Hilferuf: An alle "Zwanghaft Denkenden"

Hallo Urfaust,

als "Leidensgenossin" möchte ich Dir ein herzliches :danke: für die Eröffnung dieses Threads senden. Bin gerade dabei für mich zu entdecken, dass das Wichtigste die (Selbst)Annahme ist. Erst dann kann - vielleicht - Veränderung passieren.
Wobei ich mich gerade frage, wie weit können wir unsere Persönlichkeit überhaupt verändern, bzw. was können wir verändern und was müssen wir -vielleicht als "Schatten-seite(n)" unseres Selbst - akzeptieren lernen?
Aber das wäre schon wieder ein anderes Thema.

Liebe Grüße
wonder
 
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möchte die ausage von gabi gerne unterstreichen,

tolle rät das jetzt zu akzeptieren, und wenn du dich gegen deine gedanken wehrst, akzeptierts du ja nicht was ist.

lg

evian
 
Was ich mit für ein großes Problem halte, ist der "Ver-Bildungsgrad". Ich würde mich selbst als recht intellektuell bezeichen. Bin aber nicht wirklich stolz drauf.

In einem guten Buch über Meditation habe ich einmal folgende Einleitung gelesen: Wann immer mein Meister mich loben wollte, nannte er mich simpel. Wann immer er mich tadeln wollte, nannte er mich klug.
So schreibt auch Laotse: Beim Denken - halte dich ans einfache.
Auch Tschuangste hält die ständige Denkerei, die damals vermutlich noch nicht derartige Ausmaße angenommen hatte, für eines der Grundübel, die das Herz verwirren.

Lieber Urfaust,

du sprichst von „Ver-Bildung“, was genau meinst du damit?
Du bist „nicht wirklich“ stolz darauf, dich als recht intellektuell zu bezeichnen, was bedeutet das?
Nicht wirklich heißt doch ... na ja, irgendwie schon ... aber halt auch irgendwie nicht ... aber auf jeden Fall irgendwie schon ... :)

Was beschreibt deiner ganz persönlichen Ansicht nach genau „intellektuell“, einen Kopfmenschen, oder einen belesenen Menschen?

Es gibt in unserer Gesellschaft sehr viele, sehr belesene Leute, die sich den fast 400 Jahre alten Spruch „Wissen ist Macht“ gerne um den Hals hängen, aber was machen sie mit ihrem Wissen?
Die Menschen unserer Zeit fressen Buchstaben, können u. U. ganze Absätze aus Büchern zitieren, aber sie sind nicht fähig, das Gelesene wirklich in ihr Leben zu integrieren. Sie konsumieren Bücher, aber sie fühlen sich selbst nicht wirklich angesprochen, lernen nichts daraus.

Ist das dann Wissen? Ich kann doch nur wissen, was ich selbst auch erfahren habe? Sowas ist doch lediglich angelesen, und das kann so gut wie jeder – wenn er genügend Zeit und Interesse hat.

Du bist offensichtlich schon in einigen Bücher auf das Thema „Denken“ gestoßen, kannst auch wunderbar daraus zitieren, aber sie scheinen dich, zumindest bisher, nicht erreicht zu haben.
Und damit meine ich: Dich, dein Inneres, dein Herz, deine Seele, das was dich wirklich ausmacht .....

Oh, oh, das ist jetzt ein bisschen off topic ... aber ich finds einfach interessant.

tolle rät das jetzt zu akzeptieren, und wenn du dich gegen deine gedanken wehrst, akzeptierts du ja nicht was ist.
Warum soll sich jemand gegen seine Gedanken wehren? Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass so was funktioniert. Es geht darum seine Gedanken in ihrem Ursprung wahrzunehmen, zu erkennen, warum man Situationen wie be-urteilt und dass das was wir glauben zu sehen/hören/erleben nicht übereinstimmt, mit dem was es wirklich ist.

