustellen. Was Schreck in Wirklichkeit suchte, war Rohmaterial zur Züchtung des neuen Menschen. Jeder potentielle Kandidat wurde auf seine Reinrassigkeit und auf körperliche Eignung untersucht. Mit der "Pingeligkeit eines gelernten Hühnerzüchters" (Höhne) achtete Himmler darauf, daß den SS-Männern nicht jene Ebenmäßigkeit im Bau fehlte, die zum Bild des "schönen, sich selbst gebietenden Gottmenschen" gehörte, der in Hitlers Ordensburgen als lebendes Kultbild stehen sollte. Hatte ein Mitglied erst den Eid auf den Führer - Treue bis in den Tod - abgelegt, hatte er die eigentliche Herrschaft über sein Leben abgetreten. Er durfte zum Beispiel nur noch nach rassischen Gesichtspunkten und mit Einwilligung des Rassenamtes und Himmlers heiraten. Dem SS-Mann wurde nach und nach alles Schwache weggehämmert, bis er zum "freien, herrlichen Raubtier" wurde, das der Losung "Glauben, gehorchen, kämpfen" bedingungslos folgte. Der ideale SS-Mann war ein Roboter ohne Gewissen, eine allzeit bereite Kampfmaschine. Die Ausrottung der Juden wurde ihm als ein moralisches Recht eingeimpft, mit der Begründung, jene hätten ja dasselbe mit dem deutschen Volk versucht. Wohl durfte man unter der selbst ausgeübten Grausamkeit leiden, mußte sich als mannhaftes Mitglied jedoch der unangenehmen, aber "lebenswichtigen" Pflicht beugen. So betonte es Himmler in seinen Reden. Einmal, in Posen, sagte er wörtlich zu seinen SS-Männern: "Sollte im Bereich Ihres Gesichtskreises jemals einer dem Führer oder dem Reich untreu sein, und sei es nur in Gedanken, so haben Sie dafür zu sorgen, daß dieser Mann aus dem Orden kommt, und wir werden dafür sorgen, daß er aus dem Leben kommt."
In erster Linie sollte sich die SS durch ein konsequentes Neuheidentum von ihrer Umwelt abheben. Sie sollte das Vorbild, der Sauerteig des heraufdämmernden magischen Zeitalters sein. An die Stelle kirchlicher Trauungen rückten die Eheweihen unter den Siegrunen der alten Germanen. Dabei tauschten die Eheleute vor dem örtlichen Einheitsführer ihre Ringe und empfingen von diesem Brot und Salz. Denn der Führer hatte schon 1933 verkündet: "An die Stelle des Dogmas von dem stellvertretenden Leiden und Sterben eines göttlichen Erlösers tritt das stellvertretende Leben und Handeln des neuen Führergesetzgebers, das die Masse der Gläubigen von der Last der freien Entscheidung entbindet. Der christlichen Lehre von der unendlichen Bedeutung der Einzelseele und der persönlichen Verantwortung setze ich mit eiskalter Klarheit die erlösende Lehre von der Nichtigkeit und Unbedeutendheit des einzelnen Menschen gegenüber."