Inzest - und wie nach der Aufstellung realer Umgang mit den Leuten..

Ich merke in dieser Diskussion wieder, wie schwierig es ist, sich zu verständigen. Mit Heilung und Vergebung meine ich ja gerade, dass die Situation anerkannt wird, so wie sie ist. Deshalb habe ich ja auch geschrieben, dass das ein Prozess ist, den man nicht willentlich beschließen kann. Es nützt wirklich nichts, wenn man sagt: Ich verzeihe Dir, da gehe ich mit Gawyrd absolut konform!

Und, Ahorn! Das sehe ich auch genauso wie Du! Der Schmerz und die Wut sind ja da, das Schlimmste an Missbrauch jeglicher Art ist ja gerade, dass man die Gefühle, die er auslöst, NICHT erleben darf, in dieser Situation! Und man darf sie natürlich deshalb nicht fühlen und ausdrücken, weil sonst der Täter fühlen müsste, dass er ein Täter ist.
Wirft natürlich die Frage auf, ob das Opfer insgeheim, um den Täter aus Liebe zu schützen, seine Gefühle verdrängt, oder ob Schützen aus Liebe wenigstens mitspielt.

LG

believe
 
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Ja... bloß: all das war hier ja nicht das Thema, und es ist (hoffentlich) wohl auch nicht angeklungen, dass hier Schuldzuweisungen gegen Opfer formuliert werden sollen!?!? Ich tu mir allerdings - und in dem Zusammenhang erst recht - mit dem Begriff "Schicksal" schwer. Und steige jetzt auch aus der Diskussion aus ... weil ich nicht sehe, wie wir hier über Phrasen hinaus angemessen mit der diffizilen Thematik umgehen könnten.

Alles Liebe,
Jake

Jaja, mit "Alles Liebe" grüßen und anderen unterstellen, dass sie Phrasen dreschen! :weihna1
 
Du hast nichts "falsch" ausgedrückt - ich habe allerdings diese deine Aussage in Frage gestellt. Ich halte - in systemischer Betrachtung - weder was von heilen noch von vergeben - das paßt für mich einfach nicht.

Wenn ich die systemischen Zusammenhänge erkenne und auch wirklich anerkenne, wozu sollte ich vorab Schuldzuweisungen aussprechen müssen - um diese dann durch (wie schon Jake meinte) sich selbst erhöhende Vergebung glauben, heilen zu können.

Wenn ich anerkenne, dass ist, was ist - und die Ordnung wieder her gestellt ist - besteht - in meinem Empfinden von systemischen Thematiken - keine Notwendigkeit, weder von Schuldzuweisung noch Vergebung noch Heilung.

Solange ich mich weiterhin als Opfer fühle, dann hab ich die Situation nicht angenommen, dann hab ich Sch...e mit Schlagsahne übertüncht, damit ichs eben nicht annehmen muss, sondern weiter in meiner - zwar nicht mehr selbsterhöhten - aber auch nicht loslassenden - Opferrolle bleiben kann.

Andererseits passt dazu dann natürlich, dass, wenn ich nicht nur Opfer war - sondern diese Einstellung auch Zeit meines Lebens beibehalten möchte - ich mich natürlich größer machen muss als die Mißbrauchenden - damit ich dann eben von meinem hohen Ross runter schauen kann auf diejenigen, denen ich gönnerhaft vergeben habe.

Solange ich selbst Opfer bleiben will - natürlich völlig unbewusst - kann ich nicht loslassen - andererseits - sobald es funktioniert, dass es einfach ist wie es ist - ohne irgendwelche Tricks, die ich anwenden müsste, um so zu tun, als ob ich die Situation annehmen würde - dann bin ich auch heil, ohne etwas dafür tun zu müssen.

Wenn ich eine Situation annenhme, nehme ich sie an - Punkt.

(Meine Ansicht - ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit - nur als zusätzlicher Denkanstoss - und nur für jene, die wollen)



Phantastisch alles ausgedrückt, hier kann ich wirklich - und das passiert recht selten - JEDEN Satz unterschreiben!


believe schrieb:
Ja, sicher geht es darum, sich aus der Opferrolle zu befreien und abzukoppeln. Aber zunächst möchte jedes Opfer tief drinnen GESEHEN werden. Es sehnt sich danach, dass jemand kommt und sagt: Ich sehe Dich und Deine Not, ich achte und respektiere Dein Schicksal! Ich sage das aus eigener Erfahrung! Das Schlimmste, was man einem Opfer antun kann, ist, wenn man sagt, DU bist selbst schuld! Denn damit erzeugt man ein schlechtes Gewissen für das eigene Schicksal. Aus dem Schicksal kann man ja erst dann lernen, wenn man es vorbehaltlos annimmt. Verstehst Du, was ich meine?

