Liebe Sadira,
vielen Dank für deine aufmunternde Worte. Es tut so gut darüber reden zu können, ohne dass ich verständnislos angeschaut werde. Mein Ex oder noch Freund sagt, ich würde mich vielzuviel damit beschäftigen.
Ich habe mir schon so ähnlich gedacht, wie du es geschrieben hast. Die türkische Moslems haben ihre eigene Art mit Tod, Trauer und Begräbnis umzugehen. Er liegt auf der Familiengrab und dort gibt es nicht diese Mentalität von Grabpflege, wie man es hier kennt. Ich stelle es mir oft vor, wie ich das Grab mit Pflanzen und Blumen schmücke. Ich denke, dass die Erde nach unten eingesackt ist und dadurch das Loch entstanden ist. Für meine Mutter ist es ihr zweites Kind, die sie unter die Erde gebracht hat und ich habe eh Schwierigkeiten mich vor Gefühlen anderer abzugrenzen und sie hatte es leicht gehabt, mich für ihren Wohlbefinden verantwortlich zu machen. Was sie jetzt nicht mehr macht, denn sie hat sich auch dadurch verändert. Sie ist sensitiver geworden. Aber auch sehr abergläubisch geblieben
.
Deine Idee mit einer Stelle für mein Bruder zu suchen, finde ich gut. Das wäre für mich eine Massnahme eine eigene Gedenkstätte für ihn zu stellen. Glaubst du wirklich dass das mit Abschied zu tun hat. Ich stelle mir vor, er begleitet mich in meiner tiefsten Momente und führe so eine Art Zwiegespräch mit ihm (Natürlich mit Zweifel, ob er wirklich da ist und mir wirklich zuhört). Ich habe irgendwann aufgehört zu beten und angefangen an unserer Allmächtigen zu zweifeln. Zweifel an alles. Zweifel an seiner Existenz, an meiner Existenz. Zweifel an das Gute in Menschen. Zweifel, zweifel, zweifel, bis ich selbst verzweifelt wurde. Ich war sauer auf alles. Auf mein Religion, auf viele Menschen und auch auf meine Familie. Das ist ein Thema für sich. Besonders auf eine Freundin, die sich vor einige Jahren umgebracht hat. Sie hat sich vor dem Zug geschmissen. Es war wieder ein Schock gewesen. Bei ihr hatte ich auch Schuldgefühle gehabt, weil ich dachte, ich hätte mich mehr um sie kümmern müssen. Aber ich war mit meiner Krebsgeschichte beschäftigt. Dann habe ich irgendwann ein Verständnis für sie entwickelt. Ich wollte auch nicht mehr. Jetzt geht´s wieder
In den letzten Tage hörte ich wieder vom Tod. Eine Bekannte vom meinem Ex hat sich umgebracht. Eine Tante von meiner Freundin hat ihren 3. Krebs nicht überlebt. Jetzt sind die Fische, die ich mein Ex-Freund geschenkt habe auch alle tot. Ey, was geht hier ab.
Ich träume mehr symbolisch als eine Geschichte. Gestern habe ich nur ein Zahn gesehen mit kleinen Strich Karies. Ehrlich gesagt, weiss ich wieder nicht, was es zu bedeuten hat. Heute mittag rief mein Ex an und erzählte mir, dass die Fische tot sind.
Ich habe mich stets gefragt, warum ich ihn nicht verlassen kann. Wir haben uns gesagt, wenn es mit uns als Paar nicht mehr klappt, sind wir für uns trotzdem, wie eine Familienersatz da. Aber es geht nicht mehr. Obwohl vieles passiert ist, hänge ich an ihn sehr. Du hast wahrscheinlich recht, dass ich mit Verlustängste zu kämpfen habe. Er ist schon irgendwie ein Ersatz für mein Bruder geworden. Wahrscheinlich übertrage ich meine Schuldgefühle auf ihn. Ich konnte es nicht mehr einordnet, ob es wirklich Liebe ist, die ich mitmache. Wahrscheinlich habe ich meine Schuldgefühle, Verlustangst mit Liebe verwechselt. Und meistens habe ich mich zurückgenommen. Aber jetzt habe ich kein Bock mehr. Und trotzdem hänge ich an ihm.
