Der Name
- Jesus ist die latinisierte Form des griechischen Ιησους und wird griechisch dekliniert (Genitiv Jesu). Es übersetzt den männlichen hebräischen Vornamen Jeschua, auch Jehoschua oder Josua. Hebräisch wurde in Palästina zur Zeit Jesu kaum noch gesprochen. Griechische, nicht jedoch hebräische oder aramäische Namen wurden damals in andere Sprachen übersetzt.
- Jehoschua verbindet Jeho (in Vornamen enthaltene Kurzform von JHWH, dem Gottesnamen der hebräischen Bibel) mit schua (retten, befreien; vgl. Hoshea = Rettung). Jesus bedeutet auf Hebräisch also Gott-rettet, Gott-Retter oder Gott-(ist)-Rettung. Dieser Name war damals unter Juden verbreitet. Nach der Trennung des Christentums vom Judentum wurden Juden aber nur noch selten so genannt.
- Ben oder Bar Joseph hieß Jesus mit Nachnamen, falls man ihn wie üblich bei seiner Beschneidung nach seinem Vater nannte (Lk 2,21). Das NT belegt dies nicht: Lk 4,22 nennt Josefs Sohn ohne Vornamen und betont so den Kontrast zur Jungfrauengeburt (Lk 3,23). Joh 1,45 betont mit Jesus, Josefs Sohn aus Nazaret seine königliche Abstammung von David. Frühere Versionen nennen ihn dagegen Sohn der Maria (Mk 6,3; Mt 13,55).
- Christus ist die lateinische Form des griechischen Χριστος. Dieses übersetzt das hebräische Maschiach, deutsch der Gesalbte. Das ist ein jüdischer Ehrentitel für Könige und Hohepriester, später für den erwarteten König der zukünftigen Heilszeit, den Messias.
- Jesus Christus verbindet den jüdischen Vornamen und griechischen Titel zu einem Nominalsatz, der das christliche Glaubensbekenntnis in Kurzform ausdrückt: Dieser Jesus ist der Messias.
Nazarener, Nazoräer oder Nasiräer?
Die Angabe von Nazaret (lat.: Nazarenus) bezeichnet im NT Jesu Herkunftsort in Galiläa (Mk 1,9). Doch dieser Zusatz wird mit Nazoraios variiert: So nannten die Mandäer die Lehrer ihrer Taufriten. Auch Jesus (Joh 19,19) und die Christen (Apg 24,5) nannte man anfangs Nazoräer, eventuell weil er und einige seiner Jünger früher zu Johannes dem Täufer gehörten und auch tauften. Nach Mark Lidzbarski bezogen erst die Evangelien-Autoren den Ausdruck irrtümlich oder bewusst auf den Ort. So sagt Mt 2,23:
(Josef) kam und wohnte in der Stadt, die Nazaret heißt, damit erfüllt würde, was die Propheten gesagt haben: Er soll Nazarener heißen.
Doch diese Verheißung kennt die Bibel nicht.
Die Herleitung von Nasiraios ist dagegen unwahrscheinlich: Ein Nasiräer war ein Asket, der wie der Täufer auf strenge kultische Reinheit bedacht war. Er legte einen Eid ab, keinen Alkohol - dazu zählten alle gegorenen Traubensäfte - zu trinken, sich die Haare nicht mehr zu scheren, sich keiner Leiche und keinem Grab zu nähern (Num 6,14). Doch Jesus tat all das im Verlauf seines Wirkens und lehnte jeden Eid ab (Mt 5,33ff).
Geburts- und Todesjahr
Historiker beurteilen die Geburts- und Jugendgeschichten des NT weitgehend als spät entstandene Legenden. Dies gilt auch für das apokryphe Kindheitsevangelium nach Thomas, das von Wundertaten des Knaben Jesus erzählt.
Mt 12 und Lk 12 wollen Jesus als Messias verkünden und stellen seine Geburt dazu in den Rahmen biblischer Verheißungen. Der unbelegte Kindermord des Herodes (Mt 2,13) etwa erinnert an den Kindermord des ägyptischen Pharao vor Israels Exodus (Ex 1,22): Damit wird Jesus wie Moses als Befreier des Gottesvolks dargestellt. Auch der Stern, der orientalische Astrologen zu seinem Geburtsort geführt haben soll (Mt 2,2), verkündet Jesus als kosmischen Erlöser. Ob zum Zeitpunkt seiner Geburt ein besonderes stellares Phänomen zu beobachten war, ist umstritten.
