Keiner kann anders, als (wie) er ist .... über Freiheit und Bedingtheit des Willens!

M

mdelajo

Guest
Freiheit und Bedingtheit des Willens

\Du Affenfratze, du redest mir nach dem Mund, um mich herumzukriegen. Schweig,
du verstehst uberhaupt nichts. Wenn es keinen Gott gibt, bin ich Gott."
\Sehen Sie, diesen Punkt habe ich nie bei Ihnen verstehen konnen: Warum sind
gerade Sie Gott?"
\Wenn Gott ist, ist aller Wille sein, und aus seinem Willen kann ich nicht heraus.
Ist er nicht, ist aller Wille mein, und ich bin verp
ichtet, meinen eigenen Willen
kundzutun."
\Ihren eigenen Willen? Und wieso verp
ichtet?"
\Weil aller Wille mein geworden ist. Mag denn nur niemand auf unserem Planeten,
wenn er Schlu gemacht hat mit Gott und an den eigenen Willen glaubt, den Mut
aufbringen, den eigenen Willen kundzutun, am entscheidensten Punkt? Es ist, wie
wenn ein Armer eine Erbschaft macht und erschrickt und sich nicht an den Sack
herantraut, weil er meint, er sei zu schwach zu besitzen. Ich will meinen eigenen
Willen kundtun. Und wenn ich der einzige bin, ich tu's."
\Immer zu."
\Ich bin verp
ichtet, mich zu erschieen, denn das ist der alles entscheidende Punkt
des eigenen Willens | sich selbst zu toten."
\Aber Sie sind doch nicht der einzige, der sich umbringt; es gibt viele Selbstmorder."
\Mit Ursache. Ohne jede Ursache, nur zur Bekundung des eigenen Willens, tu ich
es allein."
Pjotr Stepanowitsch und Kirillow
in Dostojewski, Die Damonen.
III

Freiheit und Bedingtheit des Willens



Der Bezugsartikel von Prof. Wolf Singer zu dem noch folgenden offenen Brief:

Keiner kann anders, als er ist

All unser Denken und Tun ist mit dem Ablauf neuronaler Prozesse zu erklären, meint Wolf Singer, Direktor am Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt: Wir sollten aufhören, von Freiheit zu reden.

Entscheidungen sind das Ergebnis von Abwägungsprozessen, an denen jeweils eine Vielzahl unbewußter und bewußter Motive mitwirken. Diese legen gemeinsam das Ergebnis fest, sind jedoch in ihrer Gesamtheit kaum zu erfassen, weder vom entscheidenden Ich noch vom außenstehenden Beobachter. Hirnforscher behaupten, daß Entscheidungen vom Gehirn getroffen werden, also auf neuronalen Prozessen beruhen. Sie müssen deshalb erklären, wie das Wissen neuronal repräsentiert ist, auf dem Entscheidungen beruhen, wie sich die Motive für Entscheidungen im Nervensystem manifestieren, , wie die Abwägungsprozesse organisiert sind, wie das wollende und entscheidende „Ich“ sich konstituiert und schließlich, welches die Konsequenzen der Antworten für unser Selbstverständnis und die Beurteilung von Fehlentscheidungen sind.

Die Gewißheit, daß unser Wollen und Entscheiden auf neuronalen Vorgängen im Gehirn beruht, verdankt sich der Konvergenz mehrerer, unabhängiger Beobachtungen. Eine Argumentationslinie stützt sich auf die evolutionsbiologische Evidenz einer engen Korrelation zwischen dem Differenziertheitsgrad von Gehirnen und ihren kognitiven Leistungen. Die Verhaltensleistungen einfacher Organismen lassen sich lückenlos auf die neuronalen Vorgänge in den respektiven Nervensystemen zurückführen. Da die Evolution sehr konservativ mit Erfindungen umgeht, unterscheiden sich einfache und hochdifferenzierte Gehirne im wesentlichen nur durch die Zahl der Nervenzellen und die Komplexität der Vernetzung. Daraus folgt, daß auch die komplexen kognitiven Funktionen des Menschen auf neuronalen Prozessen beruhen müssen, die nach den gleichen Prinzipien organisiert sind wie wir sie von tierischen Gehirnen kennen.


Keiner kann anders, als er ist ..



Und nun der offene Brief von Ingo Wolf Kittel, Facharzt für Psychotherapie:

Sehr geehrter Herr Prof. Singer,

wenn es 'in der Tat' so sein sollte wie Sie behaupten: "Keiner kann anders als er ist", muss verwundern, dass sie fordern: "Wir sollten aufhören, von Freiheit zu reden."

Wie soll das möglich sein, wenn 'wir' doch nicht anders können?! -
Genauso wenig wie offenbar Sie selbst...


ENTWEDER geben Sie damit nämlich ein Resultat gediegener Forschung wieder.

Dann wäre anzunehmen, es sei ein eindeutiges und von jedem Fachkenner mit guten Gründen anzunehmendes Ergebnis der logisch einwandfreien Interpretation von Daten, die mit selbst konstruierten Messinstrumenten selbst produziert und auf der Grundlage von wohl begründeten selbst gesetzten theoretischen Voraussetzungen auch selbst gedeutet wurden.

