Ich möchte Kontakt zu meinem Bruder

@whimsical

Eine ähnliche mich-interessiert-NIX-mehr-Phase habe ich auch hinter mir, kann also nachvollziehen, wie es Dir geht. Auch in meiner Familie gibt es zwei Fälle von Unfällen, bei denen fraglich ist, ob es nicht doch Suizid war. Diese Frage kreist auch heute noch manchmal in meinem Kopf, obwohl beide kurz vor meiner Geburt gestorben sind und ich sie nicht einmal kannte. Zum Glück nagt sie nicht mehr an mir. Es ist einfach eine der unbeantwortbaren Fragen des Lebens und bereitet mir keinen Kummer mehr.

Klar ist: Du schleppst unverarbeitete Trauer mit Dir rum, die Dich blockiert. Traurig oder wütend zu sein alleine reicht nicht, um das zu verarbeiten, es steckt sehr viel mehr dahinter. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die Trauerarbeit abgeschlossen ist, wenn sich die Trauer schön anfühlt. Das hört sich vielleicht erst einmal absurd an, ist aber so. Mein Opa ist vor über 20 Jahren gestorben, das habe ich lange mit mir rumgeschleppt ohne zu wissen, wie ich damit umgehen soll. Erst letztes Jahr konnte ich an ihn denken, die Tränen schön finden und beim Weinen lächeln. Es war ein warmes, weiches Trauern, kein dunkles, schwarzes Loch mehr. Ich liebe meinen Opa und ich vermisse ihn immer noch.

Der erste Schritt scheint mir zu sein, dass Du bereit bist, Dich der Trauer in ihrem ganzen Ausmaß zu stellen. Gib Dir selbst ein Versprechen, das löst die Blockade auf und bringt Dinge in Gang, ohne, dass Du konkret etwas tun musst. In etwa so (finde Deine eigenen Worte, ich gebe nur ein Beispiel): in mir steckt Trauer, die noch nicht voll und ganz raus kann. Ich erlaube mir, diese Trauer zu akzeptieren und zuzulassen. Ich bin bereit alles zu tun, um sie in ihrem vollen Ausmaß zu fühlen. Sie ist ein Ausdruck für die Liebe und den Verlust, der mir weh tut. Ich bin bereit den Schmerz zuzulassen, denn sie drückt aus, wie wertvoll die Menschen für mich waren und sind.

So oder so ähnlich.

Du hast eine ganze Liste von Vorschlägen bekommen, was Dir helfen kann diesen Schmerz zu fühlen. Meiner Meinung nach wäre eine Selbsthilfegruppe das Sinnvollste, denn dort bist Du von Menschen umgeben, denen es genauso geht wie Dir. Auch wenn Du nichts von Dir erzählst, wird jemand etwas sagen, das Dich berührt, das Dich mit etwas in Deinem Inneren in Verbindung bringt, das bei Dir blockiert ist. Außerdem ist es tröstlich zu sehen, wenn andere Menschen ihrer Trauer Ausdruck verleihen können. Gemeinsam zu weinen auch ohne sich gegenseitig in den Arm zu nehmen oder einfach nur andere beim Weinen zu erleben kann ein Herzensöffner sein, der viel heilsamer ist als alles andere. Die Erzählungen von schönen Erinnerungen an diesen Menschen und die Wärme des*der Trauernden berühren und heilen Dich, ohne dass Du etwas tun musst. Es passiert von alleine.

Ich wünsche Dir, dass Du das findest, was Du suchst.

