Weisst du, ich glaube fast, Daniel muss sich da offenbar selbst etwas beweisen. Es gibt Menschen, die versuchen durch ihr intellektuelles Gehabe ihre "proletarische Vergangenheit" hinter sich zu lassen. Mag sein, dass der Vater ein typischer Arbeiter war, die Mutter sich um den Haushalt kümmerte, ganz, wie die Elterngeneration das halt noch vielfach so eingepflanzt gekriegt hat. Manche Männer (vielleicht auch Frauen, kann ich nicht sagen) müssen sich selbst beweisen, dass sie besser sind als ihr Vater. Sie versuchen, aus ihrer Familiengeschichte zu entfliehen, und dadurch beginnen sie dann sich übermässig intellektuell zu gebärden. Denn sie wissen ganz genau, dass der Vater oder die Mutter mit ihrem Ruhrpottdeutsch (welches ich überaus charmant finde!) ihnen da einfach nicht folgen können oder wollen. Ich sage nicht, dass das bei Daniel nun der Fall ist, schliesslich kenne ich seinen Hintergrund überhaupt nicht, aber es ist eine mögliche Deutung, die in derartigen Situationen nicht selten zutrifft.Arielle schrieb:Stimmt. Teilweise kann ich ihm wirklich nicht folgen und irgendwie will ich es auch meistens nicht wirklich.
(Mal so ganz nebenbei...) Er hockt sogar manchmal freiwillig den ganzen Tag über dort nur um zu lernen. Er vergisst es anzurufen, oder wenn wir eine bestimmte Uhrzeit abgemacht haben, um uns online zu treffen. Er hat Freunde dort, mit denen er über Themen sprechen kann, von denen ich noch nie was gehört habe. Ich habe da manchmal wirklich Schwierigkeiten mitzureden. Vor allem benutzt er manchmal Fachwörter, die ich nicht mal aussprechen kann. Und wenn ich mit meinem "Ruhrpottdeutsch" ankomme, meint er nur: "Sprech doch mal vernünftig, dass man dich auch verstehen kann." Oder: "Das spricht man so und so aus." Er verbessert fast immer etwas von dem was ich sage. Er reibt es mir sozusagen unter die Nase.. "Ich bin besser und weiß eh mehr als du." Ich komme mir manchmal im Vergleich zu ihm richtig dumm vor! O.ó
Dass du aber hingegen nichts davon verstehst, was Daniel studiert, das ist nichts aussergewöhnliches. Ich habe selbst studiert, und ich konnte sogar meinen Mitstudenten, die genau dasselbe studierten, kaum richtig erklären, worum sich beispielsweise meine Abschlussarbeit drehte, ganz einfach weil das so sehr in technische Details ging, dass ausser einem Dutzend Personen auf der Welt sich damit nicht mehr auskennen würden. Das liegt einfach in der Natur der Sache, denn schliesslich sind die Themen ja auch meist recht kompliziert. Das liegt nicht daran, dass andere Leute dümmer oder ungebildet sind, sondern daran, dass du dich in ein spezifisches Thema einarbeitest, wo die anderen weder die Zeit noch die Lust noch die Möglichkeit haben, sich selbst auf diese Weise einzuarbeiten.
Es ist meine Erfahrung, dass leider viele Leute, die nicht studiert haben, einen ziemlich falschen Respekt vor dem ganzen verintellektualisierten Gehabe besitzen und sich dann oft minderwertig fühlen. "Ich bin halt nicht so klug wie du." - wie oft habe ich das zu hören gekriegt, und es tut mir auch ein bisschen weh. Zu studieren ist immer auch eine Entscheidung, sich auf einer sehr abstrakten und theoretischen Ebene auf gewisse Themen einzulassen. Das hat gar nicht so viel mit intellektuellen Fähigkeiten zu tun, sondern mindestens ebensoviel mit dem Wunsch, das zu tun. Ich kenne viele Leute, die im Grunde genommen locker ein Studium geschafft hätten, die aber das einfach gar nie wirklich wollten, aus welchen Gründen auch immer. Umgekehrt sitzen an den Unis auch wirkliche Deppen - wie überall.
Und noch etwas: Am stärksten bedroht wird intellektuelles Gehabe durch Menschen, die mit dem Herzen sehen können. Warum? Weil all die aufgebaute Sicherheit, welche der Intellekt liefern soll, unterwandert wird. Und das ist nun wirklich etwas, was mit der Schulbildung absolut nichts zu tun hat.