Falls Sie auf einer derartige Weise zu Ihrer These gekommen sein sollten, müssten Sie aufgrund von 'vernünftig' erscheinenden Interpretationen von Forschungsdaten zu der Feststellung kommen, sich in genau dieser Ansicht zu täuschen und realiter vielmehr von den 'Verschaltungen' Ihres Gehirns auf Ihre Thesen 'festgelegt' worden zu sein.

Soviel ich weiß, kommen nicht alle Hirnforscher zu derselben Einsicht - nach Ihrer These dann aber offenbar nicht, weil sie ihrerseits - nach meiner Kenntnis sogar viele und gute - Gründe haben, Ihre Behauptungen zurückzuweisen, sondern einfach: weil ihre Neuronenverschaltungen andere sind und sie 'nicht anders' und vor allem nicht so 'können' wie Sie.

Es dürfte dann auch nicht mehr gut davon die Rede sein können, Ihre Aussagen gäben wissenschaftliche 'Erkenntnisse' wieder. Ab sofort müsste Sie von wissenschaftlichen 'Festlegungen' sprechen.

Deren Überprüfung wäre zudem ausgeschlossen: wenn sie 'nicht anders können', sind Hirnforscher auf die Feststellung, festgelegt zu sein, festgelegt.

Sie müssen zudem solange immer wieder zu derselben Feststellung kommen, festgelegt zu sein, wie Verschaltungen sie just auf diese Ansicht festlegen.

Ihre Feststellung, Herr Prof. Singer, oder vielmehr Ihre Festlegung... müsste überdies allerneuesten Datums sein.

Vor gerade mal zwei Jahren haben Sie in einem Interview der Zeitschrift 'Gehirn & Geist', in deren Beirat Sie Sitz und Stimme haben, völlig richtig festgestellt:

"Unser Wissen über die Zusammenhänge von Hirnstrukturen und Verhaltensdispositionen ist noch sehr rudimentär". (2)


Fortschritt? Rückschritt! Widersprüche überall!

Werde den offenen Brief in der Folge noch gänzlich hier unterbringen, da aus meiner bisherigen (festgelegten?) Erfahrung manche Links der Neigung unterliegen, phasenweise sowie auch punktuell ignoriert zu werden. : D


Daher zieht es mich heute am Sonntag in dieses Forum, um einzuladen zu einer heiteren Diskussion im Rahmen eurer Möglichkeiten und im Sinne der Thread-Überschrift, die da lautet:

Keiner kann anders, als (wie) er ist ..

:morgen:
 
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Ich gebe ja die stille Hoffnung nicht auf, daß User, die sich zu Wort melden, auch erst einmal lesen, was genau hier alles so steht.


Nun gut, weiter also mit dem offenen Brief:

Damals hatten sie sogar ausdrücklich hinzugefügt:

"Niemand würde derzeit wagen, daraus irgendwelche Rückschlüsse zu ziehen."(ebd. - Hervorh. hinzugefügt)

Es wäre eine ungeheure Leistung, wenn in so kurzer Zeit durch Forschung festgestellt worden sein sollte, das gesamte Handeln und Verhalten von uns Menschen sei allein von den neuronalen Verschaltungen unserer Gehirne abhängig.

Die simple Folge: Jede dieser generellen Aussagen nicht 'entsprechende' Ansicht oder Behauptung wäre dann 'falsch' (in des [Lehn]Wortes wörtlicher Bedeutung: 'täuschend'), und das, obwohl sie genau so durch 'Verschaltungen' zustande gekommen wäre wie die Ihre und damit zu ihr völlig gleichwertig wäre.

Widersprüche einseitig zugunsten der eigenen Ansicht zu entscheiden, nur weil man selbst auf diese 'festgelegt' ist, hat wohl eher mit wohlbekannter 'Meinungsdiktatur' und logisch vor allem mit der uralten Denkfigur zu tun, 'alles' auf 'eins' zurückführen zu wollen, als mit in einer methodisch einwandfrei betriebenen Wissenschaft.

Bequem ist vor allem die verachtende Folge(rung aus) dieser Denkweise: die anderen sind immer die Dummen!

Diese blicken 'einfach' nicht durch und werden vielleicht zu Opfern illusionärer Verkennungen ('psychopathologisch' ausgedrückt) erklärt oder als vom Teufel geblendet (in 'religiöser' Sprechweise) hingestellt, während man sich selbst - mit anderen gleicher 'Meinung'... - wenn nicht im Besitz der 'allein selig machenden' Wahrheit glaubt oder gar wähnt, dann zumindest aber davon überzeugt ist, pardon: darauf festgelegt ist anzunehmen, selbst die präzise 'Dia-Gnose', den 'Durch-Blick' zu haben.

WEITER
stellt sich die Frage, wie Ihre Aussage mit einem anderen, auch und schon wesentlich länger als wenigstens ebenso gesichert geltenden Resultat der neurobiologischen Forschung verträglich ist, das geradezu im Gegensatz zu Ihrer Behauptung zu stehen scheint.

Danach soll unser Gehirn eine lebenslange 'Neuroplastizität' aufweisen, wegen der neuronale Verschaltungen ständig durch Wahrnehmungen von äußeren und innerorganismischen Geschehnissen aller Art und über diese auch durch alle möglichen damit reflexartig oder gewohnheitsmäßig gekoppelten Reaktionen bis hin zu selbst initiierten Handlungen immer wieder überformt werden und sich deswegen unentwegt verändern.

