Das Osterei 3. Teil
Er war regelrecht zusammen gezuckt beim ersten Glockenschlag. Doch der helle Glockenklang hatte ihn wieder in die Realität zurück gebracht. Er schloss sich der Menge an und ging langsam auf das Eingangsportal zu. Beim Betreten der Kirche sah er wie die Frau, die mit dem Golf gekommen war im Seitenbereich der Kirche eine Kerze anzündete. Er fand es eine schöne Idee. Über dem Tisch war an der Wand ein Schild angebracht: "Der Tisch der Wünsche".
Alwin setzte sich in die ersten Reihe. Nach einer kurzen Begrüßung und einem ersten Kirchenlied begann der Pfarrer seine Osterpredigt. Sie handelte - natürlich - von der Auferstehung Jesus Christus. Irgendwie ging Alwin diese Geschichte heute besonders nahe, obwohl er sie natürlich schon oft gehört hatte.
Alwine saß mit ihrer Tochter Aline drei Reihen hinter Alwin. Während der Predigt ließ sie ihren Blick ein wenig umher schweifen. Sie blieb an einer Tweedjacke hängen, welche dieser Mann trug, den sie auf dem Kirchvorplatz gesehen hatte, als sie vorhin ankam. Sie hatte ihn noch nie vorher hier gesehen. Ob er wohl neu zugezogen oder zu Besuch war? Er sah recht sympathisch aus mit seinem 5 Tage Bart.
Der Gottesdienst neigte sich dem Ende zu und Aline freute sich schon auf die Verteilung der Wichtel-Ostereier. Sie fand es immer so spannend, in die Augen der Menschen zu schauen, wenn sie ihr Geschenk aufmachten. Sie konnte dann sehr genau erkennen, ob die Beschenkten erfreut oder eher enttäuscht waren.
Der Gottesdienst war zu Ende und Alwine hatte die Hände noch gefaltet. Die letzten Sätze des Pfarrers klangen noch in ihren Ohren. "Der Vater ist mitten unter Euch".... Eine Gänsehaut war ihr die Arme hoch bis in den Nacken gekrochen. Unsanft riss Aline sie aus ihren Gedanken. "Was ist Mama? "Komm mit an den Tisch!" "Überraschung"! Alwine stand auf und ging mit den anderen "Wichtelwilligen" zum Tisch. Sie suchte das Ei, auf dem ihr Name stand und nahm es an sich. "Komm mach schon auf" sagte Aline, "Du weißt doch ganz genau, wie neugierig ich bin".
Alwin beobachtete die Szene und lächelte. Alwine machte das Papier ab, nahm das Ei heraus und schaute sich den Inhalt an. Sie musste herzhaft lachen, denn in dem Ei war ein weiteres Ei - ein Überraschungs-Ei für Kinder. "Das machen wir nun aber erst zuhause auf - Spannung muss sein", sagte sie zu Aline. Sie nahm das Ei und verließ mit Aline die Kirche. "Schöne Ostern allerseits", sagte sie im Vorbeigehen zu Alwin. Er erwiderte den Gruß lächelnd und schaute den beiden nach.
Alwin wollte noch kurz ein paar Worte mit dem Pfarrer sprechen und wartete, bis er sein Gespräch mit einem Besucher beendet hatte. Er ging langsam auf den Tisch zu, auf dem die Wichteleier standen. Ein Papier war auf den Boden gefallen. Er hob es auf, um es auf den Tisch zu legen. Der Namenszettel hing noch daran. Sein Herz schlug plötzlich bis zum Hals. Auf dem Zettel stand: "Alwine".
Alwin rannte wie besessen zum Ausgang und schaute zum Parkplatz. Der silberne Golf war weg! Er rannte zurück in die Kirche auf den Pfarrer zu. Erschrocken wich dieser zurück, als er Alwin heranstürmen sah. "Wo wohnt sie?", rief Alwin. "Meine Tochter - wo wohnt sie?" Der Pfarrer begriff nicht. "Beruhigen Sie sich bitte", sagte er zu Alwin. "Von wem sprechen sie denn?. "Ich rede von Alwine, Herr Pfarrer". "Ich suche sie seit drei Monaten vergeblich hier in Essen und jetzt gerade habe ich sie gefunden, ohne es zu merken". "Erst als ich den Zettel hier sah, wusste ich, dass sie es ist." "Ich bin ihr Vater!" Er fasste den Pfarrer bei der Schulter. "Bitte geben Sie mir ihre Adresse - ich muss sie sprechen"!
