Ich glaube, dass viele auf das kommen was Schopenhauer sagte. Wobei ich da auch nur Zitate kenne. Habe bisher nichts von ihm gelesen.
Mir sind bisher noch nicht viele Menschen begegnet, die intuitiv auf das kommen, was Schopenhauer sagt.
Eher reißen sie Aussagen von ihm aus dem Zusammenhang und interpretieren diese dann so, wie es in ihr aktuelles Gedankengebäude passt. Diese Interpretationen sind an sich auch gar nicht schlimm, nur wenn sie den genauen Gegensatz zu seinem Standpunkt darstellen, finde ichs kritisch.
Erstens sind die Motive ja im konkreten Fall sehr viele. Grundlegend sind es wenige... Jeder sucht Liebe, und will das Gegenteil.. Isolation, vermeiden.
Noch ein kurzer Nachtrag, für die Begriffsdefinition von Motiven bei Schopenhauer:
Sie sind nicht nur der Stoff unseres Willensaktes, sondern sie gehören auch zum Bewusstsein anderer Dinge.
D.h. konkret von
außen wirken die Motive auf uns ein.
Das ist also nicht gleichzusetzen mit der Motivation (Motiv von innen heraus) im alltäglichen Sprachgebrauch.
Klar, die gibs natürlich auch, aber die würde wiederum von Motiven von außen entfacht werden, bei entsprechender Charakterdisposition.
Was sind denn dann im konkreten (von dir genannten) Fall die vielen Motive?
Noch mal:
Motiv von außen trifft auf Charakter --> Handlung erfolgt auf Grund der Resonanz, die das Motiv im Charakter hervorruft.
Deine ganzen anderen (inneren) Motive, sind einfach Charakterausprägungen bzw. -dispositionen. Auf diese treffen Dinge von außen (Motive) und rufen eine Handlung bei dir hervor.
Auch dein angeführtes Beispiel mit Liebe vs. Isolation, kann auf entsprechende Charakterdispositionen zurückgeführt werden.
Isolation ist in diesem Fall das Motiv.
Es wirkt von außen (als Motiv) auf einen Menschen ein. Nun kommt es auf den Charakter an, nämlich ob dieser Mensch es schwer erträgt allein zu sein, oder ob er sogar die Isolation der Gemeinschaft bzw. der Liebe, vorzieht.
Derjenige, der Isolation schwer erträgt, wird das von dir genannte Gegenteil also Liebe, suchen. (Wobei ich das nicht verallgemeinern würde.)
Derjemige, der Isolation begrüßt, wird in diesem Zustand bleiben.
Zweitens können nicht mal Zwillinge die gleichen Erfahrungen machen. Und auf Zeit gesehen, verändert das Zusammenspiel der vielen, teils sehr subtilen, Kräfte, dann auch ein Gesamt-System (Persönlichkeit) extrem... oder kann es zumindest.
Wir machen aber ähnliche Erfahrungen.
Jeder macht z.B. die Erfahrung, einen Fehler zu begehen. Das ist so universell, weil es einfach in der menschlichen Natur begründet liegt.
Doch wie mit Fehlern umgegangen wird, liegt allein in unserem Charakter begründet.
Das Zwillingebeispiel lässt sich jetzt noch ausbauen...
Einmal kann man es als Argument dafür nehmen, wofür du es genommen hast. (nie die gleichen Erfahrungen zu machen)
Andererseits kann ich jetzt aber auch entgegnen, dass es sehr wohl Untersuchungen über Zwillinge gibt, die eine gute Untermauerung für meine Ausführungen sind.
Es gibt nämlich Zwillinge, die dennoch sehr ähnliche (nicht völlig gleiche) Lebenswege gehen oder ähnliche Dinge bevorzugen.
Aber ich gebe zu, dass dieses Argument etwas brüchig ist, da die Übereinstmmungen auch auf Zufall beruhen können.
Der Fehler, den ich jetzt allgemein bei den Zwillingebeispiel sehe ist der, dass man auf die äußerliche Übereinstimmung, gleich auch auf die charakterliche Übereinstimmung schließt. Zwillinge sind Menschen, für die genau dieselben Voraussetzungen gelten, wie für andere Menschen, die keinen Zwilling haben.
Folglich wirkt auch bei ihnen ein und dasselbe Motiv unterschiedlich.