'Verschaltungen' selbst sind demnach durchaus variabel; ja sie können danach sogar von jedem selbst beeinflusst und damit absichtlich und - mehr oder weniger - gezielt, in jedem Sinn dieses Wortes also 'bewusst' verändert werden.

Verschaltungen selbst jedenfalls liegen demnach keineswegs fest, auf die dagegen 'wir' festgelegt sein sollen!

So sehr das Kunstwort 'Neuroplastizität' für das, was in der Alltags- oder besser gesagt in der Umgangssprache schlicht 'Lernfähigkeit' heißt, der 'allgemeinen Lebenserfahrung' entspricht, so sehr widerspricht Ihre Angabe, Verschaltungen würden uns festlegen, auch dieser.

So ist es seit langem schon gute oder ungute Sitte und Gebrauch: in Beachtung oder unter Missachtung ausgehandelter Verträge oder etablierter Regeln bis hin zu als allgemein verbindlich sogar eigens deklarierten und akzeptierten Gesetzen aus eigenem Entschluss selbst festzulegen, was man zu tun oder zu lassen gedenkt, miteinander vielleicht auch abspricht und beschließt zu tun oder zu lassen - unter Beachtung von Umständen und Gesichtspunkten, die einem dabei wichtig sind und eigens zu berücksichtigen wert erscheinen. (Auch dies können wir - noch dazu in beliebig weitem Rahmen - 'selbst bestimmen'; das Buch mit dem davon abgeleiteten Titel "Selbstbestimmen" des Kollegen Manfred Spitzer, der seit Jahren zur Vermittlung und Verbreitung aktuellster Resultate neurowissenschaftlicher Forschung beiträgt, dürften Sie kennen.)

ALLES EINBILDUNG

sollen wir neuerdings glauben. Jedenfalls lautet so die - dem historisch Kundigen auffällig bekannt vorkommende - Kollateralbehauptung dazu, allerdings mit selbstverständlich exakt einer und einer einzigen Ausnahme: genau dieser Behauptung selbst!

Sie wird m. W. allerdings nicht, wie sie klingt, als psychologische Einsicht, sondern ebenfalls als Ergebnis der 'Hirnforschung' hingestellt - und nicht als aus der 'Theorie' dazu, der 'Anschauung' [davon] bzw. aus deren 'Voraussetzungen' rein logisch 'abgeleitet'.

Ohne Wissenschaft hat es Äonen gedauert, eigene Gedanken, Erinnerungen, Träume oder andere - traditionell eher zufällig 'geistig' genannte (3) - Leistungen nicht mehr wie in gar nicht so lange zurück liegenden Zeiten für dräuende Stimmen oder erschütternde Erscheinungen von Toten, Göttern und anderen 'Erscheinungen', Eingebungen von Dämonen oder als subtiles Wirken eines nicht weniger ominösen substantivierten 'Geistes' zu halten, sondern sachlich zutreffend als teils automatische, teils bewusste denkerische 'Eigen(e)'-Leistungen sich selbst (als Individuum: 'Unteilbarem, als Ganzem oder als 'Person') zuzurechnen und ein dem gemäßes Selbstbild und Selbstbewusstsein zu entwickeln.

Hirnforscher wie Sie sind seit einigen Jahren dabei, ohne Not dieses mühsam erarbeitete, bis heute allerdings immer noch nicht ausreichend sicher verankerte Selbstbewusstsein infrage zu stellen, wenn Sie nunmehr das Rad zurück zudrehen suchen und statt wie weiland 'transzendenten' Wesenheiten diesmal dem Gehirn zuschreiben 'eigentlich' zu tun, was wir tun. Hirnforschung dieser Art und Güte brächte uns lediglich vom 'Allmächtigen' auf's Gehirn, das alles macht...


offener Brief an Prof. Wolf Singer
 
und weiter geht´s erstmal:

DER SCHADEN IST IMMENS!

Sie geben als erstes wesentliche kulturelle Differenzierungen auf: geistige Leistungen zu - 'konstruktiven'... - Hirnleistungen bzw. zu Konstrukten des Gehirns zu erklären bedeutet, sie mit dabei feststellbaren neuronalen Prozessen zu identifizieren, wie sie auch bei Wahrnehmungen und der Wahrnehmungsverarbeitung sowie allen weiteren über das Zentrale Nervensystem vermittelten innerorganismischen Selbstregulationsvorgängen festzustellen sind.

Neurophysiologen tun damit etwas, was bisher m. W. noch niemandem sonst eingefallen ist: ein Muskelphysiologe müsste nach demselben Prinzip das Drohen mit der Faust auf die Kontraktionen der Muskeln 'zurückführen', die dafür nötig sind, und überdies behaupten, Arm und Hand seien in ihrer Bewegung durch genau diese auch 'festgelegt'.

Im weiteren ist es nur 'konsequent', aber noch verlustreicher, auf der Basis derartiger Sprachkonstruktionen auch alle Erkenntnisleistungen von uns Menschen unterschiedslos zu Neuronenaktivitäten zu 'erklären': ob es sich dabei um das 'Erkennen' bzw. Unterscheiden von Einzelheiten bei einer Wahrnehmung handelt, also um Diskriminationsleistungen, das 'Wiedererkennen' von schon Bekanntem, also um Identifikationsleistungen, oder aber um das Erkennen bzw. Feststellen von Zusammenhängen oder gar das Erkennen und Unterscheiden verschiedener Zusammenhänge: solche zeitlicher (historischer) Art, kausaler (technischer) und regelhafter (sozialer) Art oder gewohnheitsmäßiger (psychologischer) Art bis hin zu sprachlichen (logischen) Zusammenhängen und erst recht (argumentativen) Begründungszusammenhängen.

