Kreislauf

Ironwhistle

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1. November 2004
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Köln Höhenhaus
...er war alleine, schon seit Jahren lebte er vor sich hin ohne feste Bezugspunkte zu haben; keine Freunde mit denen er am Wochenende ausging, keine Freundin oder Ehefrau die ihm Trost und Wärme spendete...
Eine Zeitlang tat es ihm weh zu sehen wie andere ihr Glück fanden und es leichtfertig wieder aufgaben. Aber mittlerweile war er über diesen Punkt hinweg gekommen. Er war ungewollt...
Ihn überkam keine Trauer bei diesem Gedanken, auch keine Wut mehr - es war vorbei. Hier stand er nun am Rande seiner Existenz, am Endpunkt seines Lebens und lies noch einmal die wichtigen Stationen seines Lebens Revue passieren: die erste Tracht Prügel, den Unfalltod seiner Mutter als er ein kleiner Junge war, die Einschulung, die Probleme auf der Schule, den häufigen Wechsel, seine Bundeswehrzeit, die Kündigung weil die Firma sparen musste...

Egal wie er auch suchte, Freunde oder Verwandte die wirklich zu ihm hielten fand er nicht. Es spielte auch keine Rolle mehr - er war seit zwei Jahren arbeitslos und hatte vor kurzem seine Wohnung verloren. Nun stand er am Rande des Daches und setzte seiner von Anfang an fehlgelaufenen Existenz, in der er nie eine Chance hatte, ein Ende - er sprang...

2. ein beginnender Kreislauf

...der Notruf ging um 17:34 ein, ein Selbstmörder - als sie ihren Job begonnen hatte brach es ihr jedes Mal das Herz wenn sie diese gescheiterten Existenzen sah; meistens junge Menschen die ihr Leben noch vor sich hatten und denen das Schicksal übel mitgespielt hatte, Menschen die nicht einmal so alt waren wie sie, Schüler die Angst wegen ihrer schlechten Noten hatten, junge Mädchen die hoffnungslos verliebt und enttäuscht waren, Fixer die auf einem schlechten Trip waren, verlassene, misshandelte, geschundene - alle auf irgendeine Art verbunden.
Als sie am Unfallort eintrafen sah sie sofort das hier nichts mehr zu tun sei. Es würden die üblichen Floskeln sein; Spurensicherung, medizinische Untersuchung und Drogencheck, benachrichtigen der Verwandten, sofern welche existierten und Abtransport...
Manchmal fragte sie sch was mit jenen geschah die keine Verwandten mehr hatten - würden sie einfach im Dreck versteckt?
Versteckt vor der Welt die sie nicht wahrnehmen wollte?
Oder hatte sich die Welt vor ihnen versteckt?
Es war ihr einerlei - sie war schon zu lange in ihrem Job um sich mit diesen Gedanken zu belasten, schließlich lebte sie ihr bürgerliches Leben und wollte daran festhalten.

Auf der Wache fertigte sie ihren Bericht an der, wie viele andere auch, in irgendeiner Schublade verschwinden würde um irgendwann vollkommen in Vergessenheit zu geraten. Gegen 2:00 hatte sie Dienstschluss und machte sich auf den Nachhauseweg - die Nacht war angenehm kühl im vergleich zu den heißem Sommertag und sie ging die paar Häuserblöcke zu Fuß um sich von den Gedanken an den Selbstmörder abzulenken...
Sie war nicht weit gekommen als der Wagen angerast kam - es war einer dieser Junge Leute Schlitten; Golf, Metalicblau mit einer Musikanlage die vermutlich teurer war als der gesamte Wagen. Aber das war es nicht was ihr auffiel - er fuhr in Schlangenlinien, vermutlich wieder einer dieser betrunkenen Todesfahrer...
Sie sollte recht behalten: der Wagen überfuhr sie um 2:11 - die Ärzte kämpften noch einige Stunden um ihr Leben, allerdings waren die inneren Verletzungen, insbesondere die im Schädelbereich zu stark als das sie eine reelle Chance gehabt hätte...

4. die Ursache

..."Es hat keinen sinn mehr, sie ist tot". Es tat ihm leid diese Worte zu dem Jungen Arzt zu sagen der erst seit einigen Tagen in seinem Team arbeitete. Er war ein netter Kerl und kannte die kleinen und großen Gemeinheiten des Lebens noch nicht. Ihm selbst war ein Patient vor einigen Jahren gestorben und er wusste wie schlimm diese Erfahrung für jemanden war der es sich zur Berufung gemacht hatte Leben zu retten.
Aber die junge Polizistin war einfach zu schwer verletzt gewesen, sie hatten es nur wegen ihrer Jugend und ihres Kindes versucht sie zu retten - es hatte nicht sollen sein.
Nun müsste das Kind alleine mit seinem Vater aufwachsen und er hoffte das ihm trotz des einscheidenden Erlebnisses irgendwann ein angenehmes Leben vergönnt sein würde...

1. Der Neuanfang

...seit seine Mutter tot war machte ihm nichts mehr Spaß, die Mitschüler in der Schule hänselten und verspotteten ihn, sagten er wäre schuld am Tod seiner Mutter und so weiter und so fort - Kinder können grausam sein und wissen nicht wie viel Leid sie damit erzeugen können...
...die Lehre musste er abrechen weil die Schreinerei Konkurs anmelden musste und nicht mehr das Geld für einen Lehrling hatte. Sein Vater lag ihm sterben - der Krebs hatte ihn in seinem Griff und Freunde an die er sich wenden konnte hatte er nicht. Bereits in der Schule hatten ihm seine "Freunde" gezeigt wie viel er wert war. Nein, es war vorbei - trotz der Rettungswagen und der Polizistin die einige Meter von ihm entfernt stand und versuchte ihn zu überreden würde er springen.
Er sah sie an als er sich über die Kante fallen lies und dachte mit einer stillen Träne im Auge an seine Mutter, die ebenfalls einmal Polizistin gewesen war.

Er hatte niemals eine Reelle Chance gehabt...
 
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