An dieser Stelle möchte ich mal auf ein sehr interessantes Buch hinweisen:
Die Ernährungslüge von Hans-Ulrich Grimm
LESEPROBE
Katastrophe im Kopf
Essen wir uns dumm?
Frühstück mit Aussicht: Warum der Professor schon morgens an sein Gehirn denkt / Von der Epidemie der Vergesslichkeit / Wenn die grauen Zellen schrumpfen: Kehrt sich die Evolution des Gehirns um? / Der Supermarkt als Drohkulisse fürs Denkorgan / Und: Wann kommt die Pille gegen die Dummheit?
Die Sorge scheint ein bisschen übertrieben, gerade bei ihm. Sein Geist ist wach und rege. Seine Gene versprechen nur Gutes, denn sein Vater war bis ins 98. Lebensjahr geistig immer noch fit. Und einen anregenden Beruf hat er auch: Er ist Alzheimer-Forscher.
Aber das befördert eher die Sorge um die grauen Zellen. Die Hirne, die er auf dem Bildschirm betrachtet, sehen nicht sehr schön aus. Sorgsam zerlegt und nach Art eines Carpaccios in feine Scheiben geschnitten, zeugen große braune Flecken von großflächigen Zerstörungen: dunkle Nester, die aussehen wie Misteln im Baum, dazwischen kleine Klumpen, die sich dem Denken wie Steine in den Weg legen, und geschwänzte Gebilde, wie Kaulquappen, die wachsen und den Geist durchwuchern. Spuren des Vergessens. Es ist nicht ansteckend, und dennoch breitet es sich aus wie eine Seuche.
Konrad Beyreuther kennt die Gefahr, und er nimmt sie ernst. Beyreuther ist Hirnforscher, ein Wissenschaftler von Weltruf. Er hat an der amerikanischen Elite-Uni in Harvard gearbeitet, er hat in den First-Class-Journalen publiziert, in Nature, Science, Lancet. Er wird zu Vorträgen in aller Welt eingeladen; zuletzt war er in Osaka im Süden Japans. Für einen wie ihn ist der Gedanke unerträglich, Opfer jener zerstörerischen Kräfte zu werden, die das Bewusstsein auslöschen und die Handlungsfreiheit beseitigen.
Konrad Beyreuther ist gern Herr seiner Handlungen, er lebt bewusst und kultiviert seine äußere Erscheinung: Er ist ein Intellektueller mit Stil. Der Professor trägt, je nach Stimmung, mal Fliege, mal ein vornehm-graues, kragenloses Hemd mit silbernen Schließen; die Anzüge kauft er stets von seiner bevorzugten Designerin, die Schuhe in Italien. Eine Taschenuhr an goldener Kette, eine Hornbrille: auch die Accessoires passen ins Gefüge.
In der kühleren Jahreszeit zieht er noch einen eleganten, plüschigen Mantel mit durchgehendem Reißverschluss über. Wenn er dann einen Termin hat irgendwo auf dem Heidelberger Campus, dann setzt er noch einen glänzenden schwarzen Schutzhelm auf und schwingt sich aufs Rad, und wenn es dann noch regnet, lenkt er mit der einen Hand und hält mit der anderen seinen Schirm. Und wenn das etwas seltsam aussieht, dann stört ihn das überhaupt nicht.
Was elegant ist und was seltsam, das entscheidet so einer, bitteschön, selber. Und damit das so bleibt, achtet er sehr darauf, dass seine grauen Zellen fit bleiben, dass die Hirnkiller fern bleiben und er seine inneren Abwehrtruppen stärkt - und zwar schon beim Frühstück. Der Professor wohnt hoch oben am Heiligenberg, in einer Villengegend in einem Haus aus dem Jahr 1935; es ist in einem warmen Gelb gehalten mit großen grünen Fensterläden. Vom Esszimmer aus hat er einen weiten Blick über die Rheinebene, an klaren Tagen fast bis nach Frankreich. Auf dem Esstisch steht eine Karaffe mit Saft, ein Obstkorb, Joghurt, Tee.