(Entsprechend wenig Beachtung scheinen denn auch die differenten Bedeutungen des Begriffes 'Erklärung' zu finden. Erklärungen können ja in Hinweisen bestehen, wenn man jemandem etwa einen Weg erklärt, in Erläuterungen von z.B. mathematischen oder Sprachregeln im Schulunterricht, in förmlichen Deklarationen, öffentlichen Erklärungen also, Dekreten oder 'Verkündigungen', in denen Stellungnahmen jeder Art abgegeben werden: Beschlüsse, Klarstellungen, Zu- und Versicherungen, Ablehnung oder Zusagen oder - besonders relevant in wissenschaftlichen Zusammenhängen - Festlegungen aller Art wie etwa 'Definitionen', bis hin zur Herausarbeitung und Klärung - sowie dann auch 'Erklärung' genannten sprachlichen Darstellung ['Beschreibung'] - von Zusammenhängen verschiedenster Art.)

Zu dieser Gleichmacherei kommt überdies hinzu, dass Aktionspotentialschwankungsmuster von Neuronenkohorten unter entwicklungsgeschichtlichem Blickwinkel ebenfalls als 'konstruktive' Anpassungsleistungen dieses Organs angesehen werden, obwohl dessen Funktionen mit dem als evolutionär 'wirksam' angesehenen Überleben selbst rein gar zu tun hat.

Es ist dann im weiteren logisch zwar durchaus auch noch folgerichtig, aber dann offensichtlich logisch zirkulär zu formulieren, die Aussage, Denkleistungen seien Hirnkonstrukte, sei selbst ein Konstrukt 'des Gehirns' - und nicht eines von Hirnforschern, die auf diese seltsame Weise theoretisieren und Forschungsdaten deuten: eine nette, aber wohl kaum als wissenschaftlich anzusehende, jedenfalls wenig sinnvolle Sprachakrobatik, mit der nun schon seit Jahren hantiert wird, durch die sich allerdings nur logisch wenig Geübte beeindrucken lassen.

Der fragwürdige Gewinn dieser auf rein terminologischen Regelungen beruhenden Denkweise ist zunächst, dass alle wissenschaftliche Aussagen über uns Menschen auf dieselbe theoretische Ebene ('Niveau') herunter gesetzt werden: das von evolutionär entwickelten aktuellen physiologischen Hirnzellaktivitäten.

Hirnforschung selbst mutiert auf dieser Basis dem Anschein nach zu einer Art Überwissenschaft; wenn nämlich nach Vorraussetzung und undifferenziert sämtliche Erkenntnisleistungen (als) Hirnkonstrukte (zu bezeichnen) 'sind', müssen sämtliche Erkenntnisleistungen - auch in allen wissenschaftlichen Disziplinen - stets im Lichte der Feststellungen von Hirnforschern gesehen und ggf. auch beurteilt werden.

Hirnforscher selbst schwingen sich dabei - wie ehemals Priester und sonstige, 'göttliche Wahrheiten' verkündende, in alten Sagen übrigens sinnigerweise als blind dargestellte Seher, deren Aussagen oder Behauptungen auf mehr als geheimnisvoll erscheinenden inneren 'Eingebungen' beruhen, und die nur verstehen und nachvollziehen kann, wem auf eben dieselbe Weise gleiche Erkenntnisse 'offenbar' oder 'geoffenbart' werden... - zu über allen stehenden Überwissenschaftlern auf, die als moderne Hohepriester noch dazu auf genau parallele Art und Weise zu ihren eigenen Behauptungen kommen: durch innere 'Verschaltungen'...

Sachlich gewendet: mit der 'Erklärung' sämtlicher, und damit auch wissenschaftlicher Erkenntnisleistungen zu Hirnkonstrukten wird alles Denken bis in die Wissenschaft erkenntnistheoretisch auf das Niveau der Erkenntnisleistungen von einigen Hirnforschern gebracht.

Gleichzeitig jedoch entziehen sich solcherart theoretisierende Hirnforscher jeder Kritik. (Ihre Hirnleistungen wären allenfalls von Neurologen oder Psychiatern zu beurteilen, die mit anderen Agenten der Gesellschaft darüber zu entscheiden hätten, ob sie nicht vielmehr "weggesperrt" gehörten, wie Sie in einem anderem, aber gleichsinnigen Zusammenhang interessanterweise selbst formuliert haben.[4])

Denn nach Ihnen 'können sie nicht anders' und damit auch nichts für ihre Behauptungen und Feststellungen: wie jedermann bis hin zu Schwerstverbrechern wären sie nicht selbst, sondern ihre Gehirne für ihre Taten verantwortlich zu machen.

Dem nicht genug: Durch die Festlegung auf die autoritative Deutungen neurobiologischer Forschung durch einige ihrer Vertreter, die auf sie als richtig durch ihre Gehirne 'festlegt' sind, werden alle ihre Behauptungen zu 'feststehenden' und damit zu nichts weniger als 'ewigen Wahrheiten'.

Widersprüche wie etwa in dieser Zuschrift sind natürlich zu erwarten, wenn gilt: "Keiner kann anders als er ist".