Es geht bei Tolle um ein vollkommen wertfreies Akzeptieren dessen was ist, denn wir selbst entscheiden uns für ein negatives oder positives Kopfkino.

Liebe Grüße @all
Ruhepol
 
Wer Erfahrungen mit schweren Zwangserkrankungen, Paranoia oder Schizotypie hat, weiß wie schlimm Zwanghaft Denken ausarten kann. Du kannst nicht mehr aufhören, es sammelt sich alles in dir an und hinter deiner aktuellen Grübelei lauert schon passiv die nächste, die zuschlagen wird, sobald du die erste loshast. Positive Herangehensweisen, Affirmationen, Achtsamkeitsübungen, Visualisierungen, können ebenso wie Meditation eine gewisse Linderung bringen, aber an schlimmen Tagen spürst du förmlich wie der Zwang, die Wut, die Angst an deiner (z.B.) Affirmation oder Visualisierung vorbeisickert und sich wie ein unglaublich tiefer See davor aufbaut, in dem du rettungslos wieder versinkst. Oft bis zu quasi-katatonen Zuständen und zu der mehr als nur deprimierenden Einsicht, daß der Zwang alles ist, was dein Leben noch ausmacht.
Das Schlimmste, das ich bisher miterlebt habe.

@Ruhepol:

Es gibt in unserer Gesellschaft sehr viele, sehr belesene Leute, die sich den fast 400 Jahre alten Spruch „Wissen ist Macht“ gerne um den Hals hängen, aber was machen sie mit ihrem Wissen?
Die Menschen unserer Zeit fressen Buchstaben, können u. U. ganze Absätze aus Büchern zitieren, aber sie sind nicht fähig, das Gelesene wirklich in ihr Leben zu integrieren. Sie konsumieren Bücher, aber sie fühlen sich selbst nicht wirklich angesprochen, lernen nichts daraus.

Man kann auch lesen, nicht des Wissens willen sondern des Vergnügens. Ist es nicht ein unglaubliches Vergnügen, in die Kreativität und Phantasie eines anderen (möglichst begabten) Menschen einzutauchen und sei es nur Eskapismus? Muß man aus allem etwas lernen? Kann das Leben so stupide sein, daß es mir den beständigen Lernprozeß aufzwingt ohne mir die Vergnügung des nicht-lernenden (z.B.) Lesens aufzwingt?

ciao, :blume: Delphinium
 
Wer Erfahrungen mit schweren Zwangserkrankungen, Paranoia oder Schizotypie hat, weiß wie schlimm Zwanghaft Denken ausarten kann.
Urps, hier geht es um Krankheit, ich hatte nicht den Eindruck, dass Urfaust davon sprach in seinem Eingangspost, oder ich habs einfach falsch verstanden.
Man kann auch lesen, nicht des Wissens willen sondern des Vergnügens. Ist es nicht ein unglaubliches Vergnügen, in die Kreativität und Phantasie eines anderen (möglichst begabten) Menschen einzutauchen und sei es nur Eskapismus?
Das stimmt, keine Frage, ein Buch über Meditation, oder eines von Eckhart Tolle lese ich nicht um mich an der Kreativität des Schreibers zu erfreuen, sondern um etwas daraus zu lernen. Also bei mir ist das so. Zur reinen Freude greife ich dann schon zu anderer Lektüre.

Liebe Grüße
Ruhepol
 
Hallo,

Ruhepol: das Problem beim Denken ist ja nicht das Denken selbst, sondern das was man denkt.
So sehe ich das auch.

Wenn es sich hier bei jemandem tatsächlich um eine Zwangserkrankung handeln sollte würde ich doch dazu raten mal einen Therapeuten aufzusuchen.
Für Menschen die einfach so zu viel denken habe ich zwei Tipps.