Ähnlich wie die Theorie vom Schmetterlingseffekt. Alles hat mit Beziehungen zu tun. Bewusstsein sucht Verbindung... Mensch reagiert daher sehr auf andere Menschen. Und jetzt denk Dir zwei Kinder die haargenau gleich sind... Parallelrealitäten.... Sie machen haargenau gleichen Erfahrungen. Aber dann werden sie an nur einer Stelle unterschiedlich behandelt. Das eine Kind gar nicht... neutral, das andere wird ein bisschen psychisch verletzt... z.B. von einem anderen Kind... eine kleine Beleidigung, ein kleiner Pieks ins Selbstwertgefühl. Nichts großes, und für jedes Kind und jeden Erwachsenen im Grunde an der Tagesordnung. Auf Zeit gesehen, kann sich das m.A.n. durchaus auswirken.
Wenn wir das von dir Beschriebene annehmen, dann hast du natürlich Recht, dass sich das auf den einen, der dieses Erlebnis hat, durchaus auswirkt.
Wenn die Kinder tatsächlich haargenau gleich sind, als nicht nur äußerlich, sondern auch charakterlich, dann macht der eine eine Erfahrung, die ihm einen Rückschluss auf seinen Charakter zulässt. Auf die Verletzung reagiert er empfindlich und zu seinem Charakter gehört es, mit diesem Umstand der Verletzung nicht umgehen zu können. Der andere, der diese Erfahrung nicht macht, kann folglich nicht wissen, wie er auf so eine Erfahrung (Schmerz als Motiv, das auf den Charakter einwirkt) reagieren würde.
Schopenhauer sagt, der Charakter des Menschen sei empirisch.
D.h., man kann ihn erst anhand der Reaktionen auf Motive bzw. daraus resultierenden Handlungen wirklich kennenlernen. (Er muss dann auch nicht unbedingt mit unserer Vorstellung von uns selbst im Einklang stehen)
Erst dann, und nur dann, kann ich überhaupt Aussagen über meinen Charakter treffen.
Der andere, haargeneu gleiche Zwilling weiß ja noch gar nicht, wie das Motiv der Verletzung auf ihn einwirkt, wenn er nicht in entsprechende Situationen kommt. Es müsste aber haargenau das gleiche bei ihm bewirken, wie bei seinem Zwilling. (Zumindest in deinem Gedankenexperiment)
Du könntest jetzt natürlich einwenden, dass du ja genau das gemeint hast bzgl. der Erfahrungen.
Ich verweise aber an dieser Stelle auf allgemeine Erfahrungen, die jeder Mensch macht, wie eben einen Fehler begehen usw. Diesen Erfahrungen kann kein Mensch ausweichen, nicht mal dann, wenn er völlig autark irgendwo mutterseelen allein in der Pampa lebt.
Du hast übersehen, dass ich das immer in zeitliche Bezüge setze. Z.B. am großgeschrieben JETZT zu erkennen. Zeit ist ebenfalls eine Erfahrung, und m.A.n. wird sie sehr unterschätzt. Sie ist eine eigene Intensität... Ort, bzw. Raum ist auch eine eigene Intensität (Zeit und Raum gehören ja auch in der Physik zwingend zusammen). Das was zeitlich näher ist, hat höhere Intensität. Das was räumlich näher ist ebenfalls. Beides auch umgekehrt.
Der Charakter ist unveränderlich, laut Schopenhauer.
Also fällt die Komponente Zeit weg.
Man wird also auf dasselbe Motiv immer gleich reagieren.
Aber vorsicht mit zu vorschnellen Buuuhhhrufen...
Der Charakter ist zwar unveränderlich, aber er kann modifiziert werden.
D.h. also, dass man einfach seine Mittel ändern kann, um den Zweck zu erreichen.
Beispiel zur Verdeutlichung:
Angenommen, du willst irgendwas haben, für das du Geld brauchst.
Dann kannst du eine Bank überfallen.
Dafür wirst du aber bestraft....zumindest, wenn man dich schnappt.
Nun ändert sich durch die Bestrafung nicht dein Charakter, sehr wohl aber deine Mittel, um zum Ziel zu kommen....
Kurz gesagt: Im Kern wirst du immer der bleiben, der du bist. Du kannst dein Verhalten aber so anpassen, dass es dir strategische Vorteile bringt.