LG,

the_pilgrim
 
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...und ich fand den Beitrag von Yogurette etwas unsensibel und herzlos. ...
Ich sehe auch nicht, wo ich undankbar bin?! Nur weil ich nicht zu jedem "Danke, für deinen lieben Text, blah blah" dazu schreibe? Ich weiß das schon zu schätzen...

ich bin nicht der Typ für kitschiges Gesülze, also solches Pflicht-danke-bla-bla fehlt mir von dir nicht.
nur .... ich habe mich mit deiner Geschichte bzw mit dir befasst, dir schon mehrere Beiträge geschrieben,
dann paßt dir einer nicht in den Kram, und sofort bin ich für dich "unsensibel und herzlos", was ja wohl
eine totale Abqualifikation ist, geradezu vernichtend im Rahmen eines solchen Forums.

wenn du sofort bereit bist einen zu verraten, ihm in den Rücken zu springen, egal was er für dich getan hat,
dann gehe ich jetzt besser auf Abstand. dir hätte klar sein müssen, daß ich -egal, was ich schreibe-
es nicht böse meine, weil ich eben NICHT unsensibel und herzlos bin. das hättest du wissen müssen.
verstehst du?

der Clou ist, das paßt genau zu der Story mit deinen Verstorbenen. die haben einfach bloß ihr Leben gelebt,
nix Böses vorgehabt, dann haben sie die Frechheit besessen zu sterben, und jetzt dürfen sie sich dafür
von dir beschimpfen lassen und sollen dir jeden Fitzel erklären. wenn sie dir so lieb und teuer waren wie du
sagst, dann müssen sie dir genau GARNIX erklären oder rechtfertigen, weil du dann nämlich Vertrauen
in sie hast.

und so weiter.
mit guten Wünschen
Y.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Pilgrim,
das hast du schön geschrieben.:)
Kann ich gut nachvollziehen, dass dich das auch heute noch ab und zu beschäftigt obwohl du diese Personen nicht mal kanntest. Sie haben schließlich zur Familie gehört und ich denke mir, dass es normal ist, dass man sich darüber Gedanken macht.

Gerade bei Suizid ist es ja häufig so, dass es mehrfach in der Familie vorkommt. Also bei manchen. Ich kenne zwei Fälle. In der einen Familie hat sich der Vater und später der Lebensgefährte der Frau umgebracht, die wir kennen.
Häufig haben diese Menschen ja Depressionen und das kann ja auch vererbt werden. Wenn ich, unabhängig von meinem Bruder jetzt, wüsste, dass sich in meiner Familie schon zwei Mitglieder das Leben genommen haben (vielleicht), würde mich sowas auch beschäftigen.

Ja, zur Zeit ist es wirklich eine extreme mich interessiert nichts mehr - Phase. Aber irgendwie auch gewollt. Ich schrieb ja schon in einem meiner letzten Beiträge, dass ich irgendwie "trotzig" zur Zeit bin. Aber die Gefühle wechseln eigentlich ständig ab. Weine zurzeit auch ziemlich viel. Eigentlich fast täglich.

Das mit deinem Opa liest sich so, als hättet ihr ein sehr enges und gutes Verhältnis zueinander gehabt. Ist schon heftig, wie viel Zeit vergehen kann, bis man endlich mit etwas umgehen kann oder überhaupt erst mal mit der Trauerarbeit beginnt. Bei meinem Bruder ist es ja jetzt auch schon einige Jahre her und ich stehe noch ganz am Anfang, wie du siehst.

