Seal144
Sehr aktives Mitglied
8.
„So beeilen sie sich doch Doktor!“, rief Ali dem Shrenk zu. Sie hatte beide Hände zu einem Trichter geformt um die Lautstärke zu erhöhen, aber der Wind war bereits zu einem lauten Brausen angeschwollen. Ali winkte dem Doktor mit verzweifelten Gesten, sich zu spurten.
Der Shrenk gab Suleika die Sporen, die sofort schneller ritt. Suleika wusste es längst: hinter ihnen am Himmel hatten sich dunkle Wolken aufgetürmt, Rotbraun und bedrohlich, und das bedeutete, dass ein Sandsturm, der gefürchtete Khamsim, sich näherte.
„Wir müssen unbedingt die Höhlen von Baqr-Salim erreichen, sonst sind wir verloren!“, rief Ali dem Doktor zu.
Sie ritten so schnell die Kamele es vermochten. Heftige Windböen, die ersten Vorboten des Sturmes, rissen an der weiβen Thobe des Shrenk. Sein Rotkariertes Kopftuch hatte er sich ganz vor das Gesicht gezogen und festgebunden. Ali hatte das gleiche getan, zwei abenteuerliche Gestalten, wie aus dem Film Lawrence von Arabien. Aber das hier war nicht Hollywood, das war bitterernste Realität! Es war noch früher Nachmittag, aber bereits dunkel, wie am Abend. Akhbar hatte inzwischen die Führung übernommen und ritt genau gen Osten. Vor ihnen am Horizont zeigte sich ein blasser Mond.
Dem Doktor war das philosophierende Denken vergangen. Ja, es schien ihm abhanden gekommen zu sein. Seine Gedanken kreisten pausenlos nur immer um das Eine: wir müssen die Berge von Baqr-Salim erreichen, dann sind wir in Sicherheit. Auf einmal ertappte er sich dabei, wie er ein Stoβgebet zu Gott sandte.
Ach, soll ich nicht besser zu Allah beten? Schlieβlich sind wir in Saudi Arabien, der Heimat des Propheten, erwog der Shrenk.
Da der Wind von hinten kam, brauchten die Kamele nicht gegen ihn ankämpfen. Der Wind im Rücken half ihnen, sich ihrem Ziel schneller zu nähern. In der Ferne tauchten endlich die lang ersehnten, wild gezackten Bergrücken des Baqr-Salim Massivs auf.
„Schneller Akhbar!“, schrie Ali.
Der Wind begann mit Angst erregenden Orgeltönen zu pfeifen, die sich anhörten, als kämen sie aus der Hölle.
Die Kamele keuchten, auch sie fürchteten sich vor dem Khamsim. Der Boden wurde flacher, vereinzelt wuchs karges, ausgebleichtes Steppengras und groβe Felssteine säumten den Weg. Es zeigten sich die ersten Ausläufer der Berge. Ali machte dem Doktor ein Zeichen, sich mehr rechts zu halten. Sie kannte die Höhlen und hatte hier schon mehrmals Unterschlupf gesucht. In hetzender Geschwindigkeit bogen sie in eine Felsenschlucht hinein.
Der Wind hatte hier teilweise nachgelassen. Das sollte nicht lange so bleiben, denn ein Sandsturm bahnte sich seinen Weg in jeden Winkel und in jede Ritze. Erleichtert lenkte Ali ihren Akhbar zum Höhleneingang. Der Shrenk und Suleika, gefolgt von den beiden Kamelen Miriam und Omar, bildeten die Nachhut. Ali holte eine Taschenlampe aus ihrer Satteltasche, betrat die Höhle und leuchtet in das Innere. Wütend orgelte der Khamsim drauβen weiter. 26
„Die Höhle ist groβ und besitzt mehrere Nebengrotten.“ Ali nahm die Ghutra vom Gesicht. „Wir sind in Sicherheit, lieber Doktor. Bis zu uns in die Höhle schafft es weder der Wind, noch der Sand.“
Der Lärm vom Sturm drang nur hin und wieder bis zu ihnen. Die Kamele hatten sich ängstlich aneinander gedrängt und verhielten sich still. Ali gab jedem eine Hand voll Hirse, die sie als Notration immer bei sich hatte. Dann suchten sie und der Shrenk nach brennbarem Material um Feuer zu machen. Beduinen hatten Kamelmist zurückgelassen und bald brannte das Feuer. Ali holte Wasser aus ihrem Lederbeutel und kochte Tee.
