Im gleichen Gespräch räumt Linke mit dem Dogma der traditionellen Hemisphärenasymmetrie auf:
Die Beziehung zwischen den beiden Hirnhälften gestaltet sich sehr dynamisch. In den achtziger Jahren glaubte man noch an einen übersichtlichen Dualismus, indem man die Sprache der linken und das Bild der rechten Hirnhälfte zuordnete. Mittlerweile müssen wir das etwas komplexer sehen.
So kann das Sprachzentrum bunte Variationen und Verteilungsmuster aufweisen. Bei unseren Untersuchungen stießen wir auf geradezu bizarre Lokalisationsmuster der Sprachzentren und der Gedächtnisfunktionen. Wir sahen Fälle, in denen sogar Rechtshänder ihr Sprachzentrum in der rechten Hirnhälfte hatten, also eine gekreuzte Lokalisation des Sprachzentrums aufwiesen.
Damit fällt die klassische Vorstellung, daß nur die dominante Hirnhälfte eine sprachliche Leistung vollbringen würde. Es gibt auch Fälle, in denen die Sprache auf beide Hirnhälften verteilt und sprachliche Leistungen nur dann vollzogen werden können, wenn beide Hirnhälften aktiviert werden. Das heißt, dieses "Ich denke, also bin ich" könnte im Prinzip in beiden Hirnhälften unabhängig voneinander stattfinden. (Linke, 1996, 28)