Dass sich die Trauer "schön" anfühlt und man mit einem Lächeln an schöne vergangene Momente denkt...absurd hört es sich für mich nicht an. Nein, ich kann das verstehen und halte es auch für möglich.
Ich möchte jetzt sicher keine Reihenfolge aufstellen, was schlimmer ist: Sein Kind zu verlieren, Bruder oder Schwester, Vater, Mutter, Oma, Opa, bester Freund....
Manche haben überhaupt kein gutes Verhältnis zu ihren Großeltern und für manche ist der Opa/ die Oma Vater bzw. Mutter Ersatz. Da kann der Tod der Oma zb viel schmerzhafter sein, als der der eigenen Mutter.
Dennoch bin ich der Meinung, dass wenn ein Mensch (zu) früh gehen muss und es nicht der "natürlichen Reihenfolge" entspricht (dass das Enkelkind vor dir stirbt ist halt eher Ausnahme als Regel) oder wenn es z.B. dein eigenes Kind ist, dass vor dir stirbt, dass es dann etwas schwieriger ist mit dem verarbeiten der Trauer.
Für manche ist es vielleicht nicht schwieriger, aber ich glaube für die meisten ist es schon "schlimmer", wenn das eigene Kind stirbt, als die Mutter stirbt, bei der man ja irgendwie weiß, "ja, sie wird eines Tages wohl vor mir gehen".
Und ich glaube für eine Mutter wird es immer schwer sein, es zu begreifen und sie wird sich schwer damit tun, dass die Trauer, sich "schön" anfühlt, weil vermutlich im gleichen Augenblick sich wieder wie so ne Art "Schalter" umlegt, der dir sagt "Mein Gott mein Kind ist tot und ich lebe".
Ich selbst kann es zwar nicht nachvollziehen, da ich keine Kinder habe und kein Kind verloren habe, aber ich sehe ja was aus meiner Mutter geworden ist und auch das macht mich ziemlich fertig.

Aber wie gesagt, es ist individuell und bei jedem anders. Dennoch denke ich, dass es da bei den meisten Unterschiede gibt. Ist halt meine Meinung, also bitte nicht steinigen!! :(

Ich denke auch, dass so eine Art Selbsthilfegruppe wohl das beste ist. Menschen die einen auch ohne Worte verstehen. Die nicht hilflos oder überrascht sind, wenn man auf einmal anfängt zu weinen. Die einen einfach verstehen können. Vielleicht ist ja auch schon allein die Tatsache zu wissen mann kennt solche Menschen irgendwie "befreiend". Bis jetzt kenne ich solche Menschen nicht, aber ich glaub es wäre wirklich eine Erleichterung.
 
ich bin nicht der Typ für kitschiges Gesülze, also solches Pflicht-danke-bla-bla fehlt mir von dir nicht.
nur .... ich habe mich mit deiner Geschichte bzw mit dir befasst, dir schon mehrere Beiträge geschrieben,
dann paßt dir einer nicht in den Kram, und sofort bin ich für dich "unsensibel und herzlos", was ja wohl
eine totale Abqualifikation ist, geradezu vernichtend im Rahmen eines solchen Forums.

wenn du sofort bereit bist einen zu verraten, ihm in den Rücken zu springen, egal was er für dich getan hat,
dann gehe ich jetzt besser auf Abstand. dir hätte klar sein müssen, daß ich -egal, was ich schreibe-
es nicht böse meine, weil ich eben NICHT unsensibel und herzlos bin. das hättest du wissen müssen.
verstehst du?

der Clou ist, das paßt genau zu der Story mit deinen Verstorbenen. die haben einfach bloß ihr Leben gelebt,
nix Böses vorgehabt, dann haben sie die Frechheit besessen zu sterben, und jetzt dürfen sie sich dafür
von dir beschimpfen lassen und sollen dir jeden Fitzel erklären. wenn sie dir so lieb und teuer waren wie du
sagst, dann müssen sie dir genau GARNIX erklären oder rechtfertigen, weil du dann nämlich Vertrauen
in sie hast.

und so weiter.
mit guten Wünschen
Y.


So, ich musste mir echt überlegen, was ich dazu schreiben soll.

Ich bin mit Sicherheit kein schlechter Mensch, der anderen in den Rücken springt, nur weil einem mal etwas nicht passt.

Du hast meine Zeilen ja selbst zitiert, und wenn du richtig lesen kannst steht da, dass ich deinen Beitrag etwas herzlos und unsensibel fand. Da steht nicht, dass ich DICH als Mensch herzlos, kalt und unsensibel finde. Und DAS ist ein großer Unterschied, wie ich finde.