Kommisch, oder
Als die Fische auch noch starben, habe ich es als symbolisch gesehen, dass die Gefühle auch gestorben sind. Vielleicht interpreterie ich auch viel zu viel. Oder ich suche Gründe es doch nicht zu tun. (Typisch Zwilling
)
Zum Thema Spiritualität:
Irgendetwas geht hier oder da oben, wo auch immer, was ab. Da ich ein Kopfmensch geworden bin und alles sehen, fassen und analysieren muss, habe ich das Empfinden zu meiner inneren versperrt. Manchmal passiert schon mal Dinge, für den ich keine Erklärungen finden kann. Das Empfinden dafür lasse ich oft nicht zu, weil es mich einfach überwältig. Sei es gutes aber auch das schlechte. Wenn jemand weint, weine ich mit. Wenn jemand leidet, dann leide ich mit. Wenn jemand stirbt, dann sterbe ich mit. Ích habe deshalb versucht Abstand zu halten, was mich wiederum einsam macht. In letzte Zeit bin ich nur am weinen. Ohne erklärliche Gründe. Mein Freund ist schon sehr genervt und merkt gar nicht, dass er auch Gründe dafür liefert.
Vielleicht glaubst du, dass ich spinne, aber kennst du den schwarzen Schwan in Münster. Die weisen Schwäne akzeptieren den schwarzen nicht, und er schliesst Freundschaft mit einem Trettboot, der wie ein Schwan aussieht. So komme ich mir auch vor. Ich bin da, mache alles mit, hauptsache ich bin nicht alleine.
Sowie jetzt. Er ruft mich an, die Fische sind tot. Ich gehe zu ihm, um die Fische zu entfernen, was mir schwer fallen wird. Und er geht ins Bett um zu schlafen. Was er immer macht, wenn er überfordert ist. Oh oh, eigentlich wollte ich zum Spiritualität rübergehen und es wird eine richtige Geschichte daraus.
Was ich sagen will, ist, dass ich meine Frieden will. Ich will meine Harmonie wieder. Lege für mich Karten und es wird noch verwirrender . Versuche die Menschen zu verstehen und ich werde wie in einer unsichtbarer Sog darein gezogen und ich kann mich nicht mehr entziehen. Versuche mich zu verstehen und das klappt dann auch wieder nicht, weil ich verlernt habe gutes für mich zu tun. Und glaube schon, dass die Träume entweder es das Geschehenisse verarbeiten oder irgendwas mir mitteilen will. Nur mit Enträtseln bin ich überfordert. Jahre bevor mein Bruder verunglückte, erschien er mir schon Mal im Traum. Er lag in meiner Arme und rief verzweifelt "hilf mir". In der Realität hat er sich nicht getraut zu sagen, weil er sich geschämt hat. Es stellte sich heraus, dass er Heroinsüchtig wurde. Aber er hat es geschafft von den Zeug loszuwerden. Er musste in die Militär, wurde in den Krisengebiet eingesetz, wo er es auch überlebt hat. Und irgendein Tag fühlte ich was. Ein komisches, unbeschreiblich unruhiges Gefühl. Später erfuhr ich, dass er mit Motorrad verunglückte. usw.
Ich war sehr traurig.
Ich träume nicht immer. Es ist selten. Und wenn ich träume, ist es so beeindruckend. Ich wünschte, ich würde mehr an Träume erinnern und auch die Fähigkeit haben mich dort meiner Angst zu stellen. Kling blöd, he. In der Zeit, wo ich viel geträumt habe, waren viele Alpträume dabei. Jetzt sage ich mir, wenn sie wiederkommen, werde ich nicht mehr weglaufen um zu sehen, was passiert.
Ein Weg wird sich bestimmt finden um mehr an die Spiritualität näher zukommen und es auch "endlich" zu verstehen, was mir bis jetzt als Rätsel vorgekommen ist.
Hey, es war schön, deine aufbauende Mail zu lesen und ich getraut habe, mich irgendwie hier "auszukotzen".
Glaubst du, du kannst den Zahn irgendwie einordnen?
Danke, für deine Interesse. Du hast mich aufgebaut.
Liebe Grüsse
S.
P.S. Da liegt was wahres dran an diesem Satz, die ich irgendwo aufgeschnappt habe:
Heimat ist dort, wo du verstanden wirst