Ja, selbst wenn ich wüsste, was wirklich Sinn macht, was würde es
ändern?
Reicht nicht die innere Bereitschaft, anzuerkennen was ist? Das Leben
bietet
so viele Möglichkeiten! Durch Einschränkungen in einem Bereich werden
Neuländer in anderen Bereichen, durch andere Formen wirksam! Kann ich
nicht
im Flugzeug reisen, kann ich die Eisenbahn nützen, mit all ihren
Besonderheiten, wenns mit dem Zug nichts wird kann ich pilgern und
mich
selbst noch mehr spüren, - ist die Geliebte entschwunden, empfange ich
mehr
Zuneigung von mir selbst oder spüre das eigene Meer in mir, durch die
Tränen, die mir die Sonne auf den Wangen wegglitzert. Die Frage ist:
kann
ich mich dazu entschließen, das Leben als richtig zu empfinden, oder
interpretiere ich z.B. Traurigkeit als etwas, das eliminiert werden
sollte
und das Reisen per Pedes als Ausdruck von Armutsbewusstsein?
Meine Gedanken flanieren durch die kleinen Gässchen in einer
italienischen
Örtlichkeit. Uneben, verwinkelt mit kleinen Tischen, die vor den Cafes
Platz
finden. Das Frühlingsgrün, feuchte Luft und das Helllavendel der
Häuserfronten umspannt meinen sinnesempfänglichen, aufnahmebereiten
Geist.
Kleingeist.
Gerade bin ich doch noch durch die Strassen gestapft, mich durch
frierende
Menschenmassen kämpfend, bin versunken in eiskristallinen Wolkenbergen,
mit
roten Wangen, glänzenden Augen den sonnenbestrahlten Himmel bewundernd.
Wie
das Lachen durch die Strassen hallt, wenn das Denken durch die Rotation
meines
Körpers im Drehen seine Übermacht verliert und heiteren
Schwindelmomenten
Platz machen muss! Ist es mein göttlicher Auftrag im Bett zu liegen und mich am Nichts-Tun zu erfreuen?
Ist es Blasphemie, weil es an keiner irdischen Leistung hochgerechnet werden kann?
Wie viel an Anpassung an diese konsumorientierte Gesellschaft muss ich erbringen,
damit ich mir selbst guten Gewissens gestatten kann, mir Unbändigkeit zu gönnen,
weil ich eine Balance schaffe, eine fragwürdige zwar, eine Pseudo-Bipolarität, doch
was solls? Das Sich-selbst-Verwöhnen mit dem Ausgrenzen des kategorischen
Imperativs
(denn ich sollte doch etwas anderes als ich tue, oder?) ist auch kein Genuss. Also
durchleuchte ich meine Moralvorstellungen. Nein, ich durchleuchte sie nicht. Schluss
mit dem Denken, rein in das Fühlen.
Ich
lebe. Ich bin unendlich dankbar für mein Leben. Ich nehme auf,
beobachte das
Wachstum, die Veränderung, den Jubel, die Vergänglichkeit, die
Schönheit,
die Gefinkeltheit der Natur, die mich in pures Erstaunen versetzt. Das
Erfreuen am Dasein macht das Dasein königlich.
Wenn ich nicht gerade durch Italien spaziere oder der
Winterandschaft
Bewunderung zolle, erlebe ich vielleicht ein Abenteuer in der
Gaststube, im
Wartezimmer beim Apotheker oder in meinem Bett. Oder die Stimme am Telefon,
mit der ich verbunden bin, klingt hell und lebhaft und animiert mich.
Sternenfunkeln.
Im März bin ich geboren. Bin in die Welt gestürzt wie ein Stengel
ohne
Blüte. Jetzt ist die Blüte da, zittrig-weich entfaltet, der Knospe
entschält, dem sich dem Sonnenlicht hinstrotzend. Ich habe meinen Platz
im
Feld und meine Wurzeln liebkosen die Erde. In einem Meer von Blumen
wiege
ich mich und habe meinen Platz in der Welt gefunden. Und dann
durchleuchte
ich und leuchte und darf sein und bin wie ich bin und fühle wie ich
fühle -
und fühle mich wohl. Mit allem was ist. Ob es Sinn macht oder nicht.
Großer
Geist, durchdringe mich.
FL