Des Weiteren schreibst du, du bist nicht der Typ für kitschiges und Gesülze und blah?! Dafür hast du aber in deinem letzten Beitrag ziemlich auf Drama Queen gemacht.
Du schreibst was von abqualifizieren, in den Rücken springen, von Verrat? Ja, du hast mir schon mehrere Beiträge geschrieben aber du tust ja gerade so, als bestünde da eine bereits jahrelange Forums "Freundschaft".
Ich denke auch nicht, dass du es böse gemeint hast oder gar ein böser Mensch bist. Ich fand es in dem Moment einfach wie ein Schlag ins Gesicht, diesen Einzeiler zu lesen.
Ich mache mir Gedanke und grüble, ob es vielleicht doch Suizid sein könnte, bin traurig, weil ich eigentlich so wenig aus dem Leben meines Bruders weiß, und du schreibst mir was von "Privatsphäre"????
Sorry, aber ich fands einfach unangebracht, und das was du in deinem letzten Beitrag geschrieben hast total übertrieben.

Dass du so reagierst zeigt mir auch nur, dass du mich kein Stück verstehst, oder es auch nur ansatzweise nachempfinden kannst, denn könntest du das, hättest du nicht so reagiert wie du reagiert hast.

Das was ich in Beitrag #56 von Nica zitiert habe, war übrigens nicht nur auf dich bezogen, sondern auf alle Menschen, die mir in den letzten Jahren total unsensibel gegenübergetreten sind. Da war ich einfach ziemlich wütend, als ich diese Zeilen schrieb.
Weißt du, ich kann auch nichts dafür, wenn du dir jeden Schuh anziehst.

Der letzte Absatz, in dem du schreibst, mein Verhalten würde ja voll gut zu dem Verhalten gegenüber den Verstorbenen passen zeigt mir übrigens auch nur, dass du das einfach Null nachvollziehen kannst.
Hättest du ähnliche Erfahrungen gemacht, wüsstest du, dass wenn man trauert alle möglichen Arten von Emotionen hochkommen und das kann auch mal Wut oder sogar Hass sein.
Wenn sich, wie im Fall von meinem besten Freund, jemand das Leben nimmt, da stellt man sich auch mal die verrücktesten Fragen und hat die verschiedensten Gefühle von "warum war ich nicht in der Lage dir zu helfen und dich davon abzuhalten" bis "Scheisse, warum hast du mir das angetan und hast mich allein gelassen".
Alle Gefühle sind denke ich erlaubt und nicht böse gemeint. Und ich glaube auch nicht, dass die Verstorbenen mir diese nicht so netten Gedanken, die manchmal hochkommen, übel nehmen.

Du aber scheinbar schon. Vor allem, dass du mir indirekt unterstellen möchtest, diese Menschen wären mir gar nicht lieb und teuer gewesen, finde ich eigentlich ohne Worte.

Bei deiner Reaktion könnte man ja meinen, ich hätte dir weiß Gott was angetan. Außerdem bezweifel ich stark, dass meine Reaktion, für dich irgendwelche negativen Konsequenzen haben könnte, "vernichtend" für dich hier im Forum sein könnte. Ich bitte dich.
Jeder soll sich seine eigene Meinung zu den Leuten hier machen, wer dich aufgrund meiner Zeilen jetzt "herzlos" findet, der ist einfach nur dumm.
 
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Nur so als Idee...
Wie geht es dir mit folgenden Aussagen:

"Danke, dass du da warst."

"Ich respektiere deine Entscheidung zu gehen."

"Mein Leben steht/sitzt/liegt genau neben mir."


Nix zum beantworten, nur zum Hinfühlen.
lg


Hallo Miramoni,

ich antworte trotzdem mal...