Der Doktor schlüpfte aus seinen Sandalen und nahm dankbar den Becher mit dem dampfenden Minzetee von Ali entgegen. Er bemerkte wie mitgenommen Ali aussah, aber ihrer Schönheit vermochte das nichts auszumachen. Die Augen wirkten durch die Anstrengung der letzten Stunde besonders dunkel und ihre Backenknochen stachen noch stärker hervor, verliehen ihrem Gesicht eine Wildheit, die ihn faszinierte.
„Wir sind grade noch mal mit dem Leben davon gekommen, werte Ali!“
„Ja, ich weiβ.“
„Ich habe zu Allah gebetet.“
„Das ist nicht ungewöhnlich.“
„Heute fühle ich mich glücklich.“
„Ja Doktor, ich auch.“
„Es ist bekannt, dass das Leben sehr schnell zu Ende gehen kann, aber Wissen ist nicht dasselbe wie Fühlen, meine Werteste.“
Ali rührte schweigend den Zucker in ihrem Becher um.
„Das was ich jetzt fühle ist ein wahres Glücksgefühl“, fuhr der Doktor fort. „Aber ich weiβ, dass es nicht von Dauer ist.“ Der Doktor trank einen Schluck Tee. „ Einige Patienten von mir, berichteten, wie sie dem Tod entkamen, aber sie schafften es nicht dieses Glücksgefühl zu halten. Schnell waren diese Patienten in ihre kleinen und groβen Sorgen des Alltags zurückgesunken. Also weiβ ich, dass ich zwar jetzt glücklich bin, aber dieses Glück nicht halten kann.“
Er blickte in das prasselnde Feuer. „Dieses Feuer schenkt uns Leben und Wärme. - Ich lebe, Ali! Wir leben, wir sind am Leben.“
Da erst bemerkte der Shrenk, dass Ali eingeschlafen war. Er nahm eine Decke und legte sie vorsichtig über sie. Akhbar war ganz dicht zu Ali heran gekrochen, und auch Miriam. Was für ein friedliches Bild, fand der Doktor. Dann schloss er die Augen und er dachte daran, dass es die Wüste sei, die ihn seiner selbst entleerte um ihn erneut zu füllen. Mit dem Licht, jenes Licht, dass die Steine Rot erleuchten lässt. Wie mit dem Flügelschlag eines Engels hast du, oh Allah diese roten Sandsteinberge erschaffen, die auf unsere Rettung warteten. Und er dankte Allah dafür, dass er lebte, einfach lebte. Mit einem Lächeln schlief er ein.
„So beeilen sie sich doch Doktor!“, rief Ali dem Shrenk zu. Sie hatte beide Hände zu einem Trichter geformt um die Lautstärke zu erhöhen, aber der Wind war bereits zu einem lauten Brausen angeschwollen. Ali winkte dem Doktor mit verzweifelten Gesten, sich zu spurten.
Der Shrenk gab Suleika die Sporen, die sofort schneller ritt. Suleika wusste es längst: hinter ihnen am Himmel hatten sich dunkle Wolken aufgetürmt, Rotbraun und bedrohlich, und das bedeutete, dass ein Sandsturm, der gefürchtete Khamsim, sich näherte.
„Wir müssen unbedingt die Höhlen von Baqr-Salim erreichen, sonst sind wir verloren!“, rief Ali dem Doktor zu.
Sie ritten so schnell die Kamele es vermochten. Heftige Windböen, die ersten Vorboten des Sturmes, rissen an der weiβen Thobe des Shrenk. Sein Rotkariertes Kopftuch hatte er sich ganz vor das Gesicht gezogen und festgebunden. Ali hatte das gleiche getan, zwei abenteuerliche Gestalten, wie aus dem Film Lawrence von Arabien. Aber das hier war nicht Hollywood, das war bitterernste Realität! Es war noch früher Nachmittag, aber bereits dunkel, wie am Abend. Akhbar hatte inzwischen die Führung übernommen und ritt genau gen Osten. Vor ihnen am Horizont zeigte sich ein blasser Mond.
Dem Doktor war das philosophierende Denken vergangen. Ja, es schien ihm abhanden gekommen zu sein. Seine Gedanken kreisten pausenlos nur immer um das Eine: wir müssen die Berge von Baqr-Salim erreichen, dann sind wir in Sicherheit. Auf einmal ertappte er sich dabei, wie er ein Stoβgebet zu Gott sandte.
Ach, soll ich nicht besser zu Allah beten? Schlieβlich sind wir in Saudi Arabien, der Heimat des Propheten, erwog der Shrenk.
Da der Wind von hinten kam, brauchten die Kamele nicht gegen ihn ankämpfen. Der Wind im Rücken half ihnen, sich ihrem Ziel schneller zu nähern. In der Ferne tauchten endlich die lang ersehnten, wild gezackten Bergrücken des Baqr-Salim Massivs auf.