Er ließ den Pfarrer los. Etwas verdattert antwortete dieser: "Ja, die weiß ich jetzt auch nicht. Aber ich schaue mal, ob ich draußen vielleicht noch jemanden aus ihrer Nachbarschaft finde. Der Pfarrer ging auf den Kirchvorplatz. Er sprach ein älteres Ehepaar an, nahm einen Stift und Papier und schrieb etwas auf. Dann kam er zu Alwin zurück. "Und sie sind tatsächlich der Vater?", fragte er. "Aber ja doch", antwortete Alwin und zückte seinen Ausweis. Der Pfarrer nickte und lachte Alwin an. Alwin bedankte sich und verabschiedete sich vom Pfarrer.
Sein Handy schellte. Es war Ismael. "Wo steckst Du denn?", fragte Alwin. "Nanu, hast Du solche Sehnsucht nach mir"? "Ich bin in 10 Minuten da, wenn mein Navi mich nicht veräppelt hat", sagte Ismael. "Gut", sagte Alwin, "beeile Dich bitte, ich habe Alwine gefunden - ich erzähle Dir gleich alles unterwegs". "Wir müssen schnell zu ihr fahren". "O.K., bin gleich da".
Alwine hatte inzwischen den Fisch fast fertig. Auch die zwei, die eigentlich für ihre Freundin waren. Aline hatte den Tisch gedeckt und wollte gerade die Servietten auflegen, als es schellte. "Ich geh' schon", rief sie und ging zur Haustüre. Als sie öffnete, sah sie den Mann, den sie heute in der Kirche gesehen hatte. Er lächelte sie an. "Hallo Aline, kann ich bitte kurz Deine Mutter sprechen, sie hat etwas in der Kirche liegen lassen". "Ja, einen Moment, ich hole sie". "Ach, kann ich bitte eine Deiner Servietten haben", fragte Alwin. Etwas verwundert gab Aline ihm eine Serviette. Alwin schrieb etwas darauf. Seine Knie zitterten. Seine Hände zitterten.
Alwine bog in die Diele ein und kam auf die Tür zu. "Ach hallo, Sie?", "Nanu?"
"Sie, äh Du hast etwas vergessen in der Kirche", sagte Alwin. Er reichte ihr das zerknüllte Papier. "Und dies hier wollte ich Dir auch noch geben". Er reichte ihr die Serviette. Alwine las. Darauf stand: "Hier ist noch ein Überraschungs-Ei. Ich bin Alwin - Dein Vater".
Alwine ließ die Serviette sinken. Sie war völlig perplex und schaute Alwin an. Tränen stiegen ihr in die Augen. Plötzlich hob sie ihr rechte Hand und schlug ihm die Faust auf seine breite Brust. Fast gleichzeitig warf sie sich an seinen Hals und drückte ihn, dass ihm fast die Luft weg blieb. "Papa"! Ohne ein Wort zu sprechen, standen sie minutenlang im Türrahmen, ohne sich los zu lassen. Aline war hinzu gekommen und beobachtete die Szene. Auch sie konnte ihre Tränen nicht mehr halten, als sie die beiden so sah und bald standen sie zu dritt wie ein Knäuel mitten in der Tür.
Nach einer Weile lösten sie sich und gingen ins Haus hinein. Es gab viel zu erzählen......
Kurz darauf klingelte es abermals. Ein Mann mit einem roten Bart stand mit einem Blumenstrauß vor der Tür. "Ich bin Ismael", sagte er "und ich bin der beste Freund von Alwin". Alwine strahlte ihn an.....
Weihnachten in Wales:
In einem gemütlichen Cottage sitzen Alwin, seine Tochter Alwine, seine Enkelin Aline und sein bester Freund (und Schwiegersohn) Ismael beim Abendessen. Nach dem Nachtisch steht Alwine auf und holt ein kleines Päckchen hervor. "Dies wollte ich euch noch zeigen, ich habe es mir extra für heute aufbewahrt". "Es ist mein Oster-Wichtelgeschenk". Sie packte es aus und brachte einen kleinen Porzellan-Engel zum Vorschein. "Und wisst ihr, von wem das Wichtel-Geschenk ist?" "Von Papas altem Fußball-Kollegen Horst.....
H.A. - hier genannt Tolkien