In Betlehem, einer Kleinstadt nahe Jerusalem, sollte nach biblischer Weissagung der Messias geboren werden (Mi 5,1). Damit bezeugen Mt 2,1.6 und Lk 2,4 Jesu Abstammung vom König David.
Die meisten Historiker nehmen dagegen an, dass er in Nazaret, dem Wohnort seiner Familie, oder in Kafarnaum, dem Ort seines ersten und wiederholten Auftretens (Mk 1,21ff), geboren wurde.
Geburtstag und -jahr Jesu waren schon den Urchristen unbekannt. Nach Mt 2,1 wurde er vor dem Tod Herodes des Großen 4 v. Chr. geboren, nach Lk 2,2 bei einer "ersten" römischen Volkszählung unter Quirinius. Dieser wurde jedoch erst 6 n. Chr. Statthalter Syriens und Judäas. Eine frühere Steuererhebung dort ist unbekannt, aber auch nicht auszuschließen. Die christliche Zeitrechnung, die das Jahr Null auf Jesu Geburtsjahr legen wollte, beruht auf einem Rechenfehler.
Historisch gesehen ist aus Jesu Kindheit und Jugend fast nichts bekannt. Die Evangelien berichten fast nur aus seinen letzten Lebensjahren. Zu Beginn seines Auftretens soll er 30 Jahre alt gewesen sein (Lk 3,23). Sein Todesjahr ist nicht überliefert. Da er aber nach allen Evangelien am Vortag eines Schabbat an einem Passahfest gekreuzigt wurde, halten NT-Forscher 30 für das wahrscheinlichste Todesjahr; astronomisch möglich sind auch 31 oder 33. Demnach wurde Jesus etwa 34 bis 40 Jahre alt.
Sprache
Als galiläischer Jude sprach Jesus im Alltag die westliche Variante des Aramäischen: die Reichssprache der Assyrer, die die Perser in Israel eingeführt hatten. Das bestätigen einige aramäische Jesuszitate im NT. Er sprach wohl auch das verwandte Hebräisch, in dem der Tanach Israels Heilige Schrift abgefasst war. Fraglich ist, ob er lesen und schreiben konnte und auch Griechisch beherrschte, die damalige Verkehrssprache im Osten des römischen Reichs. Die ins Griechische übersetzte Bibel, die Septuaginta, lasen wohl nur hellenistisch gebildete Angehörige der jüdischen Oberschicht, nicht arme Galiläer.
Ob man griechische Ausdrücke und Redewendungen ins Aramäische zurück übersetzen kann, ist ein wichtiges Kriterium für die Suche nach echten, anfangs mündlich tradierten Jesusworten (Joachim Jeremias). So versucht man, seine eigene Verkündigung von urchristlicher Deutung zu unterscheiden.
Familie
Jesus war nach Mk 6,1.3 der erste Sohn Josefs und seiner Frau Maria, beide aus Nazaret. Seine Stammbäume (Mt 1; Lk 3) betonen seine väterliche Abstammungslinie und stellen ihn als Nachkommen des Königs David dar (Röm 1,3).
Erst spätere Texte betonen, Jesus sei vom Heiligen Geist gezeugt worden (Mt 1,18; Lk 1,35). Dies sahen Urchristen jüdischer Herkunft nicht unbedingt als Gegensatz zur natürlichen Zeugung. Sie nannten Maria im NT parthenos, was sowohl mit "Jungfrau" als auch mit "junge Frau" übersetzt werden kann.
Matthäus weist auf die Jungfrauengeburt der Maria hin: Nach Mt 1,19 glaubte Josef, Jesus sei unehelich gezeugt, bis ein Engel ihm den wahren Sachverhalt erklärt habe (Mt 1,20). Einige Stellen des jüdischen Talmud stellen einen Jesus als uneheliches Kind dar; ob sie sich auf den Nazarener beziehen, ist jedoch fraglich. Der Historiker Gerd Lüdemann greift diese These auf und vermutet im Anschluss an Celsus, ein Römer habe Maria vergewaltigt. Daraus erklärt er Jesu Benennung als Sohn der Maria anstelle des üblichen Joschua ben Josef und seine Außenseiterrolle in seiner Heimatstadt. Urchristen hätten dies zur göttlichen Herkunft umgedeutet.
Nach Mk 6,3 hatte Jesus vier Brüder Jakobus, Joses (Josef? Mt 13,55), Judas, Simon und eine unbekannte Zahl Schwestern, deren Namen nicht überliefert sind. Brüder, seltener auch Schwestern, kann im biblischen Umfeld aber auch Vettern und andere Verwandte einer Sippe bezeichnen (siehe dazu Geschwister Jesu).