Sie brauchen aber nicht ernst genommen zu werden - wenn sie überhaupt wahrgenommen werden: als bloß zufällige Neuronenleistungen derer, die sie gerade vorbringen - als ausführende Organe ihrer Gehirne, die sie halt darauf nun mal 'festlegen'... - stellen auch sie keine, und schon gar keine guten Argumente in einem sinnvollen, insbesondere in seinen Prämissen jederzeit nachvollziehbarem wissenschaftlichen Diskurs dar: sie 'sind' unter naturalistischem Blickwinkel gesehen lediglich (als) evolutionäre Zufallsprodukte (zu bezeichnen bzw. anzusehen), die als solche unter den herrschenden Bedingungen entweder untergehen oder sich als momentan 'the fittest' - bestangepasste (fragt sich nur: an was?!) - ebenso zufällig durchsetzen; man wird sehen... - auch als Wissenschaftler.

Zusehen ersetzt auf diesem Niveau: Denken... 'Abwarten und Zusehen' wissenschaftliches Argumentieren, Registrieren der Sprachproduktionen in wissenschaftlichen Zeitschriften oder auf Tagungen und Kongressen das aufmerksame Rezipieren und genaue Nachvollziehen dessen, was Kollegen 'zu sagen haben' und einander 'zu verstehen geben' wollen...

Dabei können Ihre Behauptungen, wenn Sie einigermaßen logisch konsequent blieben, ihnen selbst eigentlich ebenso wenig 'einsichtig' sein wie anderen: sie können sie nur aufstellen, weil ihr Gehirn just so verschaltet ist, wie es gerade verschaltet ist, und sie können nur von zufällig ebenso oder genügend ähnlich verschalteten Hirnen mit- und ggf. nachvollzogen werden - und vielleicht dann nach und nach auch von solchen Gehirnen, in denen sich ebenso naturwüchsig dieselben Verschaltungen herausbilden, sei es durch zufällige Selbstorganisation oder durch Anregungen durch Äußerungen von Trägern bereits so verschalteter Gehirne. (Nur zu dumm, dass Verschaltungen selbst dauernd, so stark und lebenslang variieren sollen... )

Danach sind nicht mehr Überzeugen und Einsehen diejenigen Grundprozesse, die unserem geistigen Austausch und unserer gegenseitigen Verständigung zugrunde liegen. In der als 'neu' und sogar 'modern' hingestellten Perspektive neurobiologischer 'Theorie' entwickeln sich nach und nach allenfalls Verschaltungsgruppen von ähnlich kohärenter Art wie dies bei Glaubensgemeinschaften verschiedenster Art zu beobachten ist, die nicht auf der Basis von überlegten Absprachen, sondern durch schlichte, unkritische Übernahme von Überzeugungen zustande kommen, die andere - aus welchen Gründen und Anlässen auch immer - bewusst und gezielt oder zufällig entwickelt haben.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Sie in dem eingangs erwähnten Interview denn auch als erstes religiöse Glaubensinhalte auf- und frontal angegriffen bzw. infrage gestellt haben.

Die Debatte um die Folgen 'der' modernen Hirnforschung hat immer wieder genau diesen Beigeschmack: den eines wieder einmal zu entfachen gesuchten Glaubenskampfes um eine 'wissenschaftliche Weltanschauung'! Ob mit der Steigerung von Wissenschaft zur Ideologie irgendjemandem gedient ist, zeigen historische Vorbilder - etwa das Schicksal des Ostwald- und Haeckel'schen Monismus vor einem Jahrhundert...

Noch Schlimmer wirkt sich folgender Umstand aus: geistige Leistungen auf das Niveau von Neuronenaktivitäten herunter zu brechen heißt nichts anderes als konzeptionell alle Leistungen von uns Menschen, die in einem Jahrzehntausende langen so genannten Kultur(alisations)prozess entwickelt wurden, qua Hirnkonstrukte als bloße Naturprodukte zu fassen, die sich 'nichts anderem als' einem evolutionären Naturschauspiel verdanken - und nicht eigenen geistigen und sozialen Leistungen, die bei der Sicherung der eigenen Lebensbedingungen, der Bestimmung unserer Lebensführung sowie Gestaltung unseres Zusammenlebens nach und nach entwickelt und zunehmend überlegter und gezielter, also immer 'bewusster' zur Grundlage unseres Miteinanderlebens und -auskommens gemacht wurden.


offener Brief an Prof. Wolf Singer


Gerne darauf aufbauend auch eine philosophische Diskussion, sie muß nicht auf neurowissenschaftlichen Grundlagen aufgebaut sein, nein ganz im Gegenteil. Auch thelemitische Aspekte dürfen gerne einfliessen. ;-)


Wie seht ihr das? Wie hoch schätzt ihr den Grad der Freiheit eures Tun und Handelns sowie Denkens ein?

