Luna, Sie sind frei zu erzählen. Mutmaßen Sie. Haben Sie Spaß daran, es einfach laufen zu lassen. Oder tun Sie es einfach nicht.
Zu Ihrer Frage über Golf (ich nehme Ihren Satz als Frage, ich möchte Sie ermutigen, wenn Sie doch etwas sagen wollen):
Der Golfplatz als Mittelpunkt des Universums. Ein mystischer Ort. Menschen, die ernst in die Ferne blicken, um eins zu werden mit der Fahne und dem Feld. Menschen, die entrückt mit dem Schläger pendeln, um den einzig wahren Schwung tief in sich drin zu finden. Möge die Macht mit ihnen sein. Und mit dem Zuschauer.
Denn Regisseur Robert Redford überhöht seine "Legende von Bagger Vance" so hemmungslos, dass er sich fast am Himmel den Kopf stößt. So viel selbstverliebte Ernsthaftigkeit tut weh, besonders wenn es eigentlich nur um Golf geht.
So kann man es sehen.
Man kann auch tiefer begreifen. Der Regisseur:
"Es geht um einen Menschen, der seinen authentischen Schwung verloren hat." "Ich hörte diesen Satz und war elektrisiert", erinnert sich Redford. "Diese Formulierung setzte sich bei mir fest: der authentische Schwung. Dann las ich das Buch und fand, dass es alle Voraussetzungen erfüllte, die eine gute Geschichte ausmachen. Es beschreibt die klassische Reise eines Helden, der von Dunkelheit umhüllt den Kontakt zu seiner Seele verloren hat und mit Hilfe eines spirituellen Führers den Weg zurück ins Licht findet. Bagger ist der Schutzengel, der Meister. Er zeigt Junuh, dass die Kraft, das Glück, all die Dinge, die wir auf der Welt suchen, in Wahrheit in unserem Inneren steckt. Das ist nichts, wonach man an anderen Orten suchen muss. Im Film nennen wir das ,den authentischen Schwung'. Das klingt wie ein Golfbegriff, beschreibt aber auch den Teil in jedem von uns, der am echtesten ist."
Der am echtesten ist.
Als Golfspieler:
"Das Tolle an Golf ist, dass es einem normalen Menschen eine Ahnung davon gibt, wie sich Perfektion, wie sich Vollkommenheit anfühlt."
Wenn man das Buch liest:
Das Buch ist nicht der Film; das Buch ist anders; und wie es fast immer mit verfilmten Büchern ist: Das Buch bringt die eigentliche Idee genauer auf den Punkt, und im Buch kommen jene entscheidenden Hintergrund-Dinge, die im Film erst gar nicht auftauchen - die aus Rücksicht auf ein Massenpublikum glattgebügelt sind.
Selbstverständlich ist für solch ein Massenpublikum der direkte Rückgriff auf indisches Gedankengut und die Bhagavad-Gita kaum zu ertragen. Es ist ja bekannt, wie Leute diesseits und jenseits des Atlantiks auf reinrassige Mystik reagieren, wenn sie nichts mit Selbsterkenntnis am Hut haben. Schon der Film erntete gehässige Reaktionen (wie weiter oben aufgeführt), und das Buch ebenso. Es ist völlig klar und offensichtlich, daß Menschen, die Sich Selbst nicht suchen, auch damit nicht behelligt werden wollen. Sie wollen in ihrer Welt der Alltagsdenkweisen in Ruhe gelassen werden.
Der Praktiker:
Zwischendurch habe ich in der Wohnung ein 8er oder 9er Eisen genommen und ein paar Schwünge gemacht - mit dem aus der Lektüre inspirierten Hintergedanken, daß ein Schwung erinnert und nicht erworben bzw. angelernt wird. Auch hier ist es mal wieder peinlich zu sehen, aber zugleich auch eine dankbar erlebte Offenbarung, wie wichtig es ist, sich von innen her klarzuwerden, anstatt immer wieder nur etwas von außen Aufgepfropftes und für wahr Angenommenes zu wiederholen - zu wiederholen und bis zum Überdruß zu trainieren und immer wieder zu trainieren, monatelang, jahrelang, viele Tausend Mal, bis man ganz blöde geworden ist und gar nichts anderes mehr denken und für möglich halten kann.
Der beflügelte Praktiker:
Es erweist sich sofort als richtig: Der Schwung wird erinnert, nicht erworben! Und ich habe auf diesen meinen eigenen Schwung nur ganz selten zurückgegriffen. Es geht um das Schwunggefühl: Wie es sich anfühlt, wenn der Schläger nicht mit Kraft hochgeworfen und dann vorwärtsgerissen wird, sondern wenn er aus sich selbst heraus pendelt, wenn also der Schlägerkopf mit seinem Eigengewicht die Bewegung bestimmt, so als würde er von selbst den runden Bogen entlanglaufen, von der Gravitation gezogen. Und dann muß man sich diesem leichten, lockeren und geradezu befreienden Gefühl anvertrauen, muß loslassen und sich hineingeben, darf nicht Angst bekommen, sich darin unkontrolliert zu verlieren. Es ist eine sehr harmonische, runde, in sich vollkommene Sache, und um diese Sache geht es, nicht um den Schwingenden, den Machenden, den Spieler, oder gar um den, der ehrgeizig Leistung erbringen und gewinnen und andere beeindrucken will.
Das Ende der Erkenntnis:
Es geht einzig und allein darum, sich an dieses Zentrum anzuschließen und aus diesem Zentrum dann die Bälle sich bewegen und ihr Ziel finden zu lassen - und das Zentrum und das Ziel sind eins. Wenn das Zentrum gefunden und getroffen wird, wird auch das Ziel gefunden und getroffen. Beide Ebenen überdecken sich und werden identisch: die innere Ebene, das innere Wissen, die innere Sammlung und Ruhe - und die äußere Ebene in Form des Geländes, des Grases, des Windes und schließlich des Balles, der wie an einer Schnur gezogen ins Ziel rollt.
Vollkommenheit wird nur gefunden, wo bereits der Ausgangspunkt Vollkommenheit ist.
Selbstverständlich, Luna, ist der authentische Schwung das Anstrengungsloseste was man sich nur vorstellen kann. Er ist echt.
In welcher Dimension befinden Sie sich jetzt?
Wir könnten den Anorganischen fragen, sind Dimensionen real?
Hermes