In ihrem neuen Buch „Die Liebe kommt aus dem Nichts” beschreibt die österreichische Therapeutin Christl Lieben ihre Erfahrungen mit einer Liebe, die sie beschreibt als die „Liebe frei von Mitgefühl”. Was ist darunter zu verstehen? Ist es nur eine spirituelle Ausrede für Herzlosigkeit oder tatsächlich eine Liebe, die auf einer anderen, seelischen Ebene zuhause ist? Wir haben uns mit ihr unterhalten.
Das ist ein recht langes und ausführliches Interview von David Rotter. Christl Leben stellt hier einige ganz interessante Thesen auf, wer Zeit und Lust hat kanns ja mal durchlesen und gerne hier feedbacken.
Zb:
Oft unterschiedet man Mitgefühl und Mitleid. Ein mögliches Bild wäre: Wenn jemand in einer Grube gefangen ist, steigt das Mitleid zu ihm herunter und trauert gemeinsam über das Dunkel dort unten. Das Mitgefühl hingegen lässt eine Leiter hinab, es reicht die Hand, es hilft heraus, aber steigt nicht selbst hinunter. Inwiefern unterschiedet sich die „Liebe frei von Mitgefühl” von einem so verstandenen Mitgefühl?
Ja aber das ist es doch! Nimm dein Wort: heraushelfen. Ich meine nicht Mitleid, ich meine wirklich Mitgefühl, denn dieses ‘Heraushelfen’ ist genau der Punkt. Mitgefühl erzeugt eine Hierarchie: Der andere ist im Mangel und ich bin in der Fülle und nun helfe ich. Die Liebe frei von Mitgefühl sieht den anderen nie im Mangel, sondern immer in der Fülle seiner Verbindung zum Göttlichen. Wir brauchen ihm nicht heraushelfen. Wir können ihn aber dabei begleiten, dass er den Weg hinaus selber findet. Das ist heute angeblich ja der Grundsatz jeder Therapie, aber die Haltung ist eine ganz andere. Es geht um dieses Vertrauen in die Buddhanatur des anderen. Dieser Buddhanatur musst du nicht helfen.
Eine höhere Form von Liebe?
Mir scheint, die Liebe von der du da sprichst, ist eine vertikale, seelische, transzendente und apersonale Liebe, die in gewisser Wiese „von oben kommt”, eine Liebe zwischen zwei Seelen. Die meisten Menschen denken Liebe wohl aber eher horizontal, also als etwas persönliches, zwischenmenschliches, eine Liebe zwischen zwei Personen. Das Mitgefühl aus der Liebe herauszunehmen, aber die Liebe zu behalten, ist in gewisser Hinsicht der Schritt aus der persönlichen Geschichte heraus auf eine seelische Ebene. Siehst du das ähnlich?
Ja, das kann man so sagen. Hier möchte ich noch etwas anderes einflechten. Mir ist im Laufe meiner Arbeit immer klarer geworden, dass wir alle in uns eine Blaupause unseres geheilten Zustandes haben. Jeder Mensch erinnert in sich den ursprünglichen Entwurf seiner Seele. Es ist nicht so, dass das liebende Universum uns als verhartschte Existenzen geschaffen hätte. Wir sind alle heil geschaffen und gedacht, aber mit der Möglichkeit zu scheitern und uns selber zu verletzen. Schon im Moment der Geburt verlieren wir dieses Intakt-Sein, aber wir können es erinnern. Wenn ich heute mit Menschen arbeite, versuche ich, diese heile Idee der Seele im Kopf zu haben, verstehst du? Irgendwo in uns sind wir alle zutiefst heil. Wir sind alle geschaffen aus der Liebe der Schöpfung. Ich nenne das „die Liebe, die mich wollte”: Egal wie meine weltlichen Eltern reagieren, ob sie mich wollen und annehmen oder nicht: Es gibt eine Liebe, die mich wollte. Und die Liebe frei von Mitgefühl ist dieser ‘Liebe, die uns wollte’ ziemlich nah. Sie ist ein Aspekt der universellen Liebe.
Wenn ich dich recht verstehe, glaubst du, dass für uns als Menschheit der Zeitpunkt gekommen ist, aus dem Zwischenmenschlichen mit all seinen Dramen in die höhere Liebe aufzublühen. Würdest du das so sagen?
Ja, ich würde uns das wünschen. Das Leben wird so leicht dadurch, so frei. Auch für einen selbst! Wenn man selbst in der Scheiße steckt, kann man das in dieser Liebe bejahen, statt sich selbst zu bejammern. Wenn man umschaltet auf die Liebe frei von Mitgefühl, dann öffnet das einen völlig neuen Zugang zu den eigenen Lebensdramen – man schwimmt leichter durch.
Also das Mitgefühl ist die Kraft der Liebe, nur verstrickt in die persönliche Geschichte, das Drama?
Ja, ja natürlich. Aber das ist ja das spannende, was bei diesen Aufstellungen herausgekommen ist: Das Mitgefühl ist vor allem verstrickt in die eigene Geschichte. Mitgefühl nach außen ist eigentlich Mitgefühl mit einem eigenen, inneren Aspekt, der getriggert wird durch den anderen. Du möchtest, dass es dem anderen gut geht, damit es dir gut geht.
In Bezug auf deine therapeutische Arbeit ist ein zentraler Satz aus deinem Buch: „Mitgefühl erzeugt Abhängigkeiten, Liebe nicht.”
Ja, Liebe ist ein weiter Raum, der den anderen und alle Möglichkeiten akzeptiert und loslässt. Das Mitgefühl strengt sich furchtbar an, dass es dem anderen gut geht – aber nur damit es uns gutgeht.
Also die Liebe frei von Mitgefühl ist sowohl in der inneren und äußeren Arbeit die eigentliche Medizin?
Ja. Allein schon weil sie dein Erleben so radikal verändert. Bei Mitgefühl ist da immer ein wenig verliebt sein in die eigene Geschichte, ein wenig ‘Ogottogott, was ist mir alles passiert’. Die Liebe frei von Mitgefühl ist völlig präsent im Augenblick und hilft dir, durch die konkreten Gefühle hindurchzugehen – das ‘ojeoje’ fällt weg. Und das ist so befreiend! So befreiend. Denn der eigentliche Schmerz ist wesentlich kleiner, als man glaubt, wenn man im Drama und im Mitgefühl ist. Wesentlich kleiner!
Was aus dieser Liebe kommt, ist sachlich, pragmatisch und unsentimental, aber gleichzeitig voller Liebe. Und diese Liebe ist der Realität viel näher, als unser Drama.
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Das ist mal ein Potpourri der Statements....
Was denkt ihr darüber, was haltet ihr davon? Lebbar? Brauchbar?
Thx