Sie denken beim Frühstück schon ans Denken?
Selbstverständlich. Denken verbraucht wahnsinnig viel Energie. Ein Fünftel der Energie, die wir im Körper verbrennen, verbraucht das Gehirn, obwohl es gerade zwei Prozent unseres Körpergewichts ausmacht. Das Gehirn ist das teuerste Organ, vom Energieverbrauch pro Kilo betrachtet.
Und was bringt die Energie ins Hirn?
Das Hirn braucht reinen Zucker, Glukose.
Sie löffeln Zucker zum Frühstück?
Ich esse Zucker in Form von Obst. Morgens zum Beispiel einen Apfel. Ich bin ein sehr sinnlicher Mensch, ich dusche morgens gerne warm, einfach um mit dem Gefühl der Wärme den Tag beginnen zu lassen. Und so habe ich auch gern diesen sinnlichen Apfel in der Hand.
Ein karges Mahl.
Keineswegs. Das Frühstück bei mir ist ein Genießerfrühstück. Ich trinke Früchtetee, Malve oder Brennnessel oder mal eine Kamille, das hängt von meiner Laune ab, so wie ich mir auch jeden Tag den Anzug aussuche nach meiner Stimmung. Heute habe ich auch Feigen gegessen zum Frühstück. Feigen haben wahnsinnig viel Zucker. Aber ich schaue auf der anderen Seite auch, dass ich nicht zu viel Zucker bekomme. Zuviel ist ganz schlecht fürs Gehirn.
Lieber was Deftiges.
Ich esse dann meistens noch ein Schwarzbrot mit einer Tomate darauf. Und Joghurt. Heute habe ich auch noch Lust gehabt auf Joghurt. Da ist sehr viel Eiweiß drin.
Eiweiß fürs Hirn?
Das ist wahnsinnig wichtig. Der menschliche Körper kann bestimmte Eiweißbausteine nicht machen.Wir sind da ganz arm dran. Wir können auch kein eigenes Vitamin C machen. Was das Pferd noch kann. Der Esel kanns schon nicht mehr. Wir gehören da wahrscheinlich zu den Eseln.
Und müssen Vitamine essen.
Bei den Vitaminen bin ich ganz heikel. Ich trinke meistens einen Obstsaft, handgepressten Orangensaft, die fünf Minuten nehme ich mir. Wenn ich mal viel unterwegs war und nichts gescheites gegessen habe, dann nehme ich auch so eine Multivitamintablette. Ich schaue, dass ich möglichst viel Vitamin E zu mir nehme, und da ich der Meinung bin, dass ich das mit normalem Essen nicht schaffe, nehme ich Vitamin E auch in Tablettenform. Ich bin da vielleicht übertrieben vorsichtig, weil ich eben dieses Alzheimer-Problem kenne.
Die Angst des Professors ist berechtigt. Das Gehirn ist in Gefahr, Morbus Alzheimer breitet sich aus, und der Professor weiß, woher die Gefahr kommt. Dabei spielt die Ernährung eine bislang völlig unterschätzte Rolle. Das Gehirn will wohlgenährt sein, und wird es immer weniger. Der Professor weiß um den Mangel an hirnwichtigen Nährstoffen, von den Risiken durch Schadstoffe im Essen, auch durch die Chemie im Essen, in der industriellen Nahrung vor allem die vielen Zusatzstoffe. Sie sollten künftig auf ihre »Neurotoxizität« geprüft werden, auf ihre Giftigkeit fürs Gehirn, so fordert der Professor, der auch Staatsrat für Lebens- und Gesundheitsschutz in der baden-württembergischen Landesregierung ist. Die amerikanischen Behörden arbeiten schon an solchen Tests.
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