Dazu kommt die Frage, inwiefern ein Mensch überhaupt als weißes Blatt Papier auf die Welt kommt. Ich persönlich glaube an eine Art Reinkarnations-Theorie.. an ein Bewusstsein, dass den Tod überlebt, und sich (wenn es nicht langsam genug hat) ins nächste Abenteuer schmeißt. By the Way: Tobias sollte Michael Newton lesen.
Wenn man als unbeschriebenes Blatt auf die Welt kommen würde, dann würde man durch seine Umwelt determiniert sein. Das würde dann komplett gegen den Charakter, als zweite Determinante, bei Schopenhauer sprechen.
Der Charakter ist uns angeboren. Er zeigt sich schon im Kinde. Ist ja auch irgendwie nachvollziehbar. Wären Kinder unbeschriebene Blätter, dann wäre jedes Baby im Verhalten gleich.
Doch manche sind Schreihälse, die die ganze Nacht durchbrüllen....andere Babys sind eher ruhig und schlafen die Nacht durch....usw.
Wenn Du Dir noch mal vor Augen führst: Ein und dasselbe Kind, in Parallelrealitäten. Aber: Das eine wächst bei einer tollen Familie auf. Das andere bei einem Schläger und einer Trinkerin. Das eine wird geliebt und gefördert. Das andere wird ignoriert oder gedemütigt. Das werden zwei sehr verschiedene Persönlichkeiten.
Nein, es entwickeln sich nur die jeweils haargenau gleichen Charakterdispositionen anders aus (die ja der Kernbestand der Persönlichkeiten dartsellen), eben weil sie durch unterschiedliche Erfahrungen zu unterschiedlichen Ergebnissen über ihren eigentlichen Charakter kommen.
Es ist zwar ein schönes Gedankenexperiment, aber zwei Punkte muss ich daran bemängeln:
1. Du schließt in deinem Gedankenexperiment Erfahrungen, wie z.B. das Fehlermachen, aus. Es gibt genug Erfahrungen, die jeder Mensch im Laufe seines Lebens einfach gezwungenermaßen macht, weil sie zum Menschsein dazugehören.
2. Es gibt auf der Welt keine Menschen, die haargenau den gleichen Charakter haben. Also ist die Grundvorraussetzung, worauf dein Gedankenexperiment aufbaut, nicht auf die reale Welt übertragbar.
Ja.. aber irgendwoher muss die Kraft kommen. Denk mal an die Kraft, die z.B. frisch Verliebte haben. Diese Energie, die aus dem Nichts kommt/zu kommen scheint. Und dann stell Dir die Kraft vor, die jemand hat der im Grunde ein komplett Gedemütigter ist. Irgendwann springt selbst der stärkste Hund nicht mehr in die Kette. Ich glaube, dass es eine Frage von Isolation ist. Alle negativen Erfahrungen haben eines gemeinsam: In irgendeiner Form wirken sie, zumindest auf die Psyche, isolierend... und die Psyche ist das Entscheidende. Es gibt Paare, die jeden Abend gemeinsam auf der Couch sitzen und sich trotzdem einsam fühlen. Es gibt Menschen, die sich nur über Facebook oder sonstwas kennen, und sich trotzdem sehr nahe fühlen.
All das, liegt auch im Charakter begründet. Das Warum habe ich hoffentlich deutlich ausgeführt. Es lässt sich auch auf diese, von dir angeführten Beispiele, übertragen.
Einzeln aufdröseln werde ich das jetzt nicht mehr, da der Beitrag eh schon so lang ist.
Ja... die Frage ist ja, warum fehlt Durchhaltevermögen und Ausdauer? "Warum ist das so? Weil... Und warum das?... etc.". Das kann man ziemlich endlos fragen.
Da kommen wir nun auch zu der Frage, wie die Charakterdispositionen begründet werden sollen.
Ich würde mal vorschlagen, es liegt einfach an der Zusammenwürfelung unserer Gene.
Mal schauen, was du dazu sagst. Ich führ das jetzt nicht aus, sondern schau erstmal, was du für Gedanken dazu hast.
Das ist mit Übergewicht stimmt schon mal nicht... Ich hab Untergewicht.
Das könnte von dir jetzt auch nur eine Behauptung sein....