LG

believe


Und ich frage dich, wie lange, über welche Zeiträume und wie oft? Wie oft sollte man einem Opfer zeigen "Du wirst gesehen in deiner Not! Ich achte und repektiere dein *Schicksal* " und, und, und?

10 mal, 20 mal, 50 mal, hundert mal, fünfhundert mal und öfter, also bis ans Ende der Tage und vielleicht, wenn möglich auch drüber hinaus?

Könnte es sein, daß sich dort eine - wie Gawyrd es wunderbar umschrieben hat - Spirale von Opfer-Täter-Haltungen im Menschen entwickelt, der in erster Linie nur noch darum bemüht ist, permanent Bestätigungen dafür einzufordern, auf alle erdenkliche Arten und Weisen?

Und heute bin ich Opfer und morgen bin ich Täter und dann mal wieder Opfer und dann mal wieder Täter and so on? Und, welchen Lustgewinn könnte jemand daraus ziehen. Hat ja auch Vorteile, sich immer wieder in der Opfer-Position wiederzufinden, oder etwa nicht?

(Meine Ansicht - ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit - nur als zusätzlicher Denkanstoss - und nur für jene, die wollen).

:)
 
Phantastisch alles ausgedrückt, hier kann ich wirklich - und das passiert recht selten - JEDEN Satz unterschreiben!





Und ich frage dich, wie lange, über welche Zeiträume und wie oft? Wie oft sollte man einem Opfer zeigen "Du wirst gesehen in deiner Not! Ich achte und repektiere dein *Schicksal* " und, und, und?

10 mal, 20 mal, 50 mal, hundert mal, fünfhundert mal und öfter, also bis ans Ende der Tage und vielleicht, wenn möglich auch drüber hinaus?

Das kann ich Dir sagen! So lange, bis man die WIRKLICHE Verletzung und Verwundung gefunden hat! Wenn es nicht funzt, heißt es schlicht und ergreifend, dass man noch weiter suchen muss! Und nicht das Opfer im Regen stehen lässt! Oder man gibt dem Opfer gegenüber zu, dass man selbst nicht in der Lage ist, in seinem Fall zu helfen.

Könnte es sein, daß sich dort eine - wie Gawyrd es wunderbar umschrieben hat - Spirale von Opfer-Täter-Haltungen im Menschen entwickelt, der in erster Linie nur noch darum bemüht ist, permanent Bestätigungen dafür einzufordern, auf alle erdenkliche Arten und Weisen?

Die Spirale ist da, ja. Und es geht darum, sie AUFZULÖSEN! Aber nicht, indem man dem Opfer wieder erzählt, wie unwillig und schlecht es doch ist!

Und heute bin ich Opfer und morgen bin ich Täter und dann mal wieder Opfer und dann mal wieder Täter and so on? Und, welchen Lustgewinn könnte jemand daraus ziehen. Hat ja auch Vorteile, sich immer wieder in der Opfer-Position wiederzufinden, oder etwa nicht?

Ja, es hat Vorteile! Es verhindert, dass man den WAHREN Schmerz spürt! Weil der oft so massiv ist, dass wir ihn gar nicht auf einmal zulassen können, sondern nur portionsweise verarbeiten können...

(Meine Ansicht - ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit - nur als zusätzlicher Denkanstoss - und nur für jene, die wollen).

:)

Danke für Deine Ansicht! :liebe1: Es hilft mir, mich tiefer in die Materie reinzuknien!
 
Und ich frage dich, wie lange, über welche Zeiträume und wie oft? Wie oft sollte man einem Opfer zeigen "Du wirst gesehen in deiner Not! Ich achte und repektiere dein *Schicksal* " und, und, und? 10 mal, 20 mal, 50 mal, hundert mal, fünfhundert mal und öfter, also bis ans Ende der Tage und vielleicht, wenn möglich auch drüber hinaus?
Das wirkt halt alles so künstlich, unecht und phrasenhaft, wenn man es in Worte fasst. "Ich sehe Deinen Schmerz", "Ich achte Deine Not" ...

Grundsätzlich aber stimmt es : es ist wirklich das Wichtigste, wenn ENDLICH der ganze Schmerz und die Verzweiflung eines Opfers gesehen wird. Und da ist oft jedes Wort ein Wort zuviel. Wenn es einem einfach zutiefst im Herzen weh tut, wie ein Mensch verletzt und (vielleicht auch) zerstört worden ist, wenn einem Tränen in die Augen steigen - dann kann es oft gut werden.

