Odin schrieb:
Was ich mich schon die ganze Zeit frage ist,
warum interessiert ihr euch so dafür was nach dem Tod passiert???
Ich meine ihr werdet es wohl oder übel früher oder später sowieso erfahren.
Oder wollt ihr euch damit die Angst vor dem Sterben nehmen?
Die Angst vor dem Unbekannten?
Ich hab mich da schon eine ganze Weile für interessiert. Der Auslöser war für mich der Tod meines Vaters als ich 7 war- ich wollte gerne wissen, wo er "hingegangen" ist und wollte wissen, wie es ist, wenn Menschen sterben, weil ich nicht dabei war und überhaupt von dem ganzen Vorgang der Krankheit und des Sterbens ferngehalten wurde. Da hat mich das Thema dann angezogen wie ein Magnet, nehme ich mal an, habe deshalb die Berufsausbildung zum Krankenpfleger gemacht und mich dann mit Todkranken und Sterbenden aller Couleur beschäftigt. Und habe mir dann lange angeschaut, was im alten Menschen mit einer Demenz geschieht, wenn das Gehirn langsam abstirbt und sich die Emotionalität lösen kann. Da war sehr viel auszugleichen in mir.
Ich erinnere mich sehr gut, daß damals das Telefon mitten in der Nacht klingelte und ich meine Mutter die Treppe hinunter gehen hörte, leise, so als hätte uns Kinder das Telefon nicht schon längst geweckt. Ich habe sie dann vor meinem inneren Auge den Hörer abnehmen sehen und sah, wie sie mit dem Hörer- damals gab es noch diese alten Telefone mit Wählscheibe- in die Küche ging und sich da auf den Stuhl setzte. Und dann habe ich gehört, wie die Krankenschwester sagte, daß mein Vater gestorben sei. Dann erinnere ich mich noch, daß sein Bild vor mir erschien und er mich anlächelte und ich guckte ihm in die Augen und sagte zu ihm: "Du bist jetzt tot".
Am nächsten Morgen wurde ich fröhlich geweckt, zum Karneval zurecht gemacht und wurde zur Karnevalsfeier in die Schule geschickt. Ich habe dann mit dem Wissen, das ich hatte Karneval gefeiert und nicht so recht Lust entwickelt, nach Hause zu gehen, weil ich spätestens jetzt wußte, daß mich dort eh nur Lüge erwarten würde. Das es selbst bei so essentiellen Dingen wie dem Tod des eigenen Vaters keine Ehrlichkeit in meiner Umgebung gab. Und von da an hab ich nur noch gelogen, nur noch und ausschließlich, mich selber und alles äußere habe ich angelogen. Da ist nämlich ein ganz großes Stück Ehrlichkeit und Kindlichkeit in meinem Herzen von mir gegangen und jede Menge Schmerz ist in mich eingedrungen. Da knapse ich in jedem Moment noch heute dran und erst heute Nacht hat mir diese Tatsache wieder den Schlaf- meinen kleinen täglichen Tod, den ich mir gönne- geraubt.
Für mich ist mein Tod heute ein Symbol dafür, daß ich wandlungsfähig bin. Ich bin nicht ich, das leidet. Ich bin genauso gut mein Selbst, ich bin auch mein Ich und ich bin sogar in gewissem Sinne- in Einem Sinne um genau zu sein- ICH. Und alle Aspekte wandeln sich- nur möchte ich stets die Richtung und das Tempo selber vorgeben- mein Geist, der überleben will, funktioniert so. Aber der Tod in mir, der dreht sich und mich und wandelt uns beide im Tempo des ICH, der Natur. Tod ist Natur, Endlichkeit und Unendlichkeit in Einem. Er überwindet alles, uns, unsere Natur und führt uns zu Gott, damit wir sehen, wer wir sind.
Wenn wir nicht sehen, wer wir sind, dann sind wir nur "persönlich", da ist kein Sein zu erkennen, nur ein Mein und ein Dein. Wir sind nicht die Kinder, die sich gegenseitig töten müssen in Kriegen und wir sind nicht das Bewußtsein, das abgrundtiefen Hass auf seine Lehrer, Mitschüler und Eltern empfindet und sie allesamt wie quiekende Schweine lachend abballert oder absticht. Wir sind nicht die Familie, die sich von 150 Euro im Monat ernähren soll und davon auch noch Holzspielzeug für das Kind kaufen soll, weil das ja besser ist. Wir sind nicht das Kind, das gesagt bekommt, was es zu sagen hat und was es in sich drin zu lassen hat. Wir sind auch noch nicht einmal wir selber, die wir uns selber verbieten zu erkennen, was wir hinter all der Beschäftigung mit dem Tod sind. Wir sind ja selber der Tod, da ist kein Unterschied, wir "meinen" das nur.
Liebe Grüße, Christian