Aktivist schrieb:
"Wahrlich, wahrlich, das sage ich Dir, noch heute wirst Du mit mir im Paradiese sein.".
so ähnlich stand es in einem abschiedsbrief eines der attentäter, die in die new yorker twintowers gecrasht sind. die waren in ihrem fundamentalistischem glauben unangeknabbert von jeglichem zweifel, möglicherweise etwas zu tun, das fragwürdig wäre. im gebetsbuch aller selbstmord-attentäter ist das eine zentrale passage...
aber wie fckw a.a.O. schon sagte: es ist nicht möglich, mit menschen zu diskutieren, die predigen. wenn nicht mal die erkenntnistheoretische übereinkunft gegeben ist, was als "fakt" bewertet wird und was als annahme, als hypothese oder als glaubenssatz (und vor allem: wenn jegliche hypothese von vornherein als abfall vom wahren glauben betrachtet wird), dann stehen wir vor kreuzrittern, die verbale keulen schwingen. eine nette variante, liebe zu zeigen...
selbstverständlich ist das unter den vielen möglichkeiten, sich eine welt(sicht) zu erschaffen, auch eine, die zu achten ist. ich danke euch auch für die impulse, mal wieder den einen oder anderen gedanken weiterzudenken ... ihr bewegt mich, nur eben nicht in die fundamentalistische richtung, und dafür danke ich euch erst recht. weil weihnachten ist: ich ziehe gegenüber eurer aktivisten-drohbotschaft die frohbotschaft jesu vor, wie immer sie auch in den herzen und hirnen vieler generationen von menschen entstanden sein mag. ob er als sohn des zimmermanns jesus gelebt hat oder als brian und ob nun der heilige geist die jungfrau geschwängert hat oder nicht ... das zu klären ist fakten-neugier, die mir nix bringt. unwesentlich. geschichten aus 1001 nacht, wurzelnd in orientalischen erzähltraditionen.
die spannenderen fakten sind in den überlieferungsgeschichten der spirituellen texte zu finden. wenn du erst mal siehst, wie sich theologische ideen auch in der bibel über jahrtausende entwickeln, wie sich im alten und im neuen testament diverse quellen zu einem neuen verbinden, wie sich aus den noch erkennbaren relikten eines früheren polytheismus unter ägyptischem einfluss der mosaische monotheismus entwickelt ... und wenn sich auf einer noch tieferen schicht die quellen mesopotamischer, persischer, buddhistischer und anderer schriften erkennen lassen, wenn du vor allem erst mal siehst, welche dynamik in der entwicklung der gottesvorstellung und der stellung der menschen zu gott sich vom alten hin zum neuen testament entwickelt - vom rächenden und ganze welten ersäufenden gott des "alten" AT über den schachernden und durch wohlverhalten bestechlichen gott der torah (schon ein stück näher zum menschen) bis hin zum mensch gewordenen gott des NT, der den revolutionären gedanken der liebe verbreitet (und die seligpreisungen der bergpredigt waren für gläubige juden so ketzerisch wie die politische unruhe gefählrich für die römer) ... wenn du also diesen sehr wandlungsfähigen und durch die geschichte
der bibel und der außerbiblischen quellen von juden- und christentum de facto gewandelten gott siehst, dann spricht nichts dafür, dass diese evolution gottes mit dem tod jesu (egal, ob historischer oder symbol) abgeschlossen wäre (sonst ja auch nicht, aber ich will hier nicht ausufern, sondern mal im bezugskreis des threads bleiben). vom gottessohn zum "menschensohn" ... das ist ja schon authentisches NT-material, wörtlicher O-ton der schriften. die magna charta der christen - "1. gebot: du sollst gott lieben. 2. gebot, diesem
gleich: liebe deinen nächsten wie dich selbst." - damit hat gott einen neuen ort gefunden, oder?
wenn ich auch nicht den zirkelschlüssigen gedankentänzen des zauberweibs zu folgen vermag, so ist doch "gott in uns" eine faszinierende revolution alles religiösen - auch und vor allem geeignet, brücken zu schlagen statt schlachten. der tod jesu, die eschatologische erwartung des späten judentums und des frühen christentums, die wiederkehr gottes ... während die einen es nicht fassen konnten und sich für die wartezeit bis zum ausbrechen der finalen gerechtigkeit gesetzeswerke schufen, hielten es die anderen wie mit der erleuchtung: sie ist schon, er ist schon da.
darf ich's - aus vielen forumbeiträgen wird man vielleicht ein bisserl klüger - noch abgrenzen von dieser immer wieder grassierenden dümmlichen selbstvergottung der eigenen unzulänglichkeiten? wenn's das wäre, dann wäre gott wirklich tot...
so, schluss erst mal. frohe weihnachten.
jake