Was getan wurde, wurde getan - da läßt sich eh nix mehr ändern. Aber wenn zB. der Täter zu weinen beginnt, wenn es ihn zutiefst erreicht, was er angerichtet hat (und damit meine ich nicht pathetische Krokodilstränen - sondern ehrliche Tränen der Verzweiflung), dann kann sich der Teufelskreis öffnen. Dann ist die endlose Täter-Opfer-Schaukel durchbrochen - dann begegnen sich zwei MENSCHEN mit all ihren Gefühlen (auf EINER Ebene !) - und nicht mehr 2 "Spieler" des Täter-Opfer-"Spiels".

Gawyrd
 
Das wirkt halt alles so künstlich, unecht und phrasenhaft, wenn man es in Worte fasst. "Ich sehe Deinen Schmerz", "Ich achte Deine Not" ...

Grundsätzlich aber stimmt es : es ist wirklich das Wichtigste, wenn ENDLICH der ganze Schmerz und die Verzweiflung eines Opfers gesehen wird. Und da ist oft jedes Wort ein Wort zuviel. Wenn es einem einfach zutiefst im Herzen weh tut, wie ein Mensch verletzt und (vielleicht auch) zerstört worden ist, wenn einem Tränen in die Augen steigen - dann kann es oft gut werden.

Was getan wurde, wurde getan - da läßt sich eh nix mehr ändern. Aber wenn zB. der Täter zu weinen beginnt, wenn es ihn zutiefst erreicht, was er angerichtet hat (und damit meine ich nicht pathetische Krokodilstränen - sondern ehrliche Tränen der Verzweiflung), dann kann sich der Teufelskreis öffnen. Dann ist die endlose Täter-Opfer-Schaukel durchbrochen - dann begegnen sich zwei MENSCHEN mit all ihren Gefühlen (auf EINER Ebene !) - und nicht mehr 2 "Spieler" des Täter-Opfer-"Spiels".

Gawyrd


Hi Gawyrd, nachgefragt:

Von wem sprechen wir jetzt?

Vom Täter?

Vom Therapeuten?

Von der Familie?

Von den Bekannten und Freunden?

Von Fremden, Wildfremden?

Von irgendwem irgendwo?


Und, sollte man also grundsätzlich in die Rolle eines "Therapeuten" schlüpfen, wenn man sich einem Mißbrauchsopfer nähert, welches sich als solches zu erkennen gegeben hat? Kein normaler Umgang mehr? Kein Reden mehr wie mit einem "Nichtmißbrauchsopfer"? Nur noch achtsam sein, den Schmerz und die Verzweiflung sehen, bedauern was passiert ist, das Opfer in der Opferrolle bestätigen? (Ich überziehe etwas, hoffe aber, das deutlich wird, worum es mir geht.)


Believe: Wenn jemand nun kundtut, daß das Thema mittels eines Therapeuten oder auch anderweitig überwunden ist, sollte die Sache dann überwunden sein und auch als solche betrachtet werden - von allen Seiten?


Und noch mehr nachgebohrt: Du schriebst ja, "so lange bis die wirkliche Verletzung gefunden wurde". Wie soll ich denn das verstehen? Als Angehöriger, Freund oder Bekannter, Therapeuten jetzt mal ausgenommen, weil das wohl eher deren Aufgabe mit dem Klienten zusammen sein sollte.

Wie lange darf und sollte ein ehemaliges Mißbrauchsopfer von seiner Umwelt erwarten, daß auf seine persönlichen Befindlichkeiten Rücksicht genommen wird? Und wenn die Verletzung also gefunden wurde, was ist dann?

Und als letztes: Wie unterscheidet sich der Umgang mit einem Mißbrauchsopfer, welches vorher bereits oder danach sehr "spirituell" war oder geworden ist, von einem Opfer, welches gerade einmal weiß, wie die Wörter Reinkarnation und Karma geschrieben werden, sonst aber keinen Bezug dazu hat. Unterscheidet sich da überhaupt etwas und wenn ja, was?

Ich überziehe etwas, wie gesagt, hoffe aber, daß klar wird, worum es geht, mir geht es nicht darum ein solches Vergehen in seiner Schwere herabzusetzen, sondern um die Auswirkungen, die sich auf das gesamte Umfeld erstrecken. Ich verwende auch den Begriff "Opfer", weil es der gängige Term hierfür ist.

Außerdem bitte ich ganz allgemein darum, die Begriffe oder Sätze

"Du bist ja selbst schuld!" und
"Die Verantwortung für das Geschehen annehmen"

so wie Christina es so präsent umschrieben hat, nicht zu vermischen und sinnlose Diskussionen dadurch herbeizuführen, die nichts bringen außer hochgeschaukelten Emotionen.