"Danke, dass du da warst."
Treibt mir direkt die Tränen in die Augen. Dieses "warst". Ich kannte diesen Spruch schon vor dem Tod meines Bruders. Hatte ihn mal auf dem Grab eines verstorbenen Kindes gelesen und der ist irgendwie hängengeblieben bei mir. Ich glaube das liegt daran, dass ich den Spruch auf der einen Seite, wunderschön und dankbar finde und ich glaube, dass er einem (wenn man so weit ist) ein schönes Gefühl herbeizaubern kann, wenn man an die verstorbene Person denkt. Auf der anderen Seite finde ich den Spruch furchtbar traurig und endgültig, abschließend.
Wenn ich diesen Spruch lese, ist es genauso wie mit schönen Erinnerungen, die ich an meinen Bruder habe. Z.b aus unserer Kindheit. Obwohl die Erinnerungen schön sind, muss ich sofort weinen, wenn ich dran denke, weils mich unglaublich traurig macht. Weils Vergangenheit ist. Und weil es nicht mehr möglich ist, hier auf Erden etwas mit ihm gemeinsam zu machen, was eines Tages ebenso eine Erinnerung sein wird. Es ist endgültig aus und vorbei. Er ist nicht mehr da.


"Ich respektiere deine Entscheidung zu gehen."

Da sträubt sich direkt alles in mir. Ich kann es (noch) nicht akzeptieren. Nicht mal ansatzweise. Es ist sogar so, dass ich es ja momentan gar nicht will. Bewusst nicht akzeptieren will. Auch wenn ich eigentlich weiß, ich tue mir damit selbst keinen Gefallen.


"Mein Leben steht/sitzt/liegt genau neben mir."
Ich fühle irgendwie, dass ich gar kein Leben lebe sondern nur existiere und das schon sehr, sehr lange Zeit. Dass ich mein Leben eigentlich gar nicht wirklich lebe. So fühlt es sich an.

Den Spruch in deiner Signatur finde ich übrigens sehr schön, wenn auch total traurig irgendwie. Irgendwie sagt er für mich auf eine Art aus, wie sinnlos alles ist und wie umsonst jede Träne die wir weinen.
 
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"Danke, dass du da warst."
Treibt mir direkt die Tränen in die Augen. Dieses "warst". Ich kannte diesen Spruch schon vor dem Tod meines Bruders. Hatte ihn mal auf dem Grab eines verstorbenen Kindes gelesen und der ist irgendwie hängengeblieben bei mir. Ich glaube das liegt daran, dass ich den Spruch auf der einen Seite, wunderschön und dankbar finde und ich glaube, dass er einem (wenn man so weit ist) ein schönes Gefühl herbeizaubern kann, wenn man an die verstorbene Person denkt. Auf der anderen Seite finde ich den Spruch furchtbar traurig und endgültig, abschließend.
Wenn ich diesen Spruch lese, ist es genauso wie mit schönen Erinnerungen, die ich an meinen Bruder habe. Z.b aus unserer Kindheit. Obwohl die Erinnerungen schön sind, muss ich sofort weinen, wenn ich dran denke, weils mich unglaublich traurig macht.



Hallo whimsical!

Dein Bruder ist ja immer noch da, auch wenn du ihn halt leider nicht spüren kannst.
Du könntest dir vielleicht einen eigenen Spruch machen, der für dich passt.
Ich denke an sowas wie:

Danke, dass es dich gibt, auch wenn ich dich zur Zeit nicht spüre und auch noch nicht wirklich mit mir und meiner Beziehung zu dir im Reinen bin.

Aber da muss man selbst rumprobieren, man spürt das dann schon, wenn man die richtigen Worte für sich selbst findet. :)
 
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Ja, zur Zeit ist es wirklich eine extreme mich interessiert nichts mehr - Phase. Aber irgendwie auch gewollt. Ich schrieb ja schon in einem meiner letzten Beiträge, dass ich irgendwie "trotzig" zur Zeit bin. Aber die Gefühle wechseln eigentlich ständig ab. Weine zurzeit auch ziemlich viel. Eigentlich fast täglich.