:morgen:
 
und weiter, das Ende ist nahe:

Schier überflüssig scheint eine so konzipierte Hirnforschung vor allem alle Psychologie zu machen, ähnlich den Phantasien von Sigmund Freud, der schon vor 100 Jahren psychologische Annahmen nur als Notbehelfe und darauf gestütztes Denken nur als vorläufig ansah. Da sämtliche Meinungen und Ansichten jetzt 'nichts als' Hirnkonstrukte sein sollen, 'sind' auch alle auf Eigen- oder Selbstwahrnehmung beruhende psychologisch relevanten Überzeugungen - insbesondere selbst zu denken und zu fühlen, Überlegungen selbst anzustellen, Pläne selbst zu entwickeln und selbst auch zu einem selbst bestimmten Zeitpunkt 'in die Tat' umzusetzen, ja selbst sich zu erinnern, jemals etwas auf diese Weise gemacht zu haben, dafür Entscheidungen und Festlegungen getroffen oder anderes selbst entschieden oder mit anderen freiwillig vereinbart zu haben usw., und weil es darauf dann auch nicht mehr ankommt: auch die Feststellung, überhaupt 'jemand' mit einem Ich- bzw. Selbstbewusstsein zu sein... - als bloße Hirnkonstrukte anzusehen bzw. so zu bezeichnen (mit der hochstrebend als 'neurophilosophisch' genannten logischen Konsequenz, verblüffte Ahnungslose zu lehren, 'no-ones' zu sein und sich als 'Niemand' ansehen zu sollen).

Wenn dann auch noch billigend in Kauf genommen wird, den Begriff 'Konstrukt' in dem üblicheren psychologischen Sinn einer gedanklichen (und nicht sprachlichen) Konstruktion zu verstehen, wie er mit dem dafür auch gebräuchlichen Begriff 'Illusion' verbunden ist, sinngemäß und fast auch wörtlich das, was wir recht vieldeutig 'Gedankenspiel' nennen, dann geraten unter der Hand Hirnleistungen zu Illusionen ganz anderer Bedeutung: mehr oder weniger phantasievollen Erfindungen, bloßen Einbildungen mit genau derselben Wirksamkeit wie Träume... (womit Hirnforscher allerdings wider ihre eigenen Voraussetzungen bei sehr bekannten psychologischen Tatbeständen landen würden... )

Wie Sie wissen, hat ein sehr forscher Kollege von Ihnen in logischer Fortsetzung eines derartigen Denkens vollkommen folgerichtig sich selbst und in einem Zug damit auch gleich die gesamte Wirklichkeit zum Konstrukt seines(!) Gehirns erklärt - pardon, nein, so muss ich wohl nach Ihrer Erkenntnis formulieren: er konnte nicht anders; bestimmte Verschaltungen und nicht seine Denkvoraussetzungen, insbesondere seine Begriffe sind's, die ihn darauf 'festgelegt' haben, sich so zu sehen, ein ganzes Buch darüber zu schreiben und ihm den Titel zu geben: 'Das Gehirn und seine Wirklichkeit'. (dort S. 330)

(An diesem Titel irritiert nur, dass dieses Gehirn auch von allen anderen Hirnen behauptet, das gleiche zu tun, was es selbst konstruiert hat - während es geradezu amüsant ist, dass es einen kindlichen Spaß am Foppen zu haben scheint; denn es lässt ihn da doch schreiben, dass er nur sein "wirkliches Gehirn" kenne, nicht sein "reales Gehirn", zu dem er gar keinen Zugang habe! Dies wäre normalerweise so zu verstehen, dass er - wenn er schon über sein eigenes reales Gehirn nichts sagen kann, dann erst recht nicht imstande ist, Aussagen über andere reale Gehirne zu machen... )

Es imponiert, dass selbst auf neurobiologischer Grundlage ein Solipsismus, oder besser gesagt: ein 'Neurosolismus' möglich ist - während es gleichzeitig ebenso verwunderlich wie bewundernswert ist, dass da ein Gehirn angibt, seine eigene Leistung durchblickt zu haben, und diesen Durchblick im gleichen Zug als seine eigene Erfindung auch wieder abtut...

Im Stillen freilich schleicht sich arge Verwunderung ein und leiser Zweifel macht sich breit aufgrund der schlichten Überlegung, dass die Vorstellung von einem Vorstellungen konstruierenden Gehirn nur eine Vorstellung sein kann, schlichte Einbildung, ein 'Traum', pure Illusion: sie zu durchschauen sollte eigentlich von dieser befreien - hat jedenfalls ein angesehener Spezialist für psychologische Zusammenhänge, ein Prinz gar, vor mehr als zweitausend Jahren einmal in einem fernen Land in noch fernerem Osten behauptet und versprochen, der seitdem sinnigerweise den Beinamen 'der Erwachte' führt...


offener Brief an Prof. Wolf Singer
 
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es ist vollbracht:


WEITERE WIDERSPRÜCHE

Wenn ihre Behauptung, sehr geehrter Herr Prof. Singer, ständig sich ändernde Verschaltungen unserer Gehirne würden uns selbst - wie abhängige Marionetten - in allem festlegen, was wir tun, wider alle Erfahrung und allem Anschein dennoch zutreffen sollte, und würden Sie selbst sie vor allem auch ernst nehmen, dann könnten - oder dürften?! zumindest aber sollten... - Sie wie eingangs schon angesprochen weder annehmen noch erwarten, dass irgend jemand ihrer Forderung nachkommen 'kann', mit dem Reden von Freiheit aufzuhören (und sicher noch von anderem - denn ich fürchte, da kommt noch einiges an ähnlichen als 'neurowissenschaftlich' ausgegebenen Forderungen auf uns zu...), jedenfalls solange nicht, wie die dazu nötigen Verschaltungen in seinem Gehirn noch nicht etabliert sind.