1. Lernen zwischen Ängsten und Realität zu unterscheiden.
Viele Leute denken ständig darüber nach was alles schlimmes passieren könnte.
Im Bezug auf eine Partnerschaft kann das z.B. so aussehen, dass es damit anfängt, dass man denkt es läuft nicht besonders gut.
Irgendwann ist das Ganze dann so ausgeartet, dass man sich den Partner beim Fremdgehen oder ähnlichen Dingen vorstellt.
Hier sollte man sich selbst sagen "halt, das ist nicht die Realität".
Diese Unterscheidung ist sehr wichtig denn wenn man sich viel mit bestimmten Gedanken beschäftigt entstehen im Kopf so etwas wie Pfade die dazu dienen, dass wir ein Thema schneller mit einem anderen verbinden können.
Wenn diese Pfade jetzt aber auf negatives Denken und Ängste gepolt sind wird der Mensch immer schneller und öfter diese Ängste erleben.
Das Gute daran, positives Denken lässt sich hierdurch lernen, einfach öfter an etwas schönes denken.

2. Lernen Gedanken umzusetzen
Wenn man ständig über etwas nachdenkt und nicht dazu kommt es auch in die Tat umzusetzen schafft dies mit der Zeit Frustration.
Hier kann eigentlich jede Form von körperlicher Aktivität helfen.
Verkopfte Menschen bewegen sich nämlich oft viel zu wenig und der Körper gehört genauso zum Menschen wie seine Gedanken.

Den Tipp mit dem Meditieren finde ich auch sehr gut!

Lg Shinjukai
 
Guten Morgen,

besonderen Dank an Ruhepol und Delphinium.
Der Beitrag war im Prinzip nicht speziell auf die Krankheit(en) bezogen, aber ich finde es sehr gut, dass das Thema erwähnt wird.
Auch ich hatte bereits mit einer solchen "aggressiven" Steigerung der Gedankenaktivität zu tun. Das ist nicht mehr lustig, stellt aber auch nach Ansicht Tolles nur einen höheren, "akuteren" Grad der ständigen Denkerei dar, unter der vermutlich sehr viele Leute leiden.

Ich persönlich würde mich als recht kopflastig bezeichnen. Aber eine Kopflastigkeit schließt eine Belesenheit ja nicht aus. Im Gegenteil, denke ich, dass diese beiden Dinge vermutlich öfters gekoppelt auftauchen, als getrennt.

Mit "Ver-Bildung" denke ich zB. an eine 9jährige gymnasiale Schulausbildung oder die einer Universität. Man beschäftigt sich beinahe ausschließlich mit Theorie und das für so lange Zeit. Die Denkerei und das "im Kopf sein" wird dadurch natürlich gefördert.


Beste Grüße
Urfaust
 
Selbstverständlich muss ich Ruhepol zustimmen, wenn er sagt, dass quantitatives Wissen-Anhäufen eher kontraproduktiv ist.

Wissen, damit meine ich Information -> Gedanken, kann auch eine Belastung sein.
 
Nochmal an Ruhepol (deinen Beitrag finde ich übrigens recht gut formuliert :)

Irgendetwas in mir müssen die Bücher vermutlich doch erreicht haben, sonst würde ich ihren Inhalt vermutlich nicht schätzen und hätte diesen Beitrag nicht verfasst.
 
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Hi zusammen

Ich nenne es Spiraldenken. Ich hörte damit auf, als ich vor ein paar Jahren eine Diskette voll tippte und dabei feststellte, dass ich bei meinem Gedankengang immer wieder an den Anfang zurück kam, aber nicht wirklich weiter. Da hab ich es irgendwie begriffen. Seither stoppe ich mich rechtzeitig, ich merke genau, wenn ich in dieses Spiraldenken gerate. Und ich es erkenne es auch an anderen, allein schon am Schreibstil, meist sehr komplex, aber völlig unnütz. Es ist ein Monologisieren. Durch Dialog lässt sich weiterkommen, weil neue Perspektiven hineinfließen. Auch neue Erfahrungswerte helfen, eigene neue Blickwinkel einzubinden, um vorwärts zu kommen und nicht stehen zu bleiben.
 
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