Ich find das normal. Ich kann mich sehr gut in deine Situation reinversetzen, weil ich sie auch schon durch habe. Ich wollte auch immer eine große Familie haben, aber irgendwie ging alles in die entgegengesetzte Richtung. Ich habe viele Menschen verloren - durch Tod, durch Wegziehen usw. Am Ende stand ich ganz allein da, hab mich total abgeschrieben und ungeliebt gefühlt. Ich bin eigentlich eine Kämpfernatur, habe immer alles geschafft, aber diese Einsamkeit hat mich fast umgebracht. Mein Studium lag auch hinter mir, aber ein Job, der mich erfüllt, war nicht in Sicht (nur tägliches zur Arbeit schleppen). Ich hatte auch das Gefühl, dass es bei allen läuft, alle glücklich sind, nur ich bin irgendwie auf der Strecke geblieben.

Am Ende hat es mir geholfen, auf Teufel komm raus eine Beziehung zu suchen. Ich wusste, dass ich erst mal eine warme Umgebung brauche, um mich selbst zu stabilisieren. Eine Beziehung habe ich auch gefunden, aber es war erstmal nicht so rosig. Ganz im Gegenteil. Aber genau das war das Richtige, um meine Lebensgeister wieder zu entfachen. Nach vielen schlimmen bzw. anstrengenden Jahren fange ich jetzt an zu heilen und glücklich zu sein. Nach und nach habe ich alles so einrichten können, wie es mir gut tut. Ich lebe in einer anderen Stadt, habe einen guten Job (keinen, den ich je wollte, aber er füllt mich aus) und meine Beziehung ist wie ein Wein, der mit jedem Jahr besser wird.

Der Mensch ist nun mal so geschaffen, dass er ohne andere nicht leben kann. Dafür muss man Schmerz und Verlust in Kauf nehmen. Jeder ist damit konfrontiert. Du kannst dich erst mal hängen lassen, das ist eine wichtige Phase, in der man sich selbst kennenlernt. Gut kennenlernt. Aber irgendwann solltest du deinen Hintern hochschwingen und andere Menschen aufsuchen - in welcher Form auch immer. Such dir einen Partner/ eine Partnerin, eine WG, eine Therapiegruppe oder weiß der Teufel was. Das ist das einzige, was hilft.

Der Schmerz und die Wut wegen der zwei Tode ist absolut verständlich. Es kommt dir so vor, als hätten sie sich weggestohlen und du musst das Leben jetzt irgendwie ertragen. Dein Leben, das sowieso nicht so einfach ist/war plus ihre scheinbar weggeworfenen Leben. Momentan ist das alles ein großes Durcheinander, weil sich viele Dinge vermischen. Als bei mir so viele Menschen auf einmal gingen und ich nicht mehr wusste, welche Gefühle wohin gehörten, habe ich mir ein Haus im Kopf eingerichtet. Ich habe meine Verstorbenen eingeladen, dort zu wohnen, auch bzw. gerade die, mit denen ich Probleme hatte. So konnte ich meine Gefühle langsam trennen und mit den Personen diskutieren/klären, die es wirklich betraf. Auf die Idee kam ich durch ein Buch (Matt Ruff: Ich und die anderen).

Akuter Schmerz und Wut sind eine Phase der Trauer, die irgendwann in andere Phassen übergehen. Wie schnell das geht, hängt vom eigenen Leben ab. Warte nicht darauf, dass deine Eltern sterben, um dann komplett am Boden zu liegen. Versuche jetzt schon, dir ein neues Leben aufzubauen. Du musst dich dafür anderen öffnen, immer wieder, auch auf die Gefahr hin, immer wieder eine Backpfeife vom Leben zu bekommen. Du bist damit nicht allein, das solltest du wissen.

Ich möchte damit nicht sagen, dass man sich von anderen abhängig machen sollte. Aber allein die Bereitwilligkeit, sich anderen zu öffnen und den möglichen Schmerz in Kauf zu nehmen, macht einen freier und auch irgendwie unabhängiger. Klingt vielleicht paradox, aber so fühlt es sich für mich an.

Ganz liebe Grüße und dicke virtuelle Umarmung
Oxymora
 
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