Das wirkt halt alles so künstlich, unecht und phrasenhaft, wenn man es in Worte fasst. "Ich sehe Deinen Schmerz", "Ich achte Deine Not" ...
Grundsätzlich aber stimmt es : es ist wirklich das Wichtigste, wenn ENDLICH der ganze Schmerz und die Verzweiflung eines Opfers gesehen wird. Und da ist oft jedes Wort ein Wort zuviel. Wenn es einem einfach zutiefst im Herzen weh tut, wie ein Mensch verletzt und (vielleicht auch) zerstört worden ist, wenn einem Tränen in die Augen steigen - dann kann es oft gut werden.
Was getan wurde, wurde getan - da läßt sich eh nix mehr ändern. Aber wenn zB. der Täter zu weinen beginnt, wenn es ihn zutiefst erreicht, was er angerichtet hat (und damit meine ich nicht pathetische Krokodilstränen - sondern ehrliche Tränen der Verzweiflung), dann kann sich der Teufelskreis öffnen. Dann ist die endlose Täter-Opfer-Schaukel durchbrochen - dann begegnen sich zwei MENSCHEN mit all ihren Gefühlen (auf EINER Ebene !) - und nicht mehr 2 "Spieler" des Täter-Opfer-"Spiels".
Gawyrd
Hi Gawyrd, nachgefragt:
Von wem sprechen wir jetzt?
Vom Täter?
Vom Therapeuten?
Von der Familie?
Von den Bekannten und Freunden?
Von Fremden, Wildfremden?
Von irgendwem irgendwo?
Und, sollte man also grundsätzlich in die Rolle eines "Therapeuten" schlüpfen, wenn man sich einem Mißbrauchsopfer nähert, welches sich als solches zu erkennen gegeben hat? Kein normaler Umgang mehr? Kein Reden mehr wie mit einem "Nichtmißbrauchsopfer"? Nur noch achtsam sein, den Schmerz und die Verzweiflung sehen, bedauern was passiert ist, das Opfer in der Opferrolle bestätigen? (Ich überziehe etwas, hoffe aber, das deutlich wird, worum es mir geht.)
Believe: Wenn jemand nun kundtut, daß das Thema mittels eines Therapeuten oder auch anderweitig überwunden ist, sollte die Sache dann überwunden sein und auch als solche betrachtet werden - von allen Seiten?
Und noch mehr nachgebohrt: Du schriebst ja, "so lange bis die wirkliche Verletzung gefunden wurde". Wie soll ich denn das verstehen? Als Angehöriger, Freund oder Bekannter, Therapeuten jetzt mal ausgenommen, weil das wohl eher deren Aufgabe mit dem Klienten zusammen sein sollte.
Wie lange darf und sollte ein ehemaliges Mißbrauchsopfer von seiner Umwelt erwarten, daß auf seine persönlichen Befindlichkeiten Rücksicht genommen wird? Und wenn die Verletzung also gefunden wurde, was ist dann?
Und als letztes: Wie unterscheidet sich der Umgang mit einem Mißbrauchsopfer, welches vorher bereits oder danach sehr "spirituell" war oder geworden ist, von einem Opfer, welches gerade einmal weiß, wie die Wörter Reinkarnation und Karma geschrieben werden, sonst aber keinen Bezug dazu hat. Unterscheidet sich da überhaupt etwas und wenn ja, was?
Ich überziehe etwas, wie gesagt, hoffe aber, daß klar wird, worum es geht, mir geht es nicht darum ein solches Vergehen in seiner Schwere herabzusetzen, sondern um die Auswirkungen, die sich auf das gesamte Umfeld erstrecken. Ich verwende auch den Begriff "Opfer", weil es der gängige Term hierfür ist.
Außerdem bitte ich ganz allgemein darum, die Begriffe oder Sätze
"Du bist ja selbst schuld!" und
"Die Verantwortung für das Geschehen annehmen"
so wie Christina es so präsent umschrieben hat, nicht zu vermischen und sinnlose Diskussionen dadurch herbeizuführen, die nichts bringen außer hochgeschaukelten Emotionen.
Meine Gedanken und Fragen dazu.