„Schneller Akhbar!“, schrie Ali.
Der Wind begann mit Angst erregenden Orgeltönen zu pfeifen, die sich anhörten, als kämen sie aus der Hölle.
Die Kamele keuchten, auch sie fürchteten sich vor dem Khamsim. Der Boden wurde flacher, vereinzelt wuchs karges, ausgebleichtes Steppengras und groβe Felssteine säumten den Weg. Es zeigten sich die ersten Ausläufer der Berge. Ali machte dem Doktor ein Zeichen, sich mehr rechts zu halten. Sie kannte die Höhlen und hatte hier schon mehrmals Unterschlupf gesucht. In hetzender Geschwindigkeit bogen sie in eine Felsenschlucht hinein.
Der Wind hatte hier teilweise nachgelassen. Das sollte nicht lange so bleiben, denn ein Sandsturm bahnte sich seinen Weg in jeden Winkel und in jede Ritze. Erleichtert lenkte Ali ihren Akhbar zum Höhleneingang. Der Shrenk und Suleika, gefolgt von den beiden Kamelen Miriam und Omar, bildeten die Nachhut. Ali holte eine Taschenlampe aus ihrer Satteltasche, betrat die Höhle und leuchtet in das Innere. Wütend orgelte der Khamsim drauβen weiter. 26
„Die Höhle ist groβ und besitzt mehrere Nebengrotten.“ Ali nahm die Ghutra vom Gesicht. „Wir sind in Sicherheit, lieber Doktor. Bis zu uns in die Höhle schafft es weder der Wind, noch der Sand.“
Der Lärm vom Sturm drang nur hin und wieder bis zu ihnen. Die Kamele hatten sich ängstlich aneinander gedrängt und verhielten sich still. Ali gab jedem eine Hand voll Hirse, die sie als Notration immer bei sich hatte. Dann suchten sie und der Shrenk nach brennbarem Material um Feuer zu machen. Beduinen hatten Kamelmist zurückgelassen und bald brannte das Feuer. Ali holte Wasser aus ihrem Lederbeutel und kochte Tee.
Der Doktor schlüpfte aus seinen Sandalen und nahm dankbar den Becher mit dem dampfenden Minzetee von Ali entgegen. Er bemerkte wie mitgenommen Ali aussah, aber ihrer Schönheit vermochte das nichts auszumachen. Die Augen wirkten durch die Anstrengung der letzten Stunde besonders dunkel und ihre Backenknochen stachen noch stärker hervor, verliehen ihrem Gesicht eine Wildheit, die ihn faszinierte.
„Wir sind grade noch mal mit dem Leben davon gekommen, werte Ali!“
„Ja, ich weiβ.“
„Ich habe zu Allah gebetet.“
„Das ist nicht ungewöhnlich.“
„Heute fühle ich mich glücklich.“
„Ja Doktor, ich auch.“
„Es ist bekannt, dass das Leben sehr schnell zu Ende gehen kann, aber Wissen ist nicht dasselbe wie Fühlen, meine Werteste.“
Ali rührte schweigend den Zucker in ihrem Becher um.
„Das was ich jetzt fühle ist ein wahres Glücksgefühl“, fuhr der Doktor fort. „Aber ich weiβ, dass es nicht von Dauer ist.“ Der Doktor trank einen Schluck Tee. „ Einige Patienten von mir, berichteten, wie sie dem Tod entkamen, aber sie schafften es nicht dieses Glücksgefühl zu halten. Schnell waren diese Patienten in ihre kleinen und groβen Sorgen des Alltags zurückgesunken. Also weiβ ich, dass ich zwar jetzt glücklich bin, aber dieses Glück nicht halten kann.“
Er blickte in das prasselnde Feuer. „Dieses Feuer schenkt uns Leben und Wärme. - Ich lebe, Ali! Wir leben, wir sind am Leben.“
Da erst bemerkte der Shrenk, dass Ali eingeschlafen war. Er nahm eine Decke und legte sie vorsichtig über sie. Akhbar war ganz dicht zu Ali heran gekrochen, und auch Miriam. Was für ein friedliches Bild, fand der Doktor. Dann schloss er die Augen und er dachte daran, dass es die Wüste sei, die ihn seiner selbst entleerte um ihn erneut zu füllen. Mit dem Licht, jenes Licht, dass die Steine Rot erleuchten lässt. Wie mit dem Flügelschlag eines Engels hast du, oh Allah diese roten Sandsteinberge erschaffen, die auf unsere Rettung warteten. Und er dankte Allah dafür, dass er lebte, einfach lebte. Mit einem Lächeln schlief er ein.