Laut Lk 2,43 ging Jesus schon als Junge zur Familie auf Distanz, um im Tempel zu lehren. Nach seiner Taufe erwähnen die Evangelien seinen Vater nicht mehr: dafür nun öfter Kafarnaum, wo Jesus zuerst auftrat (Lk 4,16.23). Daher vermuten manche Forscher, er sei dorthin umgezogen, nachdem sein Vater fort oder tot war. Andere gehen davon aus, dass Jesus in Kafarnaum geboren wurde und aufwuchs, da Nazaret zu dieser Zeit für einen Baumeister keine Arbeit geboten habe.
Das vierte der 10 Gebote Ehre Vater und Mutter (Ex 20,12) verlangte damals die Fürsorge des ältesten Erben für seine Sippe. Doch zu Jesu Nachfolge gehörte das Aufgeben der familiären Bindungen. Nach der Gesellschaftsmoral seiner Zeit verhielt er sich damit wie ein Mörder und Ehebrecher. Sein Umherziehen, Predigen und Heilen stieß auf Unverständnis und führte zu Konflikten mit seinen Verwandten. Sie lehnten seine Gastfreundschaft für Arme und Kranke ab, erklärten ihn für verrückt und versuchten, ihn zurückzuhalten (Mk 3,20f.; 3,31). In diesen Kontext gehören Aussagen wie Mk 3,3335:
Wer sind meine Mutter und meine Brüder? Und er schaute auf die, die rings um ihn saßen und sagte: Siehe, ihr seid meine Mutter und meine Brüder! Wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.
Bei anderer Gelegenheit mahnte er (Mt 10,37):
Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner (Nachfolge) nicht wert...
oder noch schärfer (Lk 14,26):
Wer zu mir kommt und seine Eltern, Kinder, Geschwister und dazu sein eigenes Leben nicht hasst, der kann nicht mein Jünger sein.
Er hob damit das 4. Gebot nicht auf (Mk 7,10 f.), legte es aber konträr zur jüdischen Tradition aus: Achte nur die als deine Angehörigen, die Gottes Willen tun. Darum wurde er in Nazaret abgelehnt und verließ es daraufhin ganz (Mk 6,16):
Ist das nicht der Bauhandwerker, Marias Sohn ...? Und sie waren verärgert über ihn. Jesus aber sagte zu ihnen: Ein Prophet gilt nirgends weniger als in seiner Heimat, bei seiner Sippe und in seinem Ort.
Aber Frauen aus Jesu näherer Umgebung sorgten für ihn und die übrigen Männer auf ihrem Weg (Mk 1,31). Sie blieben bis zum Ende bei ihm (Mk 15,41), so nach Joh 19,26f auch seine Mutter. Er soll noch am Kreuz für ihr Wohlergehen gesorgt haben, indem er sie einem anderen Jünger anvertraute. Verwandte Jesu gehörten nach Ostern zu den ersten Christen. Sein ältester Bruder Jakobus wurde sogar ein Leiter der Urgemeinde (Gal 2,9).
Jugend, Ausbildung, Beruf
Jesus soll schon früh mit Pharisäern diskutiert und gute Torakenntnis gehabt haben (Lk 2,46f). Der Argumentationsstil seiner Predigten und Gleichnisse ist originär rabbinisch (Halacha und Midraschim). Dazu wurde er wohl von Rabbinern seiner Heimat ausgebildet. Er heilte am Sabbat (Mk 23) und ordnete die Nächstenliebe allen übrigen Geboten über (Mk 12,28ff), so wie es zuvor Rabbi Hillel gelehrt hatte. Seine Armenfürsorge, seine Heilwunder und die Tateinheit von Beten und Almosengeben ähneln dem Auftreten von Chanina Ben Dosa (ca. 4070), dem berühmtesten der galiläischen Chassidim (von Chesed = Gnade, Barmherzigkeit Gottes). So ordnet die Judaistik Jesu Tora-Auslegung heute ganz in das zeitgenössische Judentum ein.
Seine ersten Jünger nannten ihn Rabbuni (aramäisch: mein Meister, Lehrer). Ein Rabbi lebte von einem gewöhnlichen Handwerk, nicht vom Lehren. Jesus erlernte von seinem Vater das Bauhandwerk (Mk 6,3). Ein Tekton (oft irreführend als Zimmermann übersetzt) konnte generell mit Steinen, Stroh und Holz umgehen und war meist im Hausbau tätig. Ob Jesus beim Broterwerb der Familie half, bevor er sie verließ, ist den Texten aber nicht zu entnehmen. Manche Forscher nehmen dies an, da Josef allein die Familie nicht hätte ernähren können.