Ausgeschlossen wäre dann vor allem, dass ihrer Forderung jemand 'freiwillig' Folge leisten würde, erst recht, dass jemand dies 'aus Einsicht' täte bzw. tun könnte, oder dass er das - noch dazu 'aus freien Stücken' - auch nur w o l l e n würde: und das, obwohl Sie in sog. guter alter Tradition, die bislang auch noch akademische Sitte war (aber vielleicht wird auch da 'die Hirnforschung' alles ändern...) so etwas tun wie dafür zu argumentieren, und damit an all das, was Sie theoretisch ausschließen, appellieren - und das sogar ausgiebig.(5)

Diese schiere Menge passt gut zu der beeindruckenden Zahl Ihrer seit Jahren abgegebenen und - soweit ich selbst dies in allgemein zugänglichen Medien verfolgen konnte - nirgendwo anders begründeten gleichsinnigen Statements in Ihren Interviews, populärwissenschaftlichen Artikeln und Vorträgen; danach zu urteilen sieht es so aus, als wollten Sie Ihrer Überzeugung folgen (wenn ich Sie persiflieren darf: nicht 'freiwillig' und aus Einsicht, sondern weil Ihr Gehirn so verschaltet ist und Sie offenbar nicht anders können... ): durch ständige Wiederholung Ihrer Verlautbarungen, insbesondere über die Nichtexistenz von Willensfreiheit bei Lesern und Hörern solche Verschaltungen anzuregen, mittels derer diese darauf 'festgelegt' werden, im Gegenteil von Freiheit gerade nicht zu reden bzw. nicht mehr... (vielleicht sogar darauf, an Freiheit nicht einmal mehr zu 'denken'? Ja Freiheit sich auch nur 'vorzustellen', sich zu 'erträumen' und schon gar nicht sie sich zu 'erhoffen'? Vor allem aber dann sicher auch: sie erst gar nicht zu 'verlangen', gar zu 'fordern', und sie erst recht nicht 'anzustreben', sie persönlich 'auszubilden' bzw. zu 'verwirklichen', seinen Kindern einen vernünftigen Umgang damit zu 'vermitteln' und in einem - vielleicht revolutionär geschaffenen oder gesellschaftspolitisch nach und nach aufgestellten - Rechts- bzw. Gesetzessystem abzusichern?! Ich verkneife mir, die politischen Implikationen ihrer extremen Ansichten als das zu kennzeichnen, was sie ganz offensichtlich sind; jedenfalls kann ich mir sehr lebhaft vorstellen, in welche erzieherische und politische Programmatik sie ausgesprochen gut passen würden!)

Nach meiner Kenntnis ist die bloße Wiederholung von Behauptungen bisher kein Prinzip vernünftigen, vor allem unter Wissenschaftlern üblichen Argumentierens. Es hat vielmehr in der 'Päd'-Agogik (Kinder- Führung...) ihren Platz beim Lernen, Einpauken, Eintrichtern und Einbleuen, sodann in der Werbung und jeder Art von Propaganda: bereits die Alltagserfahrung zeigt, dass irgendetwas davon dann schon hängen bleibt: fragt sich nur was... -

In der Ausstrahlung der BBC-Extra-Reihe "Das Bewusstsein des Menschen" bei Vox über die Osterwochen waren die Folgen des an die Neusprache Orwells erinnernden neurowissenschaftlichen Jargons in dem verwendeten Begriffsmischmasch bereits im Medium der heutigen Form der massenhaften Allgemein-'Bildung' zu hören. Der seine ökonomischen Geschäftsgrundlagen beachtende Wissenschafts-Journalismus, populärwissenschaftliche Bücher von Wissenschaftlern selbst bis zu ihren mittlerweile fast schon massenhaften Äußerungen in Vorträgen auf Kongressen, Tagungen oder eigens anberaumten Vortragsterminen, Interviews, Statements und Kommentaren und dann sicher auch noch in ihren regulären Vorlesungen sorgen schon lange dafür, dass die Allgemeinsprache bereits von diesem simplifizierenden Jargon durchsetzt ist.(6) Es wird Jahrzehnte brauchen, bis die umfassenden und detaillierten Klärungen von begriffs- und methodenbewussten, auf dem Boden der Wissenschaft bleibender Forscher aus Ihrem Bereich wie Max R. Bennet und Peter M. S. Hacker in ihrem auf Deutsch wohl nie erscheinenden Werk - vielleicht - für gedankliche 'Ordnung' sorgen.(7)

Neben Herrn Roth kenne ich keinen Hirnforscher, der - in derart auffälligem Gegensatz zu seiner eigenen Empfehlung - so viel von Freiheit bzw. ihrer Nichtexistenz geredet und geschrieben hat wie Sie. Auch sachlich gehört es zu den überaus zahlreichen, in ihren Texten immer wieder festzustellenden, gelegentlich (8) sogar offen von Ihnen selbst formulierten Selbstwidersprüchen, dass Sie es für möglich halten, Verschaltungen könnten jemanden nicht nur darauf festlegen, irgendetwas zu tun, sondern sogar, wie nach Ihrer jetzigen Formulierung angenommen werden muss, sogar darauf, etwas nicht zu tun: etwa dadurch, dass Sie und andere dies immer wieder tun, was 'wir' (anderen also...) zu tun aufhören soll(t)en?

Vielleicht deswegen, damit Sie und gleichgesinnte, pardon: gleichgeschaltete Mitstreiter von Ihnen dann allein noch darüber reden können und Ihre unpsychologischen Ansichten dazu verbreiten können?!

Der Widerhall, den ihre Verlautbarungen - die für mich 'sensationell' nur in ihren selten krassen Widersprüchen sind - nach wie vor finden (vor allem bei Journalisten, die statt sachlich und vor allem kritisch zu vermitteln, Sensationen suchen, wittern und wenn nötig sogar selbst erfinden... ) sollte jedem zu denken geben, dessen Gehirn noch nicht fest verschaltet ist: solange er noch anders kann...; vor allem lässt dieser publizistische Erfolg nicht erwarten, dass Ihrer Forderung, von Freiheit nicht mehr zu reden, auch nur annähernd ähnlicher Erfolg beschieden sein wird - im Gegensatz zu dem (dadurch möglicherweise nur gezielt zu fördern gesuchten) sensationellen Erfolg Ihrer eigenen und dazu gleichartiger Publikationen und noch anderem; ganz im Gegenteil: wie die Debatte in der F.A.Z. zeigt, jede Lernpsychologie auch erwarten lässt, deren 'physiologische Grundlagen' die Hirnforschung nur und sogar eindrucksvoll bestätigt hat, wird über Freiheit dann nur umso mehr diskutiert...

ODER
aber Ihre Aussagen, die zunächst einmal wie alle Aussagen lediglich sprachliche(!) Konstruktionen sind, beruhen selbst auf 'nichts weiter als' - wie Sie immer wieder, auch in Ihren frontalsten Angriffen formulieren(s.2) - der von Ihnen vorab gewählten (von Ihnen stets als 'neurobiologisch' hingestellten, real jedoch auf einer Überinterpretation der experimentellen Methodik beruhenden - s. Janich 1998 [9]) - 'Sicht' oder 'Betrachtungsweise', mit der Sie zunächst einmal nur der in der Hirnforschung üblichen 'Blickrichtung' und darauf abgestellten experimentellen Forschungsmethodik lediglich 'entsprechen'. Leider beschränken sie sich darauf methodisch und vor allem logisch nicht auch ebenso exakt.

Sie konfrontieren 'uns' damit unter dem Deckmantel empirischer Forschung mit Behauptungen und Forderungen, die einfache logische Ableitungen auf der Grundlage eines in seiner Gültigkeit grenzenlos überzogenen Methodenmonismus sind, wobei Sie Ihre Sicht selbst als anscheinend 'selbstverständlich' unterstellen, jedenfalls ihrerseits nirgends begründen. Als Vorraussetzung bleibt sie daher ein unreflektiertes 'a priori' - und wäre allenfalls als 'Axiom' zu bezeichnen, wenn man nicht gleich von einer 'metaphysischen Setzung' sprechen will...

Generalisierte Existenzaussagen auf einer derartigen Grundlage wie der, dass alles Handeln und Verhalten von Menschen auf cerebralen Verschaltungen beruhe, sind denn auch entweder von der von Ihnen auch gelegentlich formulierten Trivialität, dass 'biologisch' zu nennende Leistungen von Organismen auf deren konsequenterweise ebenfalls als 'biologisch' zu bezeichnenden Konstitution 'beruhen' - wobei es 'nichts weiter als' eine Sinnerschleichung wäre, dieses 'Beruhen' im Sinne einer sog. 'kausalen' Beziehung zu verstehen. -

Oder aber diese Behauptung wäre wieder nur logisch zirkulär: weil zu ihrem Beweis auf keinerlei empirische Daten, sondern wieder nur auf die Voraussetzung ihrer Formulierung verwiesen werden kann, die vorweg gewählte 'Sicht'.

Bis zur Vorlage eines einzigen empirischen Beweises statt bloß zu 'Grundsätzen' gemachter "prinzipieller" Überlegungen (Prinz [10]) für die Behauptung einer allgemeinen und ausschließlichen Abhängigkeit menschlichen Handelns und Verhaltens von in ihrer Variabilität einzigartigen und sich real auch ständig durch eigene Wahrnehmungs- und Denkprozesse sich verändernden 'Verschaltungen' unserer Gehirne kann daher die Diskussion um die Folgerungen aus den derzeit simplen und vor allem alles simplifizierenden Hirntheorien (11) eigentlich abgeschlossen werden: es gibt bisher keine Ergebnisse - der in wesentlichen Bereichen nach dem von Ihnen mitunterzeichneten MANIFEST ja weithin noch auf "dem Stand von Jägern und Sammlern" (12) operierenden - Hirnforschung, die bis auf solche rein medizinischer und (heil-)pädagogischer Relevanz von irgendeiner darüber hinaus gehenden, gar allgemeinen kulturellen Bedeutung wären.

Es ist genau umgekehrt: es ist ein Zeichen von Kultur, und sogar hochstehender Kultur, so etwas wie Hirnforschung zu betreiben, ebenso wie es Ausdruck einer Denkkultur ist, welche Theorien daraus abgeleitet und vertreten werden.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Ingo-Wolf Kittel, Facharzt
für Psychotherapeutische Medizin
D-8615 AUGSBURG Frauentorstr. 49
Tel.: +49-(0)821-349 45 05


offener Brief an Prof. Wolf Singer


:)
 
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