Naja, es kamen halt viele Leute mit den üblichen Fragen: wann kommt die perfekte Liebe, das grosse Geld, der tolle Beruf, die schöne Wohnung- schrecklich langweilig fand ich das. Was ist das denn für ein Dienst, den ich da leiste, sowas zu beantworten? Das geht ja am Thema Selbsterkenntnis völlig vorbei. Nee, das hab' ich schnell wieder drangegeben.
Auf den ersten Blick stimmt das. Auf den zweiten Blick stecken hinter diesen vordergründigen Fragen zum Teil existenzielle Anliegen. Da halte ich es für die Kunst eines guten "Beratungs"-Gesprächs, erst mal das eigentliche Anliegen abzuklären bzw. die Bereitschaft auszuloten, wie weit da jemand einen Weg zu gehen bereit ist, der ihn nicht nur mit einer scheinbar astrologisch begründeten Antwort abfüttert, wer an seiner Misere schuld ist und dass der Liebste ganz bestimmt bald die andere sausen lässt und zurückkommt. Und wenn jemand nicht drauf einsteigt: andere Eltern haben auch hübsche Astrologen.
Das wird umso schwerer, wenn ich als Astrologie ein fixes Konzept habe, wie dieser Weg zu sich selbst bzw. zu Lösungen auszusehen hat und wenn ich dann beginne, den Klienten mit Predigten zuzumüllen. Der geht auf Widerstand, und dann haben wir beide das Negativerlebnis.
Ich halt's da lieber mit Steve de Shazer (kein Astrologe, sondern Mitbegründer der "Lösungsfokussierten Kurzzeittherapie"), der davon ausgeht, dass "der Klient alle Ressourcen besitzt, die er für eine Lösung braucht" und dass der Berater nicht besser weiß, was für den Klienten gut wäre, sondern lediglich durch gute, geschulte Fragetechnik dabei unterstützen kann, dass sich der Klient seines (seines!!!) Lösungsweges bewusst wird. Darum mag ich auch das Wort "Beratung" eigentlich gar nicht mehr - Begleitung ist mir lieber.
Andererseits wird da auch schnell klar, dass das mit ein paar Zeilen E-Mail nicht abgetan ist und der Zeitaufwand rasch ins Uferlose steigt, wenn ich das mit jemand per Online-Kommunikation abwickeln möchte. Das ist, selbst dort, wo's auf den ersten Blick teuer ausschaut, ein Zuschuss-Geschäft, und es bringt nicht wirklich was, weil der persönliche Rapport einfach nicht stattfindet, nicht einmal am Telefon. Die ganzheitliche Wahrnehmung von Menschen ist an Anwesenheit gebunden.
Und da bleibt es dann eh jedem selbst überlassen, ob er astrologische Junk-Food reinstopfen möcht oder aber seine Ernährung auf was Gesünderes umstellen ... und dem Astrologen bleibt es offen, dass er im so oft bemühten "echten Notfall" auch auf sein Honorar verzichten kann. Ich sehe da auch so etwas wie Solidarität - die Leute, die im Auto vorfahren und mir in Markenklamotten gegenübersitzen (und gegen die ich nichts habe und deren Anliegen ebenso gewichtig sind wie die von anderen, um da keine falschen Töne aufkommen zu lassen) dürfen mit ihren Beiträgen schon mal ein wenig mitfinanzieren, dass andere, die tatsächlich am harten Brot knabbern, auch Begleitung erhalten können.
Alles Liebe,
Jake