Meine Gedanken und Fragen dazu.

:)
 
Hi Gawyrd, nachgefragt : Von wem sprechen wir jetzt?
In diesem Forumsbereich geht es speziell um Aufstellungsarbeit - und von der habe ich hier gesprochen.

Ausführliche (und teils sehr persönliche) allgemeine Gespräche zu diesem Thema haben in Threads zB. im Teil-Forum "Gesundheit allgemein" stattgefunden. (Ob sie später in den neuen Bereich "Psyche und Persönlichkeit" verschoben worden sind, weiß ich jetzt nicht.)

Gawyrd
 
Und als letztes: Wie unterscheidet sich der Umgang mit einem Mißbrauchsopfer, welches vorher bereits oder danach sehr "spirituell" war oder geworden ist, von einem Opfer, welches gerade einmal weiß, wie die Wörter Reinkarnation und Karma geschrieben werden, sonst aber keinen Bezug dazu hat. Unterscheidet sich da überhaupt etwas und wenn ja, was?
Noch eine Bemerkung dazu :

Grundprinzip der Aufstellungsarbeit (zumindest wie ich sie verstehe, aber da bin ich sicher nicht allein) ist es, die Vorgangsweise und die Lösungsansätze zu finden, die für die betroffene Person so weit wie möglich hilfreich und befreiend ist - und nicht ein Standard-Schema durchzuziehen. (Es gibt ja noch wesentlich mehr Unterschiede als spirituell / nicht spirituell.) Was helfen kann, zeigt sich im Lauf der Aufstellung - und es ist sinnvoll, wenn der Aufstellungsleiter nicht mit vorgefertigten Lösungskonzepten eine Aufstellung durchführt, sondern offen für das ist, was sich zeigt. (Das gilt unabhängig vom Thema.) Weiters ist es wichtig, einen Menschen nicht auf eine Problematik zu reduzieren.

Gawyrd
 
Hi, Josepha!

Da kann ich Gawyrd nur zustimmen! In diesem Faden geht es um Aufstellungsarbeit. Natürlich bleibt es jedem Menschen unbenommen, sich auch im Alltag mit seinen Nächsten auseinanderzusetzen und Erkenntnisse aus dieser Arbeit einzusetzen.

Hallo Gawyrd!

Ich hatte es nicht als Phrasendrescherei gemeint! Du hast schon recht! Das Beste ist, wenn es als pures Mitgefühl rüberkommt, weil AL und Gruppe SEHEN, was Sache ist! Aber wenn man 's aufschreibt, muss man es nunmal in Worte fassen, um die Information rüberzubringen!

Liebe Grüße

believe
 
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Hallo Ihr Lieben,

letztes Jahr buchte ich eine Familienaufstellung - für mich selbst.
In der AUfstellung kam heraus dass ich ein Kuckukskind bin - von meinem Onkel. Ich selbst bin mir zu 1000 prozent sicher als kleinkind von eben diesem onkel und meinem vater missbraucht worden zu sein. in der aufstellung war der vater "unschuldig" und ich konnte ihm vor lauter schamgefühl nicht in die augen sehen als ich dazugestellt wurde...

die aufstellungsleiterin meinte zum schluss als ich allen "die ehre gab" dass ich nun meinen eltern ja wieder begegnen könne.. (muss dazu sagen dass ich zu der zeit jeglichen kontakt abgebrochen hatte). naiv und harmoniesüchtig wie ich war, habe ich den kontakt wieder aufgenommen - und sie waren "die alten". mir wird nach wie vor der missbrauch ausgeredet und ich frage mich schön langsam was dass dann alles gebracht hat....

meine frage, wie gehe ich in "ECHT" mit den leuten um???????

liebe grüsse von tina


Liebe Tina!


Inzwischen bin zumindest ich ziemlich vom Thema abgekommen, es ging ja darum, wie Du als Inzestopfer mit den Tätern umgehst! Du sagst, dass Du vor lauter Schamgefühl Deinem Vater nicht in die Augen gucken konntest! Falls Du dieses Schamgefühl noch hast, wäre es vielleicht das Nächstliegende, es gehen zu lassen! Denn DU kannst ja nichts dafür!
Ich selbst habe auch einige ätzende Dinge aus meiner Familie abgekriegt, Scham gehört auch dazu! Mir selbst hat es geholfen, die Scham zuzulassen und so oft wie möglich reinzuspüren. Zunächst war es fast unerträglich, aber mit der Zeit hat sie sich gelöst! Und das hat mir große Erleichterung gebracht!

Ich wünsche Dir viel Kraft für Deinen inneren Prozess! :liebe1:

Liebe Grüße

believe
 
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