Liebe Mary,
ich bin damals auch betrogen worden und ich sag dir ehrlich, ich war auch nicht traurig darüber. Ich habe es ihm bis heute nicht übelgenommen. Ich war traurig, dass meine Wünsche und Hoffnungen einer Ehe nicht funktioniert haben. Mach dir also bitte keine Gedanken, dass du nichts empfindest.
Nach einer Trennung gibt es immer erstmal ein Durcheinander. Die Energie verändert sich, ggf. das Umfeld, es gibt Vieles zu regeln und das Leben möchte neu sortiert werden. Das betrifft die Erwachsenen genauso wie die Kinder. Ganz normal. Jeder reagiert da auch anders.
Deine Tochter ist völlig in Ordnung. Natürlich hat sie sicherlich den einen oder anderen Kummer, aber sie wird ihren Weg damit finden. Sie versteht es in diesem Alter nicht, warum Mama und Papa nicht mehr zusammen sind. Und sie wird auch etwas davon in ihrer Psyche vorerst behalten. Schlimmer ist aber für die Kinder die Zeit, bis es zur Trennung kommt, denn sie fühlen, dass etwas nicht stimmt und wissen natürlich nicht, was es ist. Und sie fühlen es oftmals, bevor es die Eltern gewahr werden. Das ist also sowieso gelaufen.
Erst in einigen Jahren, wenn sie in die Pubertät kommt, wird das Thema sicher das eine oder andere Mal auftauchen. Sie wird fragen oder es kommt anders dazu. Dann kannst du es ihr nochmal mit deinen Worten erklären, altersgerecht. Nach und nach wird sie verstehen und trotzdem kann es sein, dass etwas zurückbleibt. Das wiederum kann sie dann aufarbeiten, wenn sie selbst erwachsen ist.
Wir werden in die passenden Familien hineingeboren und es ist nichts falsch daran. Jeder Mensch hat eine Seele, die ihre eigene Geschichte mitbringt und hier auf Erden erlebt. Auch deine Tochter.
Du bist eine gute Mutter, gibst ihr ein gutes, liebevolles zuhause, so gut du es eben kannst.
Sich zu trennen zeigt den Kindern etwas Positives. Sie lernen dadurch, dass man Entscheidungen immer revidieren kann und dass man Situationen im Leben verändern kann, wenn sie einem nicht mehr guttun. Du lebst ihr vor, Verantwortung für dich selbst zu übernehmen, statt eine Lüge zu leben.
Dass sie Gespräche abwehrt, wundert mich nicht. Sie möchte nicht reingezogen werden. Der Kram der Großen ist auch nicht ihr Kram. Warum sollte sie sich da reinziehen lassen.
Regelungen wie Besuchswochenenden etc. kann sie ja mitbestimmen. Es wird eine Zeit geben, wo sie gar nicht mehr zum Vater möchte. Vielleicht wird sie dir auch irgendwann sagen, dass sie bei ihm leben möchte. Lass die Angst bitte los, du könntest da etwas falsch machen. Nimm deinen mütterlichen Instinkt und handle situationsbedingt.
Wenn du das Gefühl hast, sie verändert sich, hat Probleme in der Schule oder was weiß ich, dann kannst du immer noch nachforschen.
Nun zu dir: Deine Wut lass bitte NICHT auf der Autobahn raus. Das ist sinnfrei. Deine Wut ist weitaus älter als 5 Jahre. Sie stammt aus deiner Kindheit oder evtl. noch früher. Du hast immer Liebe geben wollen, aber sie ist abgelehnt worden. Als Schutz hast du dir eine Mauer aufgebaut. Diese lässt sich nicht von heute auf morgen einreißen. Es geht nur mit Geduld und Schritt für Schritt.
Ich würde dir raten, mal zu schauen, ob du Hilfe bekommst. Sei es von einem Psychologen oder anderen Menschen, die Innere Kind Arbeit anbieten. Vielleicht ist die Zeit auch noch nicht reif dafür. Du wirst es spüren, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist.
Zwischen dir und deinem Noch-Ehemann liegt Kind und Sarg. Das bedeutet, dass es Schluss ist mit Kinderkram. Es geht darum, erwachsen und verantwortungsbewusst (jeder für sich) die Dinge zu regeln und zu ordnen, welche im Außen noch zu regeln sind (Finanzen wie Unterhalt, Scheidung etc. was auch immer), damit jeder seine Wege gehen kann und das zum Abschluss kommt. Erst dann kann jeder für sich die Trennung verarbeiten. Dazu braucht es den anderen nicht.
Es wird wohl ne Weile noch zu Berührungspunkten kommen, schon wegen dem Kind, aber das ist normal. Beobachte dich, wo tickert er dich noch an und was ist normales Alltagszeug.
Es ist ein Prozess, der fordert Geduld, vor allem für dich selbst. Es ist nichts falsch daran und du machst es richtig, denn wenn du es anders machen könntest, würdest du es wahrscheinlich tun.
Ich wünsche dir viel Kraft und Mut für diesen Weg. Du wirst es hinbekommen. Und mach dir weniger Sorgen um deine Tochter. Sie ist ein tolles, sympathisches kleines Mädel, was das Herz am rechten Fleck hat.
Liebe Grüße
Ivonne
P.S. Ich hatte eine Bilderbuchtrennung ohne Rosenkrieg und sowas, meine Kinder fanden es als "Abenteuer" und trotzdem haben sie was davon mitgenommen. Es ist nicht schlimm und hat sich zum Teil später gelöst. Manches müssen sie selbst lösen